Bauen, Stadtgrün, Mobilität: Diese Anforderungen an den urbanen Raum stehen in Konkurrenz zueinander, sollen aber in Einklang gebracht werden. Wie das gehen kann, untersucht ein Forschungsprojekt des Umweltbundesamts.

Urbane Räume werden in Zukunft vielen Anforderungen genügen müssen, wenn sie den Menschen,
die darin wohnen, eine gute Lebensqualität bieten sollen. Die Stadt erwärmt sich stärker als das Umland, deshalb werden Grünräume, Parks, Straßenbäume und kühlende Wasserflächen benötigt, die auch Starkregen auffangen können. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Pkw in den Städten immer weiter zu: Anfang 2024 waren rund 49 Millionen Pkw zugelassen – im Jahr 2014 waren es noch knapp 44 Millionen. Zentrales Thema in der gesellschaftlichen Diskussion ist gegenwärtig auch Wohnraum, der gerade in Ballungsräumen dringend benötigt wird.
Die Folgen sind zunehmende Konkurrenz um städtische Flächen und sich verschärfende Zielkonflikte über die Entwicklung des urbanen Raums. Diese nimmt das Forschungsprojekt „Neues Europäisches Bauhaus weiterdenken: nachhaltige Mobilität und resiliente Räume für mehr Lebensqualität“ (Ad-NEB) des Umweltbundesamts (UBA) in den Blick. Im Fokus steht hier das Leitbild der „dreifachen Innenentwicklung“: Es verknüpft bauliche Innenentwicklung, Qualifizierung von Frei- und Grünflächen und nachhaltige Mobilität.
Versiegelte Flächen für eine klimafreundliche Stadtentwicklung nutzbar machen
Ziel ist, dass die Nutzung des urbanen Raums den genannten Herausforderungen gerecht werden kann. In Planungsprozessen gilt es, ineffizient genutzte, ungleich verteilte und versiegelte Flächen im urbanen Raum umzugestalten, um sie für mehrere Zwecke zu nutzbar machen. Im Sinne eines flächensparenden und ressourcenschonenden Umgangs mit dem öffentlichen Raum sollten alle späteren Nutzungen schon bei der Planung gemeinsam betrachtet und Projekte entsprechend entwickelt werden. Auch der Gebäudebestand sollte hier mit einbezogen werden.
Der Referentenentwurf für die Reform des Baugesetzbuchs der Ampel-Regierung von Ende Juli 2024 hat das innovative Konzept der dreifachen Innenentwicklung in der Bauleitplanung als Abwägungsgrundsatz aufgegriffen. Die Novelle konnte allerdings mit dem vorzeitigen Ende der Legislaturperiode nicht zu Ende geführt werden.
Umweltgerechtigkeit mitplanen
Insbesondere in der Stadt sind Umweltbelastungen unterschiedlich verteilt: Menschen, die an großen, vielbefahrenen Straßen wohnen, sind Lärm und Abgasen stärker ausgesetzt als diejenigen, die in Seitenstraßen oder ruhigen Vierteln wohnen. Auch der Zugang zu kühlenden Grünräumen als Orte des Rückzugs vor zunehmender Hitze ist sozial ungleich verteilt. Kommunen sollten diesen Querschnittsaspekt der Umweltgerechtigkeit in ihren Verwaltungen stärker implementieren, um ihm in seinen verschiedenen Facetten gerecht zu werden – in der Praxis eine große Herausforderung.
Was können sie konkret tun, um diese Herausforderungen zu adressieren – gerade vor dem Hintergrund der enger werdenden personellen und finanziellen Spielräume?
Um den Umwelt- und Klimaschutz zu fördern und damit die Lebensqualität zu erhöhen, sind nach der Novellierung der Straßenverkehrsordnung (StVO) vor allem Verkehrsflächen in den Fokus getreten. Die neue StVO, konkretisiert durch die zugehörige Verwaltungsvorschrift, ermöglicht es jetzt, Rad- und Fußwege sowie Busspuren zur Umsetzung dieser Ziele anzuordnen. Auch die Gesundheit und die städtebauliche Entwicklung stellen neue Anordnungsgründe dar. Die Leichtigkeit des Verkehrs tritt demgegenüber in den Hintergrund.
Begrünung hat Vorfahrt
Vor Ort haben Kommunen jetzt ein Antragsrecht gegenüber den Straßenverkehrsbehörden, wenn sie sich solche Anordnungen wünschen. Diese müssen dann prüfen, ob der Straßenraum anders aufgeteilt werden kann. Ebenso lassen sich Parkraumbewirtschaftungszonen und Tempo 30 auch an Hauptverkehrsstraßen einfacher anordnen.
Das betrifft zum Beispiel Spielplätze und hochfrequentierte Schulwege. Hier können nun Lücken zwischen zwei Tempo-30-Strecken über eine Entfernung von 500 Meter statt wie zuvor über 300 Meter geschlossen werden. Die neue Regelung leistet einen wichtigen Beitrag, um Lärm und Emissionen zu reduzieren und Verkehrssicherheit und Erreichbarkeit zu erhöhen – an Orten, an denen vor allem Kinder betroffen sind.
Alternative Straßennutzung
Im UBA-Forschungsprojekt AdNEB wurde anhand von Verkehrsversuchen in mehreren Kommunen untersucht, wie eine Umverteilung des Verkehrsraums zugunsten von anderen Nutzungen wirkt. Im Rahmen der Aktion „Brühl macht Platz!“ wurde etwa eine Straße temporär umgestaltet, um mehr Aufenthaltsqualität zu schaffen. Statt Parken wurden auf dem zentralen Belvedere Platz für eine Dauer von vier Wochen zahlreiche Angebote und Veranstaltungen durchgeführt: von Sport- und Fitnessangeboten, Konzerten, Tanzworkshops und Theateraufführungen bis hin zu Spielaktionen – alle trafen auf interessierte Bürgerinnen und Bürger.
Das zeigt, dass dort, wo der öffentliche Raum für gewöhnlich von Autos besetzt ist, Menschen Raum finden können. Das Beispiel weist zudem darauf hin, dass eine solche – wenn auch nur temporäre – Umnutzung Diskussionen in der Stadtgesellschaft befördern kann. Es belegt außerdem, dass es sich für die Kommunen lohnt, die erforderlichen Veränderungen vor Ort erlebbar zu machen.
Miriam Dross
Die Autorin
Miriam Dross leitet im Umweltbundesamt das Fachgebiet „Nachhaltige Mobilität in Stadt und Land“ sowie das Forschungsprojekt „Neues Europäisches Bauhaus weiterdenken: Nachhaltige Mobilität und resiliente Räume für mehr Lebensqualität“ (AdNEB).
ATTRAKTIVE URBANE RÄUME
Das Umweltbundesamt will Empfehlungen für resiliente, gesunde sowie klima- und umweltfreundliche Räume entwickeln. Grundlage dafür ist das Forschungsprojekt „Neues Europäisches Bauhaus weiterdenken: Nachhaltige Mobilität und resiliente Räume für mehr Lebensqualität“. Das UBA-Forschungsprojekt knüpft an die Initiative „Neues Europäisches Bauhaus“ (NEB) der Europäischen Kommission an.




