Abwasserwärme: „Verfügbar, preisstabil und krisensicher“

Da geht noch mehr: Abwasser kann und sollte für die Wärmeversorgung eingesetzt werden, dafür macht sich die DWA stark. Geschäftsführerin Lisa Broß schlüsselt auf, inwiefern die Nutzung von Abwasserwärme wichtig ist – und nennt Anwendungsbeispiele dafür, wo dieses Prinzip bereits eingesetzt oder geplant ist. 

Nutzung von Abwasserwärme
Vieles wie der Einbau von Wärmetauschern geschieht im Verborgenen unter der Erde – die Nutzung von Abwasserwärme kann aber einen wichtigen oberirdischen Beitrag zur Treibhausgasminderung leisten. Foto: Uhrig Energie GmbH

HamburgWasser errichtet derzeit am Ablauf von Deutschlands größter Kläranlage im Hamburger Hafen eine Abwasser-Großwärmepumpe. Sie wird künftig 39.000 Haushalte in der Hansestadt mit klimafreundlicher Fernwärme aus dem Abwasser versorgen. Täglich werden in der Kläranlage 450.000 Kubikmeter Abwasser gereinigt, die nach der Behandlung immer noch eine Temperatur zwischen zwölf und 22 Grad aufweisen – ideale Voraussetzung für den effizienten Einsatz von Wärmetauschern.

Berlin plant am Kraftwerksstandort Reuter West eine Abwasserwärmepumpenanlage im großindustriellen Maßstab sowie eine Gegendruck-Dampfturbine. Beide Technologien nutzen lokale Abwärmequellen für die zukünftige Berliner Wärmeversorgung. Die Großwärmepumpenanlage mit einer thermischen Leistung von 75 Megawatt wird an die neue Reinigungsstufe des Klärwerks Ruhleben der Berliner Wasserbetriebe (BWB) in Spandau angeschlossen. Nach ihrer Fertigstellung versorgt die Anlage 45.000 Wohneinheiten mit Wärme und spart jährlich 50.000 Tonnen CO2 ein.

Abwasserwärme ist vielseitig einsetzbar

Abwasserwärmenutzung funktioniert im großindustriellen Maßstab, bietet aber auch in einem kleineren Rahmen eine gute Alternative zu anderen Energieträgern. So wird etwa in Dortmund Westholz bereits seit Jahren ein Seniorenwohnsitz mit 80 Pflegeplätzen mit Abwasserwärme aus einem nahegelegenen, großen Abwasserkanal versorgt. Der Gesamtwärmebedarf von 830.000 kWh wird großteils über die Abwasserwärme gedeckt, die CO2-Emissionen werden durch die Nutzung der Abwasserwärme mehr als halbiert.

Diese aktuellen Beispiele zeigen, dass die Nutzung von Abwasserwärme funktioniert und einen wesentlichen Beitrag zur Treibhausgasminderung im Wärmesektor beitragen kann. Noch sind aber längst  nicht alle Potenziale genutzt. Deshalb haben Städte wie Köln oder auch die im Ruhrgebiet ansässige Emschergenossenschaft Karten über Abwasserwärmepotenzial erstellt und veröffentlicht, um die Nutzung voranzutreiben. Jeder Investor und jede Verwaltung kann mit einem Klick sehen, ob am geplanten Standort Potenziale für Abwasserwämenutzung bestehen.

Kommunen brauchen klimaneutrale Wärmenetze

Seit Anfang 2024 ist ein neuer, wichtiger Impuls von der Bundespolitik hinzugekommen: Das am 1. Januar in Kraft getretene Kommunale Wärmeplanungsgesetz fordert bis spätestens 2045 klimaneutrale Wärmenetze. Dann dürfen nur noch erneuerbare Energien in die Wärmenetze eingespeist werden. Abwasser kann und wird hierfür als krisensichere und wirtschaftliche Alternative ein wichtiger Baustein sein.

Jährlich fließen in Deutschland knapp fünf Milliarden Kubikmeter Schmutzwasser durch die Kanalisationen zu den Kläranlagen. Dieses Abwasser weist selbst im Winter in der Regel noch Temperaturen von mehr als zwölf Grad Celsius auf – das Wärmepotenzial des Abwassers ist immens.

Rahmenbedingungen zur Nutzung von Abwasserwärme

Für eine wirtschaftliche Nutzung der Abwasserwärme müssen allerdings verschiedenen Bedingungen erfüllt sein. Wichtig ist die räumliche Nähe der Wärmenutzer zu einem der Hauptsammler – die großen Kanäle im Entwässerungssystem. Gleiches gilt bei der Wärmeentnahme im Ablauf der Kläranlage, auch hier ist die räumliche Nähe zu den Wärmenutzern wichtig.

An vielen Orten liegen diese Randbedingungen vor. Fachleute gehen davon aus, dass fünf Prozent des Gebäudewärmebedarfs in Deutschland durch Abwasserwärme gedeckt werden kann.

Den politischen Willen, dieses Potenzial für eine klimaneutrale Wärmeversorgung zu nutzen, hat beispielsweise Nordrhein-Westfalen im vergangenen Herbst unterstrichen. Das Umweltministerium des Landes hat im Oktober mit verschiedenen Verbänden, unter anderem der DWA Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall, eine Grundsatzvereinbarung zum Ausbau der Abwasserwärmenutzung unterschrieben. Nordrhein-Westfalen will bis 2030 mindestens eine Terawattstunde (TWh)  Wärme aus Abwasser gewinnen. Bis 2045 sollen vier TWh Abwasserwärme für die Wärmeversorgung nutzbar gemacht werden.

Nutzung von Abwasserwärme
Insbesondere in urbanen Räumen mit großen Abwassermengen kann die Nutzung von Abwasserwärme zur klimaneutralen Wärmegewinnung beitragen – zum Beispiel in Stuttgart: Dort versorgt Abwasserwärme das Stadtquartier Neckarpark. Foto: Adobe Stock/joshuaheller.de

Wie funktioniert die Nutzung von Abwasserwärme?

Das Prinzip der Abwasserwärmenutzung ist relativ einfach und technisch seit Jahren erprobt. Ein Wärmetauscher wird entweder direkt in den Kanal eingebaut oder außerhalb platziert, um Wärme aus dem Abwasser zu entziehen. Diese Wärme wird dann mithilfe einer Wärmepumpe auf ein Temperaturniveau gebracht, das zum Heizen geeignet ist. Das Abwasser wird abgekühlt, im Gebäude wird die Wärme abgegeben. Solche Systeme lassen sich sowohl in größeren Kanälen als auch im Ablauf von Kläranlagen einsetzen.

Beide Varianten – Entnahme der Wärme in der Kanalisation und Entnahme im Ablauf der Kläranlage – weisen verschiedene Vor- und Nachteile auf.

Bei der Nutzung eines Hauptsammlers kann die Wärmeentnahme in unmittelbarer Nähe von potenziellen Nutzern erfolgen, der Wärmeverlust auf dem Weg zum Nutzer ist minimal. Bei der Abwasserbehandlung auf den Kläranlagen spielen allerdings Bakterien eine wichtige Rolle, sie benötigen für eine gute Arbeit eine Wohlfühltemperatur. Dementsprechend darf das Abwasser nicht zu sehr abgekühlt werden. Relevant ist dabei die Abkühlung des Gesamtsystems im Zulauf der Kläranlage, nicht die Abkühlung im jeweiligen Kanalisationsabschnitt.

Bei der Wärmeentnahme im Ablauf der Kläranlage beseht diese Problematik nicht, hier ist die Abkühlung aus gewässerökologischer Sicht sogar positiv. Problematisch kann hier hingegen eine fehlende Nähe zu Fernwärmenutzern sein.

Die Lösung ist in der Regel der Anschluss an Fernwärmeleitungen. Wirtschaftlich gilt dabei als Faustregel: Ein Kilometer Fernwärmeleitung pro einem Megawatt Wärmeabnahme ist sinnvoll.

Wärmequelle mit großem Potenzial

Die Nutzung der Abwasserwärme steht in Deutschland vor einer vielversprechenden Zukunft. Die Wärmequelle Abwasser ist ganzjährig verfügbar, preisstabil und krisensicher. Die Technik ist erprobt, der politische Wille zur Nutzung vorhanden.

Insbesondere in urbanen Gebieten mit großen Abwassermengen kann die Abwasserwärme sich zu einer wichtigen Wärmequelle entwickeln und zu den Klimaschutzzielen des Wärmesektors beitragen.  

Lisa Broß


Die Autorin

Dr.-Ing. Lisa Broß ist Sprecherin der Bundesgeschäftsführung der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (DWA).


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