Geothermie: Die Zukunft der Wärmeversorgung

Umwelt- und klimafreundlich, zuverlässig und preisstabil: Geothermie birgt das Potenzial, nachhaltig mindestens die Hälfte des Wärme- und Kältebedarfs Deutschlands zu decken. Verbandschef Gregor Dilger schlüsselt auf, warum er davon überzeugt ist – und was für den schnellen Ausbau nötig ist.

Geothermie
Blick auf den Bohrplatz im oberbayerischen Halsbach im vergangenen Winter: Mit der geothermischen Energie, die aus der Tiefenbohrung gewonnenen wird, werden demnächst Teile der Region mit Wärme versorgt. Foto: H. Anger’s Söhne/Naturwärme Kirchweidach-Halsbach

Zunehmend findet eine Energieform mit immensem Potenzial die Beachtung vieler Kommunen: die Geothermie. Aktuell ist nur ein kleiner Teil des Potenzials gehoben, doch das könnte sich bald drastisch ändern. Spätestens mit der Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) und vor dem Hintergrund der kommunalen Wärmeplanung ist die Debatte darum, wie der Wärmemarkt der Zukunft aussehen kann, in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Der Weg in die Wärmewende wird dabei maßgeblich von den Kommunen gestaltet werden.

Hohe Ansprüche an die Wärme

Der Gesamtwärmebedarf in Deutschland belief sich im vergangenen Jahr auf rund 1100 Terawattstunden (TWh). Der überwiegende Teil unserer Wärmeversorgung beruht gegenwärtig noch auf dem Einsatz fossiler Brennstoffe. Nur knapp 19 Prozent der Wärme werden mittels erneuerbarer Energien gewonnen.

Ziel ist es, bis 2030 die Hälfte der Wärme aus klimaneutralen Quellen zu decken. Die Frage, wie Wärme nicht nur umwelt- und klimafreundlich, sondern auch verlässlich und preisstabil zur Verfügung gestellt werden kann, hat erheblich an Relevanz gewonnen.

Geothermie kann hier ein wesentlicher Teil der Antwort sein: Sie bietet das Potenzial, mindestens die Hälfte des Wärme- und Kältebedarfs Deutschlands zu decken. Dies zeigen verschiedene Studien renommierter Forschungsinstitute.  Laut einer Untersuchung der Fraunhofer IEG beläuft sich das Potenzial der Oberflächennahen Geothermie für Einzelheizungen und kalte Nahwärmenetze auf bis zu 600 TWh pro Jahr.

Oberflächennahe Geothermie in ganz Deutschland möglich

Praktischerweise können mit den gleichen Anlagen auch große Teile des steigenden Kühlbedarfs (kosten-)effizient über passive Kühlung beziehungsweise Temperierung bereitgestellt werden – dieser Vorzug wird vor dem Hintergrund der Erderwärmung zukünftig erheblich an Bedeutung gewinnen. Grundsätzlich ist die Nutzung der Oberflächennahen Geothermie überall in Deutschland möglich.

Die Potenziale der Tiefen Geothermie werden von Studien auf 118 bis zu über 300 TWh pro Jahr beziffert. Die Untersuchungen von Fraunhofer- und Helmholtz-Gesellschaft sowie dem Umweltbundesamt unter Leitung des Hamburg Instituts beziehen sich dabei in der Regel auf die Potenziale der sogenannten hydrothermalen Geothermie. Diese Konzepte setzen auf das Vorhandensein von Thermalwasserhorizonten.

Die Potenziale anderer Technologien, die trockene Gesteinsschichten erschließen beziehungsweise geschlossene Rohrsysteme nutzen, würden hier noch hinzukommen. Damit könnte rein rechnerisch ein Großteil des gegenwärtigen Bedarfs an netzgebundener Wärme gedeckt werden.

Das Geothermie-Kraftwerk in Sauerlach bei München ging 2014 in den Regelbetrieb. Es erzeugt Strom für rund 16.000 Haushalte. Foto: Foto: AdobeStock/Andy Ilmberger

Weiteres Potenzial von Geothermie wird aktuell untersucht

Tatsächlich ist die Kenntnis über unseren Untergrund regional sehr unterschiedlich ausgeprägt. Gut und als geeignet bekannt gelten das Süddeutsche Molassebecken, der Oberrheingraben und das Norddeutsche Becken. Weitere Potenziale werden in der Rhein-Ruhr-Region vermutet und aktuell durch eine Seismikkampagne des Geologischen Diensts NRW untersucht.

Stadtwerke, private Energieversorger und Industrieunternehmen haben das riesige Potenzial erkannt. Über 150 tiefengeothermische Projekte, darunter Vorhaben zur Fernwärmeversorgung, Stromerzeugung und zur Koproduktion von Lithium, befinden sich in der Entwicklung. Über 400.000 oberflächennahe Erdwärmeanlagen sind in Betrieb. Jährlich kommen zehntausende neue Systeme hinzu.


Kommunale Wärmewende

Um die Nutzung der Erdwärme dreht sich der Geothermie-Kongress 2024 in Potsdam vom 22. bis 24. Oktober 2024. Der Workshop zur Kommunalen Wärmewende am 24. Oktober beleuchtet dabei in komprimierter Form einen Querschnitt wichtiger Themen zur Planung und Umsetzung von Geothermie-Projekten.


Neu ist die Geothermie keinesfalls. Die einzelnen Technologien werden bereits seit mehr als 40 Jahren erfolgreich eingesetzt. Die erste Fernwärmeanlage ging 1984 in Waren an der Müritz in Betrieb. Zahlreiche Kommunen haben bereits gute Erfahrungen gesammelt, ihre Nutzung weiter ausgebaut oder sie sich in den kommenden Jahren zum Ziel gesetzt, zum Beispiel Unterföhring, Pullach, Grünwald, Potsdam, Neuruppin oder München.

Politischer Rückenwind für schnellere Umsetzung von Geothermie-Projekten

Das Erreichen unserer Klimaziele hängt wesentlich vom schnellen Ausbau der Geothermie ab. Um die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und Umsetzungszeiten in der Folge zu verkürzen, hat die Bundesregierung mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für Geothermieanlagen, Wärmepumpen und Wärmespeicher (GeoWG) das erste geothermiespezifische Stammgesetz in Deutschland geschaffen.

Mit dem GeoWG bekennt sich die Bundesregierung klar zur Erdwärme als Schlüsseltechnologie der Wärmewende. Im Gesetzentwurf ist etwa das überragende öffentliche Interesse für die Errichtung und den Betrieb geothermischer Anlagen festgeschrieben. Dieser Rechtsbegriff verleiht Geothermieprojekten bei der Schutzgüterabwägung zusätzliches Gewicht und erhöht die Planungssicherheit für Projektentwickler.

Zudem sieht das GeoWG Erleichterungen im Berg-, Wasser- und Naturschutzrecht vor. Diese Anpassungen dürften zu spürbaren Beschleunigungen beim Geothermieausbau führen.

Über Fernwärmerohre gelangt die Wärme zu den Abnehmern. Foto: Adobe Stock/Cardaf

Neue Maßnahmen für mehr Dynamik

Neben dem GeoWG hat der Gesetzgeber eine Reihe ergänzender Maßnahmen auf den Weg gebracht, die der Geothermie hierzulande zum Durchbruch verhelfen könnten. Die avisierte Herausnahme der Oberflächennahen Geothermie (bis 400 Meter Tiefe) aus dem Bergrecht sowie verkürzte Genehmigungsfristen für Erdwärmeanlagen nach dem Wasserhaushaltsgesetz könnten dem Ausbau – insbesondere kleinerer erdgekoppelter Wärmepumpen – eine neue Dynamik verleihen. Die Einführung eines Privilegierungstatbestandes für Geothermievorhaben im Baugesetzbuch dürfte die Realisierung großer Anlagen deutlich beschleunigen.

Der politische Rückenwind für die Geothermie ist spürbar. Wenngleich die genannten rechtlichen Anpassungen sich noch im Gesetzgebungsverfahren befinden und noch nicht in Kraft getreten sind, blickt die Branche mehr als zuversichtlich in die Zukunft. Denn Geothermie wird, da sind wir uns sicher, im erneuerbaren Wärmemarkt eine wesentliche Rolle einnehmen.     

Gregor Dilger


Der Autor

Gregor Dilger ist Geschäftsführer des Bundesverbandes Geothermie e.V.


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