Tiny Houses: Wohnen auf kleinem Raum

Einsetzbar in der Nachverdichtung, ein mögliches Element bei der Innenentwicklung sowie der Förderung von Vielfalt – und auch ein Mittel gegen Wohnraummangel? Was können Tiny Houses für Kommunen leisten, wo sind ihre Grenzen? Eine Zwischenbilanz aus Verbandssicht.

Tiny Houses
Tiny Houses werden fertig geliefert, sind schnell aufgebaut, brauchen nur wenig Raum – und können ihren Platz sogar auf Garagendächern finden. Foto: Adobe Stock/MadCat13Shoombrat

Als in den 2010er Jahren die ersten Anfragen nach kommunalen Siedlungsflächen bei den Bauämtern eingingen, machte man sich vielerorts (vor-)schnell ein Bild der Interessenten. Man vermutete mittellose, arbeitsscheue Bauwagenromantiker, die womöglich über Nacht samt ihrer selbstgezimmerten Behausung wieder verschwinden.

Das Bild der Tiny-House-Bauherrn der ersten Stunde war schon damals nicht richtig. Aber auch unabhängig davon mussten die meisten Anfragen abgelehnt werden. Mal sahen die Bebauungspläne anderes vor. Mal musste man erläutern, dass das Bauen im Außenbereich nicht genehmigungsfähig ist. Mal passten die Interessenten nicht zum kommunalen Auswahlverfahren.

Inzwischen aber hat sich das Bild der Tiny-House-Interessierten genauso verändert wie die Haltung der Kommunen. Längst hat sich herumgesprochen, dass es sich bei den potenziellen Bauherren von Kleinwohngebäuden um einen breiten Querschnitt der Bevölkerung handelt. Besonders häufig sind darunter gut situierte Frauen im mittleren Alter, die ihr Hab und Gut bewusst reduzieren möchten und sich für ein suffizientes Wohnen entscheiden.

Neubürger, die sich für das Gemeinwohl engagieren

Es handelt sich damit um Zielgruppen, die im Sinne der Vielfalt das Leben einer Kommune bereichern. Oft kommen über Tiny Houses auch Neubürger in Gemeinden, die sich gerne vor Ort für das Gemeinwohl engagieren.

Von Anhängern der Tiny-House-Bewegung ist regelmäßig zu hören, dass mit Kleingebäuden dringend benötigter Wohnraum geschaffen werden könne – ein Argument, dem sich Gemeindeverantwortliche stellen müssen. Oft aber reichen schon überschlägige Rechnungen, um festzustellen: Nein, zur Linderung der Wohnungsnot ist das Tiny House kein Gamechanger.

Wo sind Tiny Houses sinnvoll und effektiv?

Auf die Wohnfläche bezogen ist ein Mehrgeschosswohnungsbau die günstigere Lösung: sowohl bei den Bau-, Planungs- und Erschließungskosten. Zudem lassen sich auf einem vorhandenen Grundstück deutlich mehr Menschen lebenswert unterbringen. Was die Flächeneffizienz betrifft, ist die Tiny-House-Siedlung zwar besser als das Neubaugebiet mit Einfamilienhäusern. Dem Mehrfamilienhaus ist es aber klar unterlegen. Ein kommunales Wohnbauprojekt steuert der Wohnungsnot deutlich effektiver und sinnvoller entgegen. Trotzdem gibt es viele Fälle, die für Kleinwohngebäude prädestiniert sind.

Der Tiny House Verband berät Kommunen bei entsprechenden Projekten. Er empfiehlt zunächst die Identifikation innerörtlicher Restflächen für eine sinnvolle Nachverdichtung. Überall gibt es kommunale Parzellen, um deren Pflege sich der Bauhof kümmern muss und die für eine Bebauung zu klein sind. Hier ist die Ansiedlung einiger Tiny Houses oft möglich. Das ist auch temporär denkbar.

Weil die Gebäude in aller Regel transportfähig sind, gibt es die Möglichkeit, Parzellen zur Bebauung zunächst zeitlich befristet anzubieten. Gleiches gilt auch für private Grundstücke: Wo sich Besitzer heute noch nicht auf eine dauerhafte Bebauung festlegen wollen, ist ein temporäres Verpachten für Tiny Houses ideal.

Tiny Houses
Wenig(er) Fläche beanspruchen: Für Kommunen kann das Konzept der Tiny Houses vor allem bei innerörtlichen Restflächen attraktiv sein. Foto: Adobe Stock/panu101

Tiny Houses huckepack auf Gewerbebauten

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Nachverdichtung durch Aufstocken auf Nichtwohngebäuden. Eingeschossige Gewerbebauten und Garagen bieten Platz für schnell errichtete Wohnmodule. Kellerlose Tiny Houses auf Rädern oder Modulbauten auf erhöhten Punktfundamenten können zudem die erste Wahl in einem hochwassergefährdeten Gebiet sein, in dem die Bebauung mit Einfamilienhäusern tabu ist.

Immer mehr Städte und Gemeinden forcieren inzwischen die Entwicklung eigener Tiny-House-Siedlungen und lassen sich dabei von spezialisierten Dienstleistern unterstützen. Mal ist es ein alter Sportplatz, mal eine Industriebrache, mal ein Teil eines Neubaugebiets am Ortsrand  und immer bietet die Tiny-House-Siedlung stadtplanerische Chancen, die beim konventionellen Bauen nur schwer durchsetzbar sind.

Autofreie Siedlungen, Dachbegrünung, Mikrohäuser in dichter Reihenbebauung, höchste Effizienzstandards und Urban Gardening – oft tragen Tiny-House-Bauherren zukunftsgerechte Ideen begeistert mit.   

Johannes Laible


Der Autor

Johannes Laible engagiert sich im Vorstand des Tiny House Verbands und ist Herausgeber des jährlich erscheinenden Tiny-House-Magazins „Kleiner Wohnen“.


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