Wohnraum wird dringend gebraucht – diesem Ziel stehen aber verschiedene Hindernisse entgegen. Hier setzt ein Projekt des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung an. Vier Modellregionen erarbeiten und testen neue Lösungsansätze für den Wohnungsmarkt.
Auf angespannten Wohnungsmärkten reicht das Angebot schon lange nicht mehr zur Deckung des Wohnungsbedarfs aus. Immobilienpreise und Mieten liegen auf hohem Niveau. Die Stadt-Umland-Wanderung hat hier deutlich an Fahrt aufgenommen. Auch die Besetzung offener Stellen mit auswärtigen Fachkräften bleibt schwierig, weil diese vor Ort kaum bezahlbaren Wohnraum finden.
Das Ziel der Bundesregierung, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen – davon 100.000 Sozialwohnungen -, muss deshalb vorrangig auf den angespannten Wohnungsmärkten in Deutschland umgesetzt werden. Denn nur zusätzliche Wohnungsangebote können langfristig die bestehenden Versorgungsengpässe überwinden.
Die Schlüsselposition der Kommunen für mehr Wohnraum
Auch wenn derzeit die hohen Bau- und Finanzierungskosten im Mittelpunkt der Diskussion stehen, bleibt der Baulandmangel ein wesentliches Hemmnis für die Schaffung von mehr bezahlbarem Wohnraum. Die Städte und Gemeinden besitzen im Rahmen ihrer kommunalen Planungshoheit die alleinige Kompetenz, durch die Entwicklung von mehr Wohnbauland und die Mobilisierung von Innenentwicklungspotenzialen diesen Mangel zu beheben.
Im erforderlichen Umfang passiert das aus unterschiedlichen Gründen auf angespannten Wohnungsmärkten allerdings nicht. Deshalb ist eine verbesserte überörtliche Koordination der Wohnbaulandentwicklung notwendig. Wie Raumordnung und interkommunale Kooperation zu einer raumverträglichen Ausweitung des Wohnbaulandangebotes im Rahmen der Innen- und Außenentwicklung beitragen können, wird im Modellvorhaben „Mehr Wohnungsbau ermöglichen: Raumordnung und interkommunale Kooperation als Wege aus der Wohnungsnot“ mit Hilfe von vier Modellregionen untersucht.
Die vier Modellprojekte
Die Gemeinsame Landesplanung Berlin-Brandenburg will das bestehende Instrumentarium des Landesentwicklungsplans Hauptstadtregion mit Fokus auf die Wohnraumversorgung überprüfen und optimieren. Dabei soll die Zusammenarbeit mit den Kommunen ausgebaut und ein Controlling für die Umsetzung implementiert werden.
Der Regionalverband Mittlerer Oberrhein plant als Träger der Regionalplanung auf Grundlage einer Wohnraumbedarfsprognose und -potenzialanalyse die Erarbeitung eines interkommunalen Wohnraummanagements. Es umfasst die Aktivitäten zur Wohnraummobilisierung und soll durch neue regionalplanerische Steuerungsinstrumente einer bedarfsgruppen- beziehungsweise bauformenspezifischen Wohnbaulandsicherung flankiert werden.
Der Regionalverband Hochrhein-Bodensee will ein adaptives Wohnraummanagement etablieren, um die Wohnraumschaffung im Mittelbereich Bad Säckingen auf Nachfrageschübe durch anstehende große schweizerische Unternehmensansiedlungen zielgenau abzustimmen.
Die Städteregion Aachen plant zunächst eine Wohnungsbedarfsprognose und eine Potenzialflächenanalyse. Auf dieser Grundlage soll ein interkommunales wohnbauliches Entwicklungskonzept erarbeitet werden.
Wo liegen die Probleme für mehr Wohnraum?
Erste Ergebnisse des Modellvorhabens der Raumordnung (MORO) zeigen: Das fehlende Flächenangebot für den Wohnungsbau auf angespannten Wohnungsmärkten ist auf vielfältige Ursachen zurückzuführen. Dazu gehören Mobilisierungshemmnisse von Innenentwicklungspotenzialen, hohe Kosten für zusätzlich erforderliche Wohnfolgeinfrastruktur, nicht ausreichendes Planungspersonal und fehlende Ressourcen für die Durchführung aufwendiger Planungsprozesse in kleineren Verwaltungen.
Hinzu kommen Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung, die eine Ausweitung des Wohnungsbaus -insbesondere, wenn es um Nachverdichtung im Bestand oder höhere Dichten bei Neubaugebieten geht – ablehnt und Bürgerinitiativen sowie Bürgerentscheide gegen neue Wohnungsbauprojekte anstrebt. In vielen Fällen besteht auch eine generelle Wachstumsmüdigkeit der Kommunen. Viele Gemeinden wollen im Hinblick auf ihre Einwohnerzahl einfach nicht mehr weiterwachsen.
In einigen Stadtregionen konnten sich interkommunale Kooperationen etablieren, um gemeinsam Probleme der Wohnraumversorgung anzugehen. Die Zusammenarbeit ist allerdings nicht in allen Fällen auch erfolgreich. Hohe Transaktionskosten und Interessengegensätze erschweren eine Einigung zwischen Gemeinden auf angespannten Wohnungsmärkten. Verbindliche Vereinbarungen zwischen Gemeinden einer Stadtregion im Hinblick auf die Arbeitsteilung beim Wohnungsbau oder die Abstimmung der Flächen, die zukünftig als Wohnbauland entwickelt werden sollen, werden daher selten geschlossen. Hier können Kooperationsanreize durch die Raumordnung weiterhelfen.
Anreize für die Zusammenarbeit
Beispielsweise werden in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern konkrete Anreize für die interkommunale Zusammenarbeit durch die Landesplanungen gesetzt. Das hat dazu geführt, dass in allen sechs Stadt-Umland-Räumen in Mecklenburg-Vorpommern interkommunale Stadt-Umland-Konzepte vorliegen. Oder Schleswig-Holstein: Dort gibt es deutlich mehr interkommunal erarbeitete Wohnungskonzepte für Stadt-Umlandbereiche als in anderen Ländern.
In der Summe hat die Raumordnungsplanung allerdings nur eingeschränkte Möglichkeiten, um das Haupthemmnis zu geringer Flächenangebote für den Wohnungsbau zu überwinden. So ist das formelle Instrumentarium der Regionalplanung bisher erst in Ansätzen darauf ausgerichtet, wachstumsunwillige Städte und Gemeinden dazu zu bewegen, durch die Ausweisung von mehr Wohnbauland und die verbesserte Mobilisierung von Innenentwicklungspotenzialen zu einem bedarfsgerechten Flächenangebot beizutragen. Offensichtlich ist die Steuerungskapazität bestehender Instrumente der Raumordnung durch Umsetzungsschwächen limitiert.
Appell an die Kommunen
In der Laufzeit des Modellvorhabens der Raumordnung soll bis zum Jahr 2026 aufgezeigt werden, wie gemeinsames Handeln der Kommunen im Rahmen interkommunaler Kooperation in der Wohnungspolitik unterstützt werden kann. Für die Raumordnungsplanung soll aufgezeigt werden, wie sich ihr Instrumentarium weiterentwickeln lässt, um Kommunen effektiver zu einer bedarfsgerechten Entwicklung von Wohnbauland und zur Mobilisierung von Innenentwicklungspotenzialen zu veranlassen.
Die Autoren
Klaus Einig leitet das Referat „Raumordnung, raumbezogene Fachpolitiken“ am Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR). David Pehlke ist dort Wissenschaftlicher Projektleiter.
Klaus Einig, David Pehlke