Stadtbäume im Fokus: Diese grüne Regel macht urbane Räume grüner und klimaresilienter

Es grünt so grün – in urbanen Räumen aus unterschiedlichen Gründen, aber meist zu wenig. Dabei sind Stadtbäume lebensnotwendig. Inwiefern die 3-30-300-Regel bei der kommunalen Stadtentwicklung helfen kann, erläutert Joana Gasper vom Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau.

3-30-300-Regel
Mit dem „Straßenbaumkonzept Leipzig 2030“ ist die Stadt in Sachsen Vorbild beim Thema Klimaresilienz. Das Konzept heißt unter anderem: 1000 neue Bäume pro Jahr. Foto: Adobe Stock/Tupungato

Die Städte und Gemeinden in Deutschland stehen vor immensen Herausforderungen: Der Klimawandel, die damit einhergehenden Hitzewellen und Starkregenereignisse sowie eine immer dichtere Bebauung gefährden die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger. Eine einfache Regel aber kann dabei Orientierung geben, Stadtviertel klimaresilienter sowie lebenswerter zu gestalten: die 3-30-300-Regel.

„Diese Leitlinie für grünere und klimaresiliente Städte ist nicht aus der Luft gegriffen, sondern basiert auf den Erkenntnissen jahrelanger Forschung und Erfahrung. Sie bietet Kommunen eine Grundidee für den Stadtumbau“, erläutert Manfred Hansel, Vizepräsident des Bundesverbandes Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau (BGL).

Die grüne Regel für Klimaresilienz und lebenswerte Städte

Was aber steckt hinter der Regel? Sie setzt drei einprägsame und wirkungsvolle Kennzahlen:

  • Drei Bäume sehen: Jede Person soll von ihrer Wohnung aus mindestens drei große Bäume sehen können.
  • 30 Prozent Kronendachfläche: Mindestens 30 Prozent der Fläche eines Stadtviertels sollen durch Baumkronen beschattet sein.
  • 300 Meter zur nächsten Grünfläche: Jede Wohnung soll höchstens 300 Meter von einer öffentlich zugänglichen Grünanlage entfernt sein.

Viel mehr als Dekoration

„Diese drei Kennzahlen helfen Kommunen, ein klares Zielbild für die Stadtentwicklung zu formulieren – egal ob bei der Planung neuer Wohnquartiere oder bei der nachhaltigen Aufwertung bestehender Viertel“, so Hansel. Denn Stadtgrün ist weit mehr als bloße Dekoration. Es verbessert Klimaresilienz, Gesundheit und soziale Gerechtigkeit:

  • Blick ins Grüne: Studien belegen, dass schon der Blick aus dem Fenster ins Grüne Stress reduziert, das Wohlbefinden steigert und die psychische Gesundheit fördert.
  • Kühlende Baumkronen: Ein hoher Kronendachanteil verbessert das Mikroklima, spendet Schatten, senkt die gefühlte Temperatur um bis zu 15 Grad und schützt so vor Hitzebelastungen.
  • Grünflächen in Reichweite: Mit einem Park in Laufnähe erhalten alle Menschen – unabhängig von Einkommen oder der Wohnlage – Zugang zu kühlen Rückzugsorten.

Appell an die Städte

Hansel warnt: „Wir erleben viel zu oft, dass trotz Klimawandel bei der Neugestaltung von Freiflächen Pflanzen bestenfalls die Rolle von schmückendem Beiwerk eingeräumt wird. Dabei sind entsiegelte und bepflanzte Flächen ein zentraler Faktor gegen Hitzeinseln und Starkregengefahren. Ernüchternde Tatsache ist auch: Zahlreiche Städte schaffen es kaum, ihren Baumbestand zu halten, geschweige denn zu vergrößern.“

Was Bäumen am meisten zusetzt

Die größte Herausforderung für Stadtbäume ist der Klimawandel selbst. Extreme Wetterereignisse wie Dürre, Hitze oder Starkregen beeinträchtigen die Vitalität von Stadtbäumen. Hinzu kommen Faktoren wie Streusalzeintrag im Winter, versiegelte Böden oder mangelnder Wurzelraum durch unterirdische Leitungen.

„Städte sind für Bäume Extremstandorte. Aber durch eine gut durchdachte Planung – von der Wahl eines geeigneten Stadtbaumes über den passenden Standort bis hin zu Schwammstadtkonzepten – sowie durch die fachgerechte Pflanzung und anschließende Pflege können Stadtbäume vital wachsen, ihre Wohlfahrtswirkungen voll entfalten und 60 bis 80 Jahre alt werden“, so Hansel.

Die Umsetzung der 3-30-300-Regel erfordert nicht nur Planung, sondern auch finanzielle und organisatorische Unterstützung. Der BGL engagiert sich mit seiner Initiative „Grün in die Stadt“ seit Jahren für mehr grün-blaue Infrastruktur.

Förderprogramme auf Bundes- und Landesebene wie das „Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz” (ANK) oder die „Anpassung urbaner und ländlicher Räume an den Klimawandel“ sind für Kommunen wichtige Hebel. Bei der Auswahl und Beantragung geeigneter Fördermittel beraten Institutionen wie das Kompetenzzentrum Natürlicher Klimaschutz (KNK), das Zentrum KlimaAnpassung (ZKA) oder die Stiftung Die Grüne Stadt.

Leipzig als Vorbild

Dass konkrete und ambitionierte Ziele zum Erfolg führen können, zeigt das Straßenbaumkonzept der Stadt Leipzig. Das Konzept verfolgt dieselbe Grundidee wie die 3-30-300-Regel. Es ist ein Paradebeispiel dafür, wie kommunale Projekte in Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteuren partizipativ, kommunalpolitisch und abteilungsübergreifend innerhalb der Stadtverwaltung entwickelt und strategisch umgesetzt werden können.

Das im Juni 2019 im Stadtrat beschlossene „Straßenbaumkonzept Leipzig 2030“ hat politisch die Grundlage gelegt, den Baumbestand klimaresilient und langlebig zu entwickeln, zu erhalten und nachhaltig mit 1000 Bäumen jährlich zu erweitern. „Solche Beispiele motivieren und zeigen, dass ein konkretes Zielbild wie die 3-30-300-Regel Orientierung geben und Mut machen kann“, so Hansel.

Die Regel ist Denkanstoß und Leitlinie zugleich, fügt er hinzu. Sie bietet Kommunen einen Ausgangspunkt zur Entwicklung eines kommunalen Stadtbaumkonzepts als Teil einer Klimaanpassungsstrategie. Sie ist eine Einladung an Kommunen, mutig in grüne Infrastruktur zu investieren. „Denn Stadtgrün ist kein Luxus, sondern eine Grundvoraussetzung für lebenswerte und zukunftsfähige Städte.“

Joana Gasper


Die Autorin

Joana Gasper ist Referentin für Landschaftsgärtnerische Fachgebiete beim Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V.


Zum Weiterlesen

Die Stiftung „Die Grüne Stadt“ listet Fördermöglichkeiten auf.

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