Offshore-Windenergie sorgt für grünen Strom, ist aber selbst bei starkem Wind kein Selbstläufer: BWO-Geschäftsführer Stefan Thimm verdeutlicht, was sie über die Stromerzeugung hinaus kann – und was sie aus Verbandssicht braucht, damit die Rotoren sich auch in Zukunft zuverlässig drehen.

Rund 90 Kilometer nordwestlich der Insel Borkum drehen sich die ersten Rotoren des Offshore-Windparks He Dreiht. Mit einem Durchmesser von 236 Metern überstreicht ein Rotor bei jeder Umdrehung eine Fläche von 43.742 Quadratmetern, das entspricht etwa sechs Fußballfeldern. Ab 2026 versorgen die Offshore-Windkraftanlagen rechnerisch 1,1 Millionen deutsche Haushalte mit grünem Strom.
He Dreiht steht exemplarisch für eine Branche, die ein Pfeiler der deutschen Energieversorgung geworden ist. Schon heute produzieren 1639 Anlagen rund 26 Milliarden Kilowattstunden Strom pro Jahr. So deckt die Windenergie auf See den Stromverbrauch von neun Millionen Haushalten und liefert rund sechs Prozent zum deutschen Strommix. Tendenz steigend.
15 Jahre nach Inbetriebnahme des ersten deutschen Offshore-Windparks arbeiten heute über 25.500 Menschen direkt in der Branche: im Maschinenbau, in der Elektrotechnik oder der Stahlproduktion – nicht nur an der Küste.
Offshore-Windenergie: Was der Wind auf hoher See leisten kann
Die Offshore-Windenergie ist nicht nur ein technologischer, sondern auch ein wirtschaftlicher Erfolg: Allein in den vergangenen zwei Jahren haben Unternehmen über 16,8 Milliarden Euro in erfolgreiche Ausschreibungen investiert. Rund 90 Prozent dieser Auktionserlässe fließen in die Absenkung der Netzentgelte – ein Beitrag zur Entlastung von Haushalten und Industrie in ganz Deutschland. Der verbleibende Anteil wird für Meeresnaturschutzmaßnahmen und eine umweltverträgliche Fischerei verwendet.
Offshore-Wind ist damit ein echtes Multitalent: Er liefert planbar große Mengen Strom, senkt die Stromkosten, stärkt den Umwelt- und Meeresschutz und sichert industrielle Arbeitsplätze.
Doch dieser Erfolg ist kein Selbstläufer. Wer heute Offshore-Windparks plant, trifft Entscheidungen mit einem Horizont von einigen Jahren. Investitionen in Milliardenhöhe in Turbinenfertigung, Logistik und Netzinfrastruktur brauchen vor allem eines: verlässliche politische Rahmenbedingungen. Nur wenn die Bundesregierung an ihren Ausbauzielen festhält, kann Vertrauen entstehen – und damit Planungs- sowie Investitionssicherheit für die Wertschöpfungskette.
Was Offshore-Wind braucht
Dazu gehört die Einhaltung der Ausschreibungsmengen für die Windenergie auf See bis 2030. Für die Zeit danach braucht es verlässliche und langfristige Signale. Das Ausbauziel von mindestens 40 Gigawatt bis 2035 muss fest verankert bleiben.
Langfristig bietet es sich an, das Ziel von mindestens 70 Gigawatt bis 2045 gemeinsam mit unseren Nachbarländern umzusetzen. Flächeneffiziente Offshore-Windparks etwa in Dänemark könnten zukünftig auf das nationale Ausbauziel angerechnet werden, wenn sie unmittelbar an das deutsche Netz angeschlossen sind.
Wenn das gelingt, kann die Bebauungsdichte für Flächen in der deutschen Nord- und Ostsee reduziert werden. Die neue Bundesregierung sollte hier mit Dänemark kooperieren. Eine grenzübergreifende Planung kann Abschattungseffekte reduzieren und den Stromertrag verbessern.
Nur wenn dieser Kurs der Planungssicherheit und Stabilität konsequent beibehalten wird, sind Unternehmen in Europa auch künftig bereit, im internationalen Wettbewerb Milliarden in Produktionskapazitäten, Logistik und Infrastruktur zu investieren. Ein wiederkehrendes Infragestellen dieser Ausbauziele im Takt der Legislaturen gefährdet Investitionen und das Vertrauen in den Standort Deutschland.
Ein zweiter, zentraler Baustein für den Erfolg ist der Ausbau der Hafeninfrastruktur. Offshore-Windparks entstehen nicht nur auf dem Meer, sondern auch in den Werften, auf Montageplätzen und in Schwerlastterminals deutscher Seehäfen. Fundamente oder Maschinenhäuser mit mehreren Hundert Tonnen Gewicht – das alles muss präzise geplant, bewegt und installiert werden.
Ausbau der Hafeninfrastruktur
Deshalb braucht Deutschland ein Investitionsprogramm für „Häfen für die Energiewende“. Die Offshore-Windauktionserlöse können hier ein Teil der Finanzierung sein. Denn ohne leistungsfähige Häfen wird der Ausbau der Offshore-Windenergie ebenso ins Stocken geraten wie der Aufbau einer maritimen Sicherheitsinfrastruktur. Beides gehört zusammen.
Deutschland gehört zu den technologischen Spitzenreitern im weltweiten Offshore-Windmarkt. Diese Führungsrolle zu halten, ist keine Selbstverständlichkeit. Sie ist aber entscheidend, um Wertschöpfung im Land zu sichern, industrielle Arbeitsplätze zu erhalten und eine resiliente Energieversorgung aufzubauen – von der Küste Schleswig-Holsteins über das Saarland bis nach Baden-Württemberg.
Rückenwind für die Wirtschaft
Planungsbüros, Stahl- und Metallbauer, Zulieferer, Wartungsunternehmen – die Offshore-Windbranche ist tief in Deutschland verwurzelt. Jeder weitere Windpark bedeutet Aufträge für Betriebe vor Ort. Wenn wir jetzt Kurs halten, schaffen wir eine Energieversorgung, die verlässlich, sauber und resilient ist – und Arbeitsplätze in der ganzen Republik schafft.
Stefan Timm