Kommunale Möglichkeiten zur Förderung der Biodiversität

Mit dem Klimawandel und dem Rückgang der Biodiversität wird Grünpflege deutlich herausfordernder. Wie gehen Kommunen damit um? Zum Beispiel Augsburg: Dort setzt man bereits seit langem auf den Schutz und die Förderung der Biodiversität.

Förderung der Biodiversität
Die Augsburger Erfahrung zeigt: Je länger man, wie hier im Sheridan Park, biodiversitätsfördernd aktiv ist, desto einfacher wird die Kommunikation mit den Bürgern, und desto vielfältiger werden die Flächen. Foto: Stadt Augsburg/Kopp

Die Stadt Augsburg hat sich bereits in den 1980er Jahren mit den Themen Artenvielfalt und extensive Grünflächenpflege befasst. Die Entwicklung der Flächen wurde damals wissenschaftlich begleitet – und in den Folgejahren wurde die Grünflächenpflege deutlich extensiver als in zahlreichen anderen Kommunen betrieben. Aber auch in Augsburg hat sich dieses Engagement in den letzten Jahren nochmals verändert.

Dies war vor dem Volksbegehren „Artenvielfalt & Naturschönheit in Bayern“ im Jahr 2019 auch auf Initiativen des Ehrenamts zurückzuführen. Im Zuge des Volksbegehrens, das viele Augsburgerinnen und Augsburger unterzeichnet haben, nahm die Förderung der Biodiversität weiter Fahrt auf. Es erleichterte die Kommunikation von Maßnahmen, die mit dem Ordnungssinn mancher nicht vereinbar sind, zum Beispiel die weitere Reduzierung der Pflege im Straßenbegleitgrün von drei- auf teilweise zweischürige Mahd oder Biotopbausteine wie Totholz und Sandhaufen.

Förderung der Biodiversität stößt auch an Grenzen

Das Mähen von Straßenbegleitgrün wird vom Amt für Grünordnung, Naturschutz und Friedhofswesen überwiegend vergeben. Leider können nicht alle Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität umgesetzt werden. Notwendige Schnitte zur Erhaltung der Verkehrssicherheit oder das Budget können hier einschränken.

Biotope werden seit 1995 durch den Landschaftspflegeverband der Stadt Augsburg ausschließlich nach naturschutzfachlichen Kriterien durch Mahd oder Beweidung (seit 1999) gepflegt. Es wird eine gute Mischung zwischen den beiden Pflegeformen angestrebt, da durch Mahd andere Arten gefördert werden als durch Beweidung. Bei der Beweidung selektieren die Tierarten ebenfalls unterschiedlich. Beweidung fördert bitter schmeckende Arten wie Enziane oder bedornte wie Wacholder und Hauhechel, auch Zwergsträucher wie das Heideröschen entwickeln sich besser.

In Grünanlagen werden Baumscheiben und Säume seit Jahren von der „normalen“ Pflege ausgenommen. Möglichst ein Drittel davon bleibt über den Winter stehen und wird im Frühjahr entfernt.

Förderung der Biodiversität durch insektenschonende Mahd

Besonders bewährt haben sich die sogenannten Akzeptanzstreifen entlang extensiv gemähter Flächen. Wo immer möglich – abhängig vom Maschinenpark und den örtlichen Gegebenheiten wie Böschungsneigungen – werden die Empfehlungen zur insektenschonenden Mahd beachtet. Wenn der Maschinenpark das nicht hergibt, wird insbesondere auf eine Schnitthöhe von mehr als zehn Zentimetern geachtet.

Häufige Wechsel des Pflegeregimes werden vermieden, damit sich nicht nur Generalisten ansiedeln. Ein Beispiel ist die Frühlingsseidenbiene, die in einigen Grünanlagen vorkommt. Sie benötigt kurzrasige, lückige Standorte, also intensive Mahd. Zur Flugzeit wird die Fläche abgesperrt. Vor einigen Jahren wurde das Abschleppen von Maulwurfshügeln auf einer dieser Flächen als Walzen (fehl-)interpretiert, und es wurde gefordert, sofort mit der Mahd aufzuhören. Die Frühlingsseidenbienen haben sich aber unter dem jahrelang praktizierten Pflegeregime angesiedelt. Deshalb ist davon auszugehen, dass es in ihren Lebenszyklus passt und es kontraproduktiv wäre, es kurzfristig zu ändern.

Die Baumkontrolle wird durch eigenes Personal durchgeführt. Es begleitet die Bäume meist über einen langen Zeitraum und kennt dadurch die Vorgeschichte des jeweiligen Baumstandorts – etwa Aufgrabungen in der Nähe oder Unfälle – deutlich besser als wechselnde Auftragnehmer. Die Baumpflege erfolgt teilweise mit Eigenpersonal, teilweise wird sie vergeben.

Förderung der Biodiversität
Manche Bürgerinnen und Bürger müssen sich an den „unordentlichen“ Anblick erst gewöhnen. Dennoch: Totholz ist ein wichtiger Biotopbaustein. Foto: Stadt Augsburg/Kopp

SMartes Stadtgrün für ein klimaresilientes Augsburg

Durch den Klimawandel wird es schwieriger, Jungbäumen vor allem in der Stadt und dem Straßenbegleitgrün einen „guten Start in ein möglichst langes Leben“ zu bieten. Das hat die Stadt dazu veranlasst, eine Förderung im Bundesprogramm „Anpassung urbaner und ländlicher Räume an den Klimawandel“ zu beantragen: für das Projekt „SMartes Stadtgrün (SMS) für ein klimaresilientes Augsburg“ (SMSA-Projekt).

Hiermit soll unter anderem ein bedarfsorientiertes, smartes Gießmanagement – unterstützt durch Bodensensorik – etabliert werden. Um Schäden zu vermindern, sollen Bäume nicht mehr nur drei, sondern fünf bis sieben Jahre, möglicherweise sogar zehn Jahre bewässert werden.

Zudem werden in Augsburg weitere Wasserarten erschlossen, die für das Gießen von Bäumen geeignet sind. Es wird selbst erprobt, und auch die Erfahrungen anderer Kommunen werden aufmerksam beobachtet. Dabei handelt es sich zum Beispiel  um Grauwasser aus der Kläranlage – wobei Krankheitserreger, Medikamente und andere Rückstände ein Problem sein könnten. Wasser aus Schwimmbädern wurde bereits erprobt. Hier erfordern Chemikalienrückstände Geduld – sie bauen sich nach einer Wartezeit ab.

Eine Herausforderung für alle Kommunen sind diejenigen Bürgerinnen und Bürger, für die ein ordentlich gemähter Rasen sehr wichtig ist, die sich beschweren oder auch das Stück Grün vor ihrem Haus selbst mähen: weil die Stadt hier ihrer Meinung nach nicht richtig arbeitet. Die Erfahrung zeigt: Wenn ein Gespräch nicht möglich ist – wobei es hier natürlich nicht um Beschwerden wegen Einschränkungen der Sicht im Straßenverkehr geht – muss man das hinnehmen.

Bürger an biodiversitätsfördernde Pflege gewöhnen

Eine weitere wichtige Erfahrung: Je ausdauernder man die Pflege biodiversitätsfördernd betreibt, umso mehr gewöhnen sich die Bürgerinnen und Bürger daran. Je länger man am Ball bleibt, desto einfacher wird es und desto blütenreicher und vielfältiger werden die Flächen.

Besonders wichtig ist die Kommunikation. Neben der Stadt hat sich der Landschaftspflegeverband der Stadt Augsburg als Träger der Umweltstation Augsburg der Kommunikation der Bedeutung von Biodiversität auch in Grünanlagen verschrieben. Wenn Vereine vor Ort ehrenamtlich Daten zu Arten erheben, sollte man die Zusammenarbeit suchen. Denn diese lokalen Daten sind besonders wertvoll.  


Was sich in Augsburg bewährt hat

Bei der Grünpflege legt Augsburg besonderen Wert auf:

  • Regelmäßige Schulung und Beratung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
  • Hohe fachliche Qualität in der Baumkontrolle und -pflege.
  • Umsetzung innovativer Maßnahmen.
  • Verbesserung des Maschinenparks (was aufgrund der angespannten Haushaltslage derzeit allerdings
  • stark erschwert ist).
  • Aushagerung von Grünflächen durch Mahd statt Mulchen – das vermindert den Pflege- und Entsorgungs-aufwand über die Jahre.
  • Anpassung der Grünanlagen an den Klimawandel, zum Beispiel durch die Auswahl der Pflanzenarten oder das Schwammstadtprinzip.
  • Das Einsetzen heimischer Arten bei Neuanlagen.
  • Schaffung natürlicher Lebensräume statt „Insektenhotels“.
  • Berücksichtigung der Biodiversität, zum Beispiel durch das Belassen von Laub in den Grünanlagen (es wird in Gehölze und Hecken geblasen). Wege werden möglichst entfernt, um Rückzugsräume für Kleintiere wie Igel zu schaffen.
  • Verzicht auf Pflanzenschutzmittel.
  • Fundierte Beantwortung von Bürgeranfragen.
  • Gute Zusammenarbeit mit der Universität.


Die Autorin

Birgitt Kopp ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Amt für Grünordnung, Naturschutz und Friedhofswesen in Augsburg.


Birgitt Kopp

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