Die Stadtwerke Nienburg/Weser nutzen grünen Wasserstoff, um Busse emissionsfrei zu betreiben. Wie läuft das – und was können sich andere von diesem Modellprojekt abschauen? Geschäftsführer Thomas Breer schlüsselt es auf.

Die Stadtwerke im niedersächsischen Nienburg zeigen, wie die Energiewende vor Ort realisiert und konkret umgesetzt werden kann: Busse des öffentlichen Nahverkehrs fahren künftig emissionsfrei mit selbst produziertem grünem Wasserstoff. Das ambitionierte Projekt verknüpft die Erzeugung, Speicherung und Nutzung von Wasserstoff an einem einzigen Standort – ein Modell mit Vorbildcharakter für andere Kommunen.
Warum Wasserstoff? Den Anstoß für das Pilotprojekt gaben die Stadtwerke Nienburg/Weser selbst. Bereits vor mehreren Jahren wurde intern die strategische Entscheidung getroffen, die Mobilität der Stadt aktiv klimafreundlich mitzugestalten. Zielsetzung: die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen reduzieren und gleichzeitig regional erzeugte erneuerbare Energien effizient nutzen.
Wasserstoff wurde dabei frühzeitig als Schlüsselelement identifiziert – insbesondere, da er im Vergleich zu batterie-elektrischen Lösungen größere Reichweiten und kürzere Betankungszeiten ermöglicht, was gerade im Linienverkehr ein entscheidender Vorteil ist.
Grüner Wasserstoff für den Nienburger Nahverkehr
Am Südring im Nienburger Gewerbegebiet entstand ein hochmodernes Areal, das alle Komponenten der Wasserstoffwirtschaft miteinander verknüpft. Eine 2,1-Megawatt-Photovoltaik-Freiflächenanlage produziert jährlich rund zwei Millionen Kilowattstunden Strom. Diese grüne Energie wird unmittelbar in zwei modular aufgebauten Elektrolyseuren in Wasserstoff umgewandelt. Die Elektrolyseeinheiten – insgesamt 120 Module – können flexibel je nach Bedarf zu- oder abgeschaltet werden und ermöglichen so eine 24/7-Produktion.
Der auf diese Weise erzeugte grüne Wasserstoff wird in stationären Speichern gesammelt und an einer angeschlossenen Wasserstofftankstelle direkt vor Ort in die Fahrzeuge abgegeben. Die Betankung erfolgt aktuell mit einem Druck von 350 bar – ausreichend für Busse und Lkw. Eine Erweiterung auf 700 bar, zum Beispiel für Pkw, ist zu einem späteren Zeitpunkt möglich.
Die Wasserstoffproduktion in Nienburg erfolgt vollständig lokal und nachhaltig. Die beiden eingesetzten Elektrolyseure können zusammen täglich bis zu 140 kg Wasserstoff erzeugen. Mit diesem Volumen lassen sich in der ersten Ausbaustufe zwei Stadtbusse betreiben.
Schnell geladen für 500 Kilometer
Pro Betankung benötigen die Fahrzeuge etwa 15 Minuten und erreichen damit Reichweiten von bis zu 500 Kilometern – ein Wert, der die Anforderungen im täglichen Linienbetrieb des ÖPNV vollständig abdeckt.
Perspektivisch sollen weitere Fahrzeuge, etwa von Speditionen oder kommunalen Betrieben, mitversorgt werden. Durch die hohe Flexibilität der Anlage ist eine bedarfsorientierte Skalierung jederzeit möglich.
Die Investitionskosten für die Wasserstoffanlage inklusive Elektrolyseure, H22-Speicher, Tankstelle und PV-Freifläche belaufen sich auf einen mittleren einstelligen Millionenbetrag. Zur Finanzierung wurden auch Fördermittel aus Landesprogrammen für nachhaltige Mobilität und Sektorenkopplung genutzt.
Es läuft bestens mit dem Wasserstoff
Die vollständige Inbetriebnahme ist Mitte 2025 anvisiert. In der aktuell stattfindenden Inbetriebnahmephase sind die Erfahrungen durchweg positiv. Die technische Integration der Systeme verläuft planmäßig. Erste Tests bestätigten die hohe Effizienz der Anlage. Die Kopplung von Erzeugung, Speicherung und Nutzung am selben Ort minimiert Transportverluste und -kosten – ein Vorteil, den zentrale Großanlagen nicht bieten können.
Neben der Nutzung im Verkehr kann überschüssiger Wasserstoff auch in die Wärmeversorgung eines angrenzenden Wohngebiets fließen – ein weiterer Schritt zur Kopplung der Energiesektoren.
Stadtwerke als Entwickler
Allein durch den Einsatz der beiden ersten Wasserstoffbusse werden jährlich rund 266 Tonnen CO2 im Nienburger Stadtverkehr eingespart. Gleichzeitig sinken die Betriebskosten, da der Treibstoff vor Ort und zugleich unabhängig vom Weltmarktpreis produziert wird. Langfristig versprechen sich die Stadtwerke erhebliche Vorteile durch die Einsparung von CO2-Steuern, Einspeisevergütungen und die mögliche Einspeisung in andere Netze.
Geplant ist eine zweite Ausbaustufe mit 700-bar-Technologie, die Errichtung eines Batteriespeichers sowie die Integration weiterer Busse und Nutzfahrzeuge. Ebenso denkbar sind der Ausbau der Wärmenutzung und eine engere Kooperation mit anderen kommunalen Einrichtungen oder Gewerbebetrieben. Die Stadtwerke Nienburg/Weser sehen sich nicht nur als Betreiber, sondern auch als Entwickler und Vorreiter eines zukunftsfähigen Infrastrukturmodells.
Mit dem Projekt am Südring zeigen die Stadtwerke Nienburg/Weser eindrucksvoll, wie nachhaltige Mobilität, lokale Energiewende und regionale Wertschöpfung sinnvoll miteinander verknüpft werden können. Die Zukunft fährt auch mit Wasserstoff – und dieser kommt idealerweise direkt aus der Nachbarschaft.
Tipps für Stadtwerke
Für Stadtwerke anderer Kommunen, die ebenfalls über den Einsatz von Wasserstoff nachdenken, haben die Stadtwerke Nienburg/Weser folgende Tipps:
- Frühzeitig politische, fördertechnische und genehmigungsrechtliche Rahmenbedingungen prüfen.
- Auf modulare Systeme setzen, um flexibel auf geänderten Bedarf reagieren zu können.
- Erneuerbare Energiequellen vor Ort konsequent integrieren.
- Stakeholder und Öffentlichkeit von Anfang an einbeziehen.
Thomas Breer