
Auch in kleinen Kommunen entstehen Klimaschutz-Leuchtturmprojekte – das stellt die Energiestadt Lichtenau unter Beweis: mit ihrem ausgezeichneten Projekt Klima-Campus und der Sanierung der Realschule Lichtenau. Von der NRW-Klimaschutzministerin und der Bürgermeisterin gibt es ausgezeichnete Noten.

Die Energiestadt Lichtenau – südöstlich von Paderborn – macht als Windenergiehauptstadt Nordrhein-
Westfalens von sich reden. Insgesamt produzieren 166 Windenergieanlagen und knapp 1400 Solaranlagen ein Vielfaches des Strombedarfs der 11.000 Einwohner. Im Durchschnitt produzieren die Anlagen mindestens zehnmal mehr Strom, als Lichtenaus Bürgerinnen und Bürger verbrauchen.
Einen weiteren großen Schritt Richtung klimaneutrale Zukunft geht Lichtenau bei der Energieeffizienz an Gebäuden. So ist die energetische Sanierung der städtischen Realschule zentraler Bestandteil des neu gebauten Klima-Campus und erzeugt in mehrfacher Hinsicht Strahlkraft.
Mit der Schulsanierung ist ein echter Leuchtturm entstanden. Dafür gab es von NRW-Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubauer bei der Eröffnungsfeier im August 2023 viel Anerkennung: „Der Klima-Campus Lichtenau zeigt, wie die klimaneutrale Schule der Zukunft aussieht. Hier werden Klima-schutz, Klimafolgenanpassung und Klimabildung zusammengebracht.“
Ausgezeichnetes Projekt
Das Projekt Klima-Campus erhielt 2024 zum einen den von der Landesorganisation NRW.Energy4Climate ausgelobten Preis für eines der „besten Nichtwohngebäude in NRW“. Zum anderen wurde die Stadt Ende des Jahres beim Bundeswettbewerb als „Klimaaktive Kommune 2024“ ausgezeichnet. Der mit 40.000 Euro dotierte Preis wurde in Berlin im Rahmen der Klimakonferenz verliehen.
Den Ausschlag für den Klima-Campus gab 2018 ein Wettbewerb des nordrheinwestfälischen Wirtschaftsministeriums, der sich an Städte, Gemeinden und Kreise in NRW richtete. Gefördert werden sollten Projekte, die mittels einer ganzheitlichen Strategie treibhausmindernde Lösungen anboten. Die Energiestadt Lichtenau ging mit dem Konzept „Klima-Campus“ an den Start und überzeugte damit die Jury des Wettbewerbs „KommunalerKlimaschutz. NRW“.
Das Ergebnis des Projekts – nach dreijähriger Bauzeit zwischen 2020 und 2023 – geht dabei weit über die Erfordernisse einer herkömmlichen energetischen Sanierung hinaus. Unter anderem werden jährlich insgesamt 250 Tonnen CO²² eingespart.
Die Kosten für den Klima-Campus belaufen sich auf insgesamt 23 Millionen Euro. Davon erhielt Lichtenau 8,3 Millionen Euro aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Hinzu kamen diverse Förderdarlehen und Kredite der NRW.BANK – insgesamt waren dies Gelder in Höhe von rund 13,3 Millionen Euro.
Zusammenschluss aller Beteiligten
Für Lichtenaus Bürgermeisterin Ute Dülfer sind die „erneuerbaren Energien und die Energieeffizienz an Gebäuden zwei Seiten einer Medaille in der Strategie der Energiestadt“. Besonders beeindruckt sie der Schulterschluss der regionalen Politik und der Verwaltung mit der Einbindung derer, um die es in erster Linie geht: Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrerinnen und Lehrer.
Mit der Sanierung wurde der Bildungsstandort Lichtenau auf Jahrzehnte nachhaltig und zukunftsfähig gesichert. Das bestätigt auch Schulleiterin Andrea Stollberg. Für sie war es bereits in der Planungsphase wichtig, dass sich eine kommunale Planungsgruppe zusammen mit einem externen Planungscoach aufmachte, um Vergleichsobjekte zu besuchen und sich mit den Verantwortlichen vor Ort über bestehende Erfahrungen auszutauschen.
Mit sehr guten Ergebnissen: Die Strom- und Wärmeversorgung des Klima-Campus wird vollständig über regenerative Energien abgedeckt. Auf dem Sporthallendach befindet sich eine 80 kWp-Photovoltaikanlage. Windkraft liefert der nahegelegene Windpark, und ein Eisspeicher wird zum Heizen und Kühlen benutzt.
Der Eispeicher ist der ungekrönte Star der zahlreichen technischen Innovationen: Hier wird ein unterirdisch eingelassener, 14 Meter breiter und viereinhalb Meter tiefer, unterirdischer Tank mit mehr Wasser befüllt, als sich im benachbarten Freibad befindet. Im Winter wird dem Wasser mittels einer Wärmepumpe Wärme entzogen. Im Laufe des Winters gefriert das Wasser zu Eis, wobei die entstehende Kristallisationsenergie zusätzlich zur Wärmeversorgung genutzt wird. Im Sommer schmilzt das Eis und wird zur Kühlung der Räume eingesetzt.
Ergänzt wurden die technischen Parameter durch pädagogische Konzepte von Schulexpertinnen und -experten. Gleichzeitig wurde den Räumen in den Schulgebäuden vermehrt die Qualität eines „zusätzlichen Pädagogen“ zugewiesen. Das gilt für Klassen- und Differenzierungsräume mit flexibler Raumnutzung und Möblierung ebenso wie für das „grüne Klassenzimmer“ im Außenbereich der Realschule.
Neues Lernformat zur Nachhaltigkeit
Hinzu kommt ein pädagogisch-didaktisches Alleinstellungsmerkmal am Klima-Campus der Realschule Lichtenau. Zentraler Begriff ist hierbei die Nachhaltigkeit. Als „neues Schulfach“ wurde ein Lernformat für Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) eingeführt – der sogenannte Frei Day: Am Freitagmorgen bekommen die Schülerinnen und Schüler Zeit, um eigene, nachhaltige Projektideen zu entwickeln. Das Spektrum reicht von der Entwicklung solarbetriebener Bobby Cars und das Anlegen widerstandsfähiger Bäume über die Pflege der nahe gelegenen Moore bis hin zur Vernetzung mit Umweltschutzgruppen anderer Schulen, beispielsweise um Schülerklimakonferenzen abzuhalten.
Während der Planungs- und Projektbauzeit für die Sanierung der Realschule Lichtenau hat die kleine Energiestadt Lichtenau auf Championsleague-Niveau gespielt. Gelungen ist das mit guter Planung, Expertenwissen und einer großen Portion Leidenschaft.
Der Autor
Günter Voß ist Klimaschutzmanager der Energiestadt Lichtenau. Er war auch Mitglied des Projektplanungsteams Klima-Campus.
Günter Voß