Wie zahlreiche andere Brücken auch muss die Mühlendammbrücke in Berlin erneuert werden. Dort setzt man aber spezielle Akzente, sagt Ingenieurin Julia Karasinska Sochacki: Wie gebaut und modernisiert werden soll und was das Besondere ist, erklärt sie aus Sicht des Planungsbüros.

Als zentrale Verbindung über die Spree und eine wichtige Verkehrsachse zwischen den Quartieren Molkenmarkt und Fischerinsel in der Innenstadt zählt die Mühlendammbrücke zu den bedeutendsten Brücken der Hauptstadt. Die Baukonstruktion aus dem Jahr 1968 ist jedoch in die Jahre gekommen, das Ende der Lebensdauer erreicht. Schon heute sind Fahrstreifen eingeengt, Busspuren zur Mitte verlegt, das Parken auf dem Mittelstreifen ist verboten, und Schwertransporte sind nur noch im Ausnahmefall erlaubt.
Diese Mängel rückten die Frage des Neubaus in den Vordergrund. Der herkömmliche Abriss wurde jedoch bewusst ausgeschlossen und durch einen Rückbau ersetzt. Anders als bei einem Komplettabriss, bei dem das Bauwerk gesprengt oder vollständig zertrümmert wird, wird die Überquerung in mehreren Phasen schrittweise abgetragen.
„Eine Brücke für die Menschen“
Die Maßnahme ist im Dezember 2024 gestartet. Der Verkehr kann dann auf jeweils einer Spur pro Richtung weiterfließen. So sollen die Auswirkungen auf die umliegenden Stadtteile gemildert werden. Denn sowohl das Fischerinsel- als auch das Nikolaiviertel müssen während der Bauzeit als lebenswerte Quartiere erhalten bleiben.
Der Entwurf von Arup und dem Architekturbüro COBE sieht vor, die Brücke in eine zukunftsfähige Struktur zu verwandeln, die den Mobilitätsanforderungen des 21. Jahrhunderts entspricht. Der Plan – „Von einer Brücke für die Autos zu einer Brücke für die Menschen“ – wurde 2021 zum Siegerentwurf gekürt und punktet mit hohen Ansprüchen, die der Mobilitätswende mehr als gerecht werden.
Materialsparendes Konzept für die Mühlendammbrücke
Mit einem konkaven Schwung wird die neue Brücke die Spree überspannen. Ihre markanten V-förmigen Stützen verleihen ihr eine unverwechselbare Ästhetik, die sich in die urbane Umgebung einfügt. Neben architektonischer Qualität überzeugt der Entwurf durch ein modernes, materialsparendes Konzept, das den wichtigsten Nachhaltigkeitsanforderungen in puncto ESG gerecht wird.
Im Zentrum der Planung steht die reduzierte Nutzung für den Kfz-Verkehr: In mehreren Projektphasen werden die vorhandenen Fahrspuren reduziert. Mit der Inbetriebnahme der Straßenbahn sollen statt bisher drei zukünftig nur zwei Fahrspuren pro Richtung für die rund 63.000 Fahrzeuge pro Tag vorgesehen werden. Anders als bei der gegenwärtigen Bestandssituation werden ÖPNV, Rad- und Fußgängerverkehr mehr Raum geboten.
Statt konventionell abgerissen oder aufwendig gesprengt zu werden, wird die Brücke Teil für Teil abgetragen. Begonnen wird mit dem östlichen Teilbauwerk in Richtung Alexanderplatz – das ermöglicht eine sichere und präzise Demontage. Die Vorteile dieser Rückbauweise: Der CO2– Ausstoß eines kompletten Abrisses wird vermieden. Zudem können Materialien und Ressourcen besser recycelt und wiederverwendet werden.
Die Mühlendammbrücke in Berlin
Bestandsbauwerk: Dreifeld-Spannbetonbrücke in zwei getrennten Überbauten.
Eröffnung: 1968
Gesamtlänge: 116 Meter
Gesamtbreite: 45,20 Meter
Konstruktion Neubau: Dreifeld-Stahlverbundkonstruktion mit zwei getrennten Überbauten.
Baubeginn: Dezember 2024
Gesamtlänge: 116 Meter
Gesamtbreite: 38,40 Meter
Die Entscheidung für den Rückbau geht Hand in Hand mit der geplanten Neugestaltung, die langfristig zu einer deutlichen Entlastung der Verkehrsflächen und einer ökologischeren Nutzung führt. Mit einer Fertigstellung bis 2029 steht das Bauprojekt im Rahmen der zeitlichen Machbarkeit.
Die tiefergelegten Gehbahnen des geplanten Neubaus ermöglichen es Fußgängern, sich ungestört vom Verkehr fortzubewegen. Diese klare Abgrenzung der Verkehrsarten erhöht die Sicherheit und unterstützt den Anspruch, einen urbanen Raum für alle zu schaffen.
Verbindung der Mühlendammbrücke zu Stadt und Fluss
Der Entwurf legt besonderen Wert auf die Integration der Brücke in das städtische Umfeld. Durchgehende Pflanztröge und Sitzbänke entlang der Fußwege sorgen für Begrünung und schaffen eine einladende Atmosphäre.
An beiden Enden der Brücke entstehen außerdem Zugänge zu den Ufern der Spree – sie betonen die Verbindung der Brücke zur Stadt und zum Fluss. Der Blick auf das Wasser und die Möglichkeit, die städtische Umgebung zu überblicken, machen die Mühlendammbrücke so zu einem Erlebnisraum, der dem Alltag eine neue Qualität verleiht.
Die Autorin
Julia Karasinska Sochacki ist Co-Leiterin Brückenplanung beim Planungsbüro Arup.
Julia Karasinska Sochacki