Immer mehr Menschen steigen aufs Rad, noch aber hakt es an der Infrastruktur: So lautet die aktuelle Bilanz des Interessensverbands ZIV. Der Appell an die Kommunen: möglichst zügig für gute Bedingungen für den Radverkehr sorgen und sich dabei von Best-Practice-Beispielen für die Mobilitätswende anregen lassen.

dieser Art der Mobilität in urbanen Räumen stärker herauszustellen. Foto: Adobe Stock/Christian Müller
Radverkehr spielt Schlüsselrolle bei der Mobilitätswende
Der Radverkehr spielt eine Schlüsselrolle für die Mobilitätswende, viele Wege unter
15 Kilometern sind – auch durch die zunehmende Verbreitung von Pedelecs – mit dem Fahrrad sehr gut zu meistern. Unsere Branche hält mit 2,3 Millionen produzierten Fahrrädern und E-Bikes im Jahr 2023 das Allzeithoch dieser Industrie. Damit leistet die Fahrradbranche einen entscheidenden Beitrag zur Mobilitätswende, schafft gleichzeitig Wertschöpfung in Deutschland und generiert zukunftsfähige Jobs.
Der Markt für Fahrräder boomt seit Jahren. Doch die Infrastruktur hinkt an vielen Orten der Nachfrage hinterher. Viele deutsche Städte sind für den motorisierten Individualverkehr geplant. Der Ausbau des Radverkehrs bleibt in vielen Fällen hinter den gesellschaftlichen Erwartungen und den Zielen des Nationalen Radverkehrsplans 2030 zurück.
Zwar gibt es an etlichen Orten Fortschritte, aber sicherer Radverkehr ist in vielen Regionen noch nicht durchgängig möglich. Besonders an Kreuzungen oder Einmündungen ist das Radfahren oft gefährlich.
Trotz zunehmender Beliebtheit des Radverkehrs gibt es immer noch Widerstände. Häufig befürchten Menschen, dass der Ausbau von Radwegen zu Lasten des Autoverkehrs geht. Diesen Sorgen sollte auch kommunikativ begegnet werden. Die Umstellung auf mehr Radverkehr bringt viele Vorteile für alle Verkehrsteilnehmenden: weniger Staus, eine bessere Luftqualität und weniger Lärm, aber auch eine nachweislich gesündere Bevölkerung.
Der Nationale Radverkehrsplan 3.0 hat das Ziel ausgerufen, Deutschland bis zum Jahr 2030 zum Fahrradland zu machen. Um dies zu erreichen, kommt den Kommunen eine zentrale Rolle zu. Das Sonderprogramm „Stadt & Land“ hat sich in den letzten Jahren großer Beliebtheit bei Ländern und Kommunen erfreut. Mit den Finanzhilfen des Bundes wurden seit Start des Programmes im Jahr 2021 bereits zahlreiche Maßnahmen zur Radverkehrsförderung bestätigt.
Mehr Spielraum für Kommunen
Mit der Reform des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und der Straßenverkehrsordnung (StVO) bekommen die Kommunen mehr Handlungsspielraum bei der Gestaltung des Verkehrsraumes. Beispielsweise können nun Fahrradstraßen und Fahrradzonen einfacher eingerichtet werden, und Tempo 30 kann über längere Strecken angeordnet werden.
Kommunalen Handlungsbedarf sehen wir bei diesen Stichpunkten:
- Sichere Radwege: Ein durchgehendes, gut ausgebautes Radwegenetz ist entscheidend, um das Fahrrad zu einer attraktiven und sicheren Alternative zum Auto zu machen.
- Lastenräder und E-Bikes sind aus dem urbanen Raum nicht mehr wegzudenken. Die Infrastruktur muss so gestaltet werden, dass sie den Bedürfnissen von Lastenrädern und E-Bikes gerecht wird – etwa durch ausreichend dimensionierte Radwege und spezielle Abstellplätze.
- Städte und ländliche Regionen müssen besser miteinander verknüpft werden. Ein überregionales Radwegenetz ist notwendig, um das Fahrrad als Verkehrsmittel auch im Pendlerverkehr attraktiv zu machen. Ebenso ist die Verknüpfung mit dem ÖPNV entscheidend.
- Insbesondere an Knotenpunkten des ÖPNV sind sichere Abstellanlagen zentral. Durch das „Förderprogramm Fahrradparkhäuser an Bahnhöfen“ hat der Bund den Bau von Fahrradparkhäusern einen wichtigen Schub verliehen, den die Kommunen nutzen können.
- Die Bereitstellung von Bikesharing oder kommunale Kaufprämien können wichtige Instrumente zur Förderung der Fahrradnutzung sein. Mehr Radverkehr heißt: lebenswerte Städte und belebtere Innenstädte.
Mehr Radverkehr heißt lebenswerte Städte und vor allem belebtere Innenstädte. Zahlreiche Studien belegen, dass mehr Radverkehr den Einzelhandel in den Innenstädten belebt. Radfahrende sind die „besseren“ Kunden. Sie kommen öfter und sie lassen in der Summe mehr Geld im lokalen Handel.

Freie Fahrt für Fahrräder
Best Practice-Beispiele gibt es längst, etwa Hamburg: Deutschlands zweitgrößte Stadt hat in den letzten Jahren massiv in die Radinfrastruktur investiert. Mit einem gut ausgebauten Wegenetz und speziellen Fahrradstraßen hat die Stadt den Radverkehr seit dem Jahr 2000 um 120 Prozent gesteigert.
Oder Tübingen: Die Stadt hat sich in den vergangenen Jahren durch entschiedenen politischen Willen und innovative Konzepte rasant zu einer Fahrradstadt entwickelt. Die kürzlich eröffnete Radbrücke West zeigt, dass man in Tübingen groß denkt in Sachen Radverkehr. Zudem zeichnet sich die Radverkehrsplanung durch die Freigabe einer großen Anzahl an Radwegen für Speed-Pedelecs aus, womit auch längere Strecken zügig zurückgelegt werden können.
Ebenfalls im ländlichen Raum, wie im hessischen Frankenberg (Eder), wird der Radverkehr stark gefördert. Durch den Ausbau von Radwegen und die Anbindung an benachbarte Städte wird das Fahrrad als Pendler- und Freizeitverkehrsmittel attraktiver. Dafür gewann die Kommune 2023 den deutschen Fahrradpreis.
Appell an die Kommunen
Die Wende in der kommunalen Mobilität hin zu einem stärkeren Radverkehr ist eine langfristige Aufgabe (mehr dazu im Newsletter rund um das Ecosystem Fahrrad: www.ziv-zweirad.de/newsletter). Die positiven Beispiele aus Münster, Tübingen und Frankenberg zeigen, wie es gelingen kann, den Radverkehr nachhaltig zu fördern. Es liegt an den kommunalen Akteuren, die notwendigen Schritte zu gehen und so die Grundlage für eine zukunftsfähige, nachhaltige Mobilität zu schaffen.
Die Autorin
Anke Schäffner ist Leiterin für Politik- und Interessenvertretung beim Interessensverband ZIV – Die Fahrradindustrie.
Anke Schäffner