Der Deutsche Brückenbaupreis: Die Bedeutung innovativer Baukunst

Zahlreiche Brücken müssen saniert oder neu gebaut werden: Allein aus Sicherheitsgründen ist der Handlungsdruck groß, mahnt der Verband Beratender Ingenieure und verweist auf den Deutschen Brückenbaupreis, der mit der Auszeichnung besonders gelungener Bauwerke Anregungen geben kann.

Am 11. September 2024 stürzte die Carolabrücke in Dresden ein und brachte damit den Zustand zahlreicher weiterer Bauten ins öffentliche Bewusstsein. Foto: Adobe Stock/pureshot

Um einen großen Teil der Brücken in Deutschland steht es nicht gut. Der Einsturz der Carolabrücke in Dresden hat die lang bekannte Tatsache auf dramatische Weise ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Glücklicherweise ist niemand zu Schaden gekommen. Dennoch sitzt der Schock tief, denn gerade in Deutschland hat mit einem solchen Einsturz niemand gerechnet.

Bau und Unterhaltung von Straßen mit den zugehörigen Bauwerken wie Brücken obliegt dem jeweiligen Straßenbaulastträger. Gesetze regeln die Pflicht zur Unterhaltung und Verkehrssicherung. Für die Beantwortung der Frage, wie und in welchen zeitlichen Abständen die Bauwerke des Straßennetzes geprüft werden, hilft die DIN 1076 Ingenieurbauwerke.

Bei der hoheitlichen Aufgabe unterstützen Ingenieurinnen und Ingenieure als Fachleute bei der Erfassung von Schäden im Zuge der Bauwerksprüfungen. Sie ermöglichen, erforderliche Unterhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen frühzeitig zu erkennen und damit wirtschaftlich durchzuführen.

Bleiben solche Hinweise unbeachtet, führt das regelmäßig zur Ausweitung der Schäden und zu sekundären Schadensbildern. Die Folge sind kostenintensive Instandsetzungen, im Extremfall wird ein Ersatzneubau notwendig. Mit dem Prüfergebnis kann der zuständige Straßenbaulastträger, sei es Bund, Land oder Kommune, informiert über Maßnahmen bis hin zur Schließung einer Brücke für den Verkehr entscheiden.

Deutsche Brückenbaupreis
Die Retheklappbrücke im Hamburger Hafen wurde ausgezeichnet, „weil sie eine anspruchsvolle Aufgabe durch eine innovative Konstruktion elegant löst“. Foto: VBI; Grassl_cmyk

Hoher Sanierungsbedarf

Von den rund 40.000 Brücken in Deutschland sind allein 8000 Autobahnbrücken instandsetzungsbedürftig (Stand 2021/22). Mehr als 1000 Bahnbrücken mussten durch Neubauten ersetzt werden. Trotz Investitionshochlauf der Bahn wird diese Zahl in diesem Jahr nur wenig kleiner geworden sein.

Auch an den Brücken in Städten und Gemeinden nagt der Zahn der Zeit. Die Verkehrsbelastung hat stark zugenommen, viele Bauwerke stammen aus den 1950er bis 1970er Jahren und sind für die heutigen Anforderungen nicht mehr ausgelegt oder leiden bereits an Materialermüdung. Umso essenzieller sind regelmäßige Inaugenscheinnahmen und professionelle Prüfungen der Brücken auch auf der kommunalen Ebene, um Ereignisse wie in Dresden möglichst auszuschließen.

Herausragendes in der „Königsdisziplin“

Allen Unkenrufen zum Trotz gibt es in Deutschland bemerkenswerte Brückenneubauten, Instandsetzungen und Ertüchtigungen. Der Deutsche Brückenbaupreis, den der Verband Beratender Ingenieure (VBI) und die Bundesingenieurkammer alle zwei Jahre verleihen, präsentiert und würdigt die innovative und gestalterische Kraft, die in der Planung von Brücken steckt nicht umsonst wird oft von der konstruktiven „Königsdisziplin“ gesprochen. Es geht bei Brücken um Funktionalität und Ästhetik.

Am 19. März 2025 ist es wieder so weit: Dann werden in der Messe Dresden die Preise in den Kategorien Straßen- und Eisenbahnbrücken sowie Fuß- und Radwegbrücken verliehen. Zudem wird ein Sonderpreis für Nachhaltigkeit vergeben.


Der Deutsche Brückenbaupreis

Mit dem Deutschen Brückenbaupreis werden herausragende Ingenieurleistungen im Brückenbau der Bundesrepublik Deutschland sowie deren Bedeutung für die Baukultur öffentlich gewürdigt. Es ist ein ideeller Preis, der für ein fertig gestelltes Brückenbauwerk vergeben wird. Preisträger sind Ingenieurinnen und Ingenieure, deren geistig schöpferische Leistung herausragenden Anteil am Entstehen des ausgezeichneten Brückenbauwerks hat.

Der Deutsche Brückenbaupreis steht unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Vergeben wird er in den beiden Kategorien Fuß- und Radwegbrücken sowie Straßen- und Eisenbahnbrücken. Beurteilt werden Funktion, Konstruktion, Gestaltung und Innovation; zudem in gleichem Maße auch Nachhaltigkeit, Planung und Wirtschaftlichkeit. Der Sonderpreis Nachhaltigkeit zeichnet eine herausragende Lösung auf dem Weg zum klimaneutralen Bauen aus.

Die Finalisten des laufenden Wettbewerbs werden Anfang 2025 bekanntgegeben. Die Preisverleihung findet am 19. März 2025 in der Messe Dresden am Vorabend des 34. Dresdener Brückenbausymposiums statt.

2020 wurde der Trumpf-Steg in Ditzingen in der Kategorie Fuß- und Radwegbrücken mit dem Deutschen Brückenpreis ausgezeichnet. Fotos: VBI


Die feierliche Preisverleihung soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der prekäre Zustand unserer Brücken Folge eines Sanierungsstaus ist, der sich über lange Zeit aufgebaut hat. Der marode Zustand der Infrastruktur – und das betrifft nicht allein die Brückenbauten – war längst bekannt: Schon 1995 schrieb der Spiegel „Es bröselt, bröckelt und reißt. – viele Brücken sind vorzeitig verschlissen“.

Leider ist es medienwirksamer, Neubauten zu präsentieren als in den Bestand zu investieren, Zustände zu erfassen, kontinuierlich die Instandsetzung voranzutreiben. Um die Situation nicht weiter zu verschärfen, ist es ratsam, den Hinweisen der Bauwerksprüfungen frühzeitig nachzukommen und empfohlene Unterhaltungsmaßnamen wie Reinigungen oder lokale Ausbesserungen ebenfalls frühzeitig durchzuführen.

Besonders genau hinschauen

Es werden wohl zehn bis 15 Jahre ins Land gehen, bis der aktuelle Instandsetzungsstau abgearbeitet sein wird so die Schätzung der Bundesingenieurkammer. Ohne finanzielle Mittel und ohne weitere personelle Kapazitäten der öffentlichen Hand wird es kaum Verbesserungen geben. Gleichzeitig kann aber unter den gegebenen Umständen seriös nicht ausgeschlossen werden, dass ein plötzliches Versagen wie in Dresden an anderer Stelle noch einmal passieren könnte.

Deshalb ist Handeln insbesondere in den Kommunen gefragt. Das erfordert die Bereitschaft, zu investieren und gegebenenfalls Brücken präventiv zu sperren, um Gefahren abzuwehren. Denn die Bürgerinnen und Bürger erwarten zu Recht, dass die Brücken und Wege, die sie täglich nutzen, sicher sind.


Die Autorin

Tatjana Steidl ist Pressesprecherin beim Verband Beratender Ingenieure (VBI).


Tatjana Steidl

Mehr zum Thema

„Reallabor Digitaler Zwilling“ in Hamburg

Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) startet in Zusammenarbeit mit der Stadt Hamburg das „Reallabor Digitaler Zwilling“. Grundlage ist …

Nachhaltige Brücke aus Flachs

Bioverbundwerkstoffe helfen, umweltschonender zu bauen. Professorin Hanaa Dahy hat verschiedene Bauelemente aus Naturfasern entwickelt und mit dem Smart Circular Bridge-Team …

Brücke ohne Blendeffekte

Seit Herbst 2021 hat die Stadt Wolfsburg eine neue Brücke, die Fußgänger und Radfahrer über die viel befahrene Braunschweiger Straße …