Was beim Onlineeinkauf funktioniert, geht auf dem Amtsweg für Bürgerinnen und Bürger allzu oft noch nicht: DATABUND-Geschäftsführer Detlef Sander kritisiert Servicewüsten – und gibt Empfehlungen, wie es beispielsweise durch digitale Serviceangebote besser laufen könnte.

Digitale Serviceangebote für Bürgerinnen und Bürger in den kommunalen Verwaltungen sind im Interesse aller beteiligten Akteure. Doch es sind personell ausgedünnte Verwaltungen im Dauersparzwang, meist zusätzlich betroffen von Fachkräftemangel, die Bedürfnisse der Bürger vollumfänglich möglichst zeitnah befriedigen sollen.
Dabei sind die positiven Erfahrungen im privatwirtschaftlichen Sektor der bereits digitalisierten Welt mittlerweile Maßstab für alles. Verkaufsplattformen wie Amazon bieten seit langem einfach zugänglich und sicher ein umfangreiches Angebot. Banken ermöglichen Onlinebanking, ebenfalls sicher, komfortabel und im Rahmen der bestehenden Rechtsnormen.
Für Bürger zugängliche digitale Serviceangebote
Staatlicherseits gibt es seit 2017 mit dem Onlinezugangsgesetz (OZG) eine Maßgabe, die 575 Verwaltungsleistungen für Bürgerinnen und Bürger bis 2022 online erschließen sollte. Dies ist nicht gelungen. Sicher kann man föderale Hürden, europäische Vorgaben, fehlende Kompetenz auf Entscheiderebene und mangelndes Koordinierungsverhalten als Begründung für das Scheitern des OZG anführen.
Auf der anderen Seite gibt es aber eine Reihe kreativer, innovativer Ansätze, gerade bei den Fachverfahrensherstellern, die der geschilderten Problematik diametral entgegenwirken oder dies könnten, wenn man sie denn ließe. Vieles ist technisch oder technologisch machbar und wird in anderen Wirtschaftsbereichen bereits angewandt.
Idee für plattformbasierte Fachverfahren ist nicht neu
So ist die Idee plattformbasierter Fachverfahren zum Beispiel nicht neu. Die HSH GmbH, Mitglied unseres Verbandes DATABUND, hat bereits 2009 eine solche Idee unter dem Namen VOIS – Verwalten, Organisieren, Integrieren, Systematisieren – präsentiert. Mittlerweile arbeiten von den rund 5000 deutschen Kommunalverwaltungen über 3000 mit VOIS.
Seit der Einführung von VOIS haben mehr als zwölf Partnerfirmen der HSH GmbH auf der VOIS-Plattform ihre eigenen Fachverfahren aufgesetzt. Vom Finanzwesen über den Fischereischein oder das Ausländerwesen bis hin zum Führerschein- und dem Friedhofswesen reicht die Palette.
Der Vorteil: Alle Verfahren haben dieselbe Benutzeroberfläche, haben dieselben Funktionalitäten und lassen sich demzufolge fachbereichsübergreifend einfach bedienen. Verwaltungsmitarbeiter können einfach geschult und fast „universell“ eingesetzt werden.
Bürgerinnen und Bürger können die angeschlossenen Onlinedienste 24/7 vollsynchron von zuhause aus nutzen. Unter anderem kann man Meldebescheinigungen abrufen, Übermittlungssperren einrichten oder Bauanträge stellen. Vieles ist in der Pilotierung oder bereits in der praktischen Anwendung.
Potenzial für digitale Serviceangebote ist längst vorhanden
Hindernisse auf dem Weg zu plattformbasierten Verwaltungsanwendungen sind fehlende Standards, nach denen sie arbeiten sollen. VOIS hat hier in Ermangelung von Vorgaben einen eigenen Standard gesetzt. Zudem ist das überalterte Vergaberecht ein Hemmschuh. Eine Plattform, die viele modulare Möglichkeiten bietet, deren Erweiterungen aber jedes Mal mit einer Ausschreibung verbunden sind, kann ihre Stärken nicht ausspielen. Und die Kommunen können sie nur mit großem Zeitverzug durch Ausschreibungen zum Einsatz bringen.
Um hier weiterzukommen, sollten die Kommunen Standardisierungen in der Verwaltungs-IT unterstützen und die Verwendung der bestehenden Standards von ihren Lieferanten aktiv einfordern. Allerdings hält nicht jeder Standard, was der Name verspricht. So ist beispielsweise FIM (Föderales Informationsmanagement) aus unserer Verbandssicht eine proprietäre Festlegung und kein Ergebnis eines Standardisierungsprozesses, damit lückenhaft und meist nicht sinnvoll einsetzbar. Wünschenswert wären grundsätzlich cloudbasierte Verfahren. Aber da sich Bund und Länder bisher nicht auf ein Rahmenwerk einigen konnten, bleibt das weiter Zukunftsmusik.
Dennoch können Kommunen vorangehen und das, was bereits vorhanden ist, zum Einsatz bringen. Dies unterstützt auch die bestehenden Plattformen und sorgt für deren Weiterentwicklung.
Offenbach ist Vorreiter-Kommune bei der Digitalisierung
Eine der „Vorreiter-Kommunen“ auf dem Feld der Digitalisierung ist das hessische Offenbach, eine Stadt mit 130.000 Einwohnern. Hier liefern eine digitalaffine Leitungsebene sowie eine gut abgestimmte Verwaltungsstruktur mit „kurzen Wegen“ die Grundlagen für den Plattformeinsatz und deren Erfolg. Selbst Künstliche Intelligenz ist in Offenbach bereits im Einsatz und hilft zum Beispiel, personelle Defizite zu kompensieren.
Zum Autor
Detlef Sander ist Geschäftsführer beim DATABUND e.V. (Bundesverband der mittel-ständischen IT-Dienstleister und Softwarehersteller für den öffentlichen Sektor).
Detlef Sander