Die Digitalisierung der Verwaltung ist noch nicht so weit, wie es gebraucht wird – es gilt unbedingt nachzubessern: Verbandsexperte Marc Danneberg plädiert für mehr Tempo, Zentralisierung und Kooperation. Mehr Nachdruck auf diesem Weg wollen laut einer Bitkom-Befragung auch Unternehmen und Bürger.
Die fehlende Digitalisierung der Verwaltung ist für acht von zehn Unternehmen laut einer Bitkom-Unternehmensbefragung ein internationaler Standortnachteil. Neun von zehn sehen sie zudem als einen Bremsklotz für die Digitalisierung des eigenen Unternehmens. So ist es wenig verwunderlich, dass 94 Prozent der befragten Unternehmen fordern, dass die Politik die Digitalisierung der Verwaltung zu einer Top-Priorität machen sollte. Das wollen auch die Bürgerinnen und Bürger: Neun von zehn fordern insbesondere von ihrer Stadt oder Gemeinde mehr Nachdruck bei der Digitalisierung.
Das Inkrafttreten des Onlinezugangsgesetzes (OZG) im Jahr 2017 war ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zum digitalen Staat. Doch von einer flächendeckenden Bereitstellung digitaler Verwaltungsleistungen sind wir auch anderthalb Jahre nach Verstreichen der OZG-Umsetzungsfrist noch weit entfernt. Viele Leistungen wurden bislang lediglich in einzelnen Kommunen oder Bundesländern pilotiert. Dieser OZG-Flickenteppich führt zu Frust und Unverständnis.
Doch weshalb verläuft der Rollout der OZG-Leistungen in die Fläche so schleppend? Hierfür lassen sich eine Reihe von Gründen identifizieren:
- Komplexe Verwaltungsstrukturen und fehlende Koordination.
- Mangelnde Ressourcen und finanzielle Mittel.
- Veraltete IT-Infrastrukturen und Verzögerungen beim Einsatz von Cloud-Anwendungen.
Digitalisierung der Verwaltung sollte zügig weitergehen
Zur Weiterentwicklung haben sich die Ampelfraktionen Ende 2023 auf ein OZG-Änderungsgesetz (OZG-ÄndG) verständigt. Im März 2024 ist der Gesetzentwurf jedoch krachend im Bundesrat gescheitert.
Der Bund wäre gut beraten gewesen, Länder und Kommunen bei der Weiterentwicklung des OZG frühzeitig einzubinden, um eine Blockade im Bundesrat zu verhindern. Denn die Digitalisierung der Verwaltung sollte nicht im föderalen und parteipolitischen Zank auf die lange Bank geschoben werden. Es ist deshalb zu hoffen, dass Bund und Länder sich im Vermittlungsausschuss schon bald auf einen Kompromiss einigen.
Was kann der Bund übernehmen?
Die Hängepartie bei der Weiterentwicklung des Onlinezugangsgesetzes ist auch deshalb so ärgerlich, weil der Gesetzentwurf an einigen Stellen spürbare Fortschritte bei der Verwaltungsdigitalisierung mit sich bringen könnte: Durch die gemeinsame Nutzung zentraler Basiskomponenten wie der BundID und die (verbindliche) Festlegung föderaler IT-Standards gelangen wir zu mehr Einheitlichkeit und Effizienz beim Rollout, beim Betrieb und der Weiterentwicklung digitaler Verwaltungsleistungen.
Bund, Länder und Kommunen sollten hier sogar noch einen Schritt weiter gehen und darüber nachdenken, einzelne, standardisierbare digitale Verwaltungsleistungen wie die Kfz-Anmeldung zukünftig nur noch zentral durch den Bund bereitzustellen. Das spart Ressourcen und Implementierungskosten auf kommunaler Ebene und schafft dadurch Freiräume, sich auf Aufgaben konzentrieren zu können, die lokales Know-how erfordern — zum Beispiel die Bearbeitung digitaler Bauanträge.
Der Blick in die Verwaltungsprozesse
Ein wichtiges Handlungsfeld auf dem Weg zum digitalen Staat wird bei der Weiterentwicklung des Onlinezugangsgesetzes derzeit leider kaum adressiert. Und das, obwohl es die Verwaltungsarbeit gerade im kommunalen Bereich in den nächsten Jahren grundlegend verändern wird: die Digitalisierung verwaltungsinterner Prozesse und Fachverfahren.
Erst wenn die Hausaufgaben bei der Prozessdigitalisierung gemacht sind, können sich die Potenziale einer innovativen Verwaltung voll entfalten. Das betrifft zum Beispiel die Teilautomatisierung von Verwaltungsverfahren, proaktives Verwaltungshandeln, transparente Entscheidungs- und Genehmigungsprozesse oder eine datengestützte Krisenprävention.
Kommunen sollten sich bereits heute darauf einstellen. Was dabei helfen kann, ist der Austausch mit anderen Playern und das Lernen von Praxisbeispielen.
Fragen zur Digitalisierung der Verwaltung
Unabhängig von den bundesgesetzlichen Rahmenbedingungen sollten Kommunen unbedingt die folgenden Fragen für sich beantworten können:
- Welche spezifischen Ziele wollen wir mit der Digitalisierung erreichen (wie Kosteneinsparungen, Effizienzsteigerungen, verbesserte Services für Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen sowie Verwaltungsmitarbeitende)?
- Welchen digitalen Reifegrad haben unsere verwaltungsinternen Prozesse bereits erreicht? Wie werden sich unsere internen Prozesse und Fachverfahren in den nächsten Jahren verändern?
- Welche Fachverfahren und Daten sollen zukünftig in die Cloud verlagert werden?
- Welche Investitionen in die IT-Infrastruktur sind notwendig, um unsere Digitalisierungsziele zu erreichen?
- Wie können wir sicherstellen, dass die digitale Transformation nachhaltig ist (Roadmap für die kontinuierliche Weiterentwicklung)?
- Inwiefern können uns Kooperationen mit anderen Kommunen oder Angebote der Länder und des Bundes dabei unterstützen?
Es steht viel auf dem Spiel
Für Unternehmen wie für Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen kommt es besonders auf die digitalen Verwaltungsleistungen der Kommunen an. Hier entscheidet sich nicht nur ein Standortwettbewerb, bei dem es letztlich auch um Arbeitsplätze und Steuereinnahmen geht. Es geht vielmehr ebenso darum, ob die Menschen den Staat als handlungsfähig wahrnehmen.
Eine digitale Verwaltung ist kein nettes, aber eigentlich entbehrliches Extra, sondern die Grundlage für smarte Städte und Regionen.
Der Autor
Marc Danneberg ist Bereichsleiter Public Sector beim Informations- und Telekommunikationsverband Bitkom e.V.
Marc Danneberg