Wie mitten in der Stadt aus einem riesigen, grauen Betonklotz eine grüne Oase werden kann, zeigt der Grüne Bunker in Hamburg. Aus dem tristen Betonkoloss Bunker St. Pauli ist ein neues, lebendiges Wahrzeichen der Hansestadt geworden.

Der Bunker St. Pauli wurde 1942 während des Zweiten Weltkriegs in nur 300 Tagen von Zwangsarbeitern errichtet. Ursprünglich war er vor allem als Flakbunker konzipiert, diente aber auch dazu, die Bevölkerung der Hansestadt zu schützen.
Bereits seit den 1990er Jahren gilt der Weltkriegsbau als „Medienbunker“ mit einer Vielzahl von kreativen Kulturfirmen. Sie werden hier auch weiterhin ihr Zuhause haben. Im Jahr 2014 entstand zudem in der Anwohnerschaft die Idee zu einer fünfstöckigen Erweiterung des Bestandbaus. Aus dem tristen Betonkoloss sollte ein kostenfreier Stadtgarten mit spektakulärer Begrünung aus 23.000 Bäumen, Gehölzen und Pflanzen, werden.
Herausforderungen für Stadtplaner
Stadtplaner müssen heute Strategien entwickeln, die den Folgen des Klimawandels begegnen. Dafür entscheidend sind nachhaltige Bauweisen und grüne Infrastruktur, um die städtischen Umwelteinflüsse zu minimieren. Die Verwendung nachhaltiger und recycelbarer Materialien reduziert den ökologischen Fußabdruck und fördert die Kreislaufwirtschaft. Die Integration von Grünflächen und die Förderung der Biodiversität in städtischen Gebieten schafft natürliche Lebensräume und verbessert das urbane Mikroklima.
Durch multifunktionale Gebäude wird der bestehende Raum optimal genutzt, da sie diverse Nutzungen unter einem Dach vereinen. Dies reduziert den Bedarf an zusätzlichen Bauflächen und schont Ressourcen. Die Kombination verschiedener Funktionen in einem Gebäude ermöglicht Synergien und senkt den Energieverbrauch. Auf diese Weise fördern multifunktionale Gebäude eine lebendige und vielfältige städtische Umgebung.
Grüne Oase mitten in Hamburg
Mit der Idee der Anwohnerschaft, den Bunker St. Pauli in einen Stadtgarten umzuwandeln, sollte er zu einem urbanen Ort der Gemeinschaft und Erholung werden. Erbpächter Professor Thomas Matzen war schnell von einer grünen Oase auf dem Dach des grauen Betonkolosses zu überzeugen und realisierte mit der Bauherrin Matzen Immobilien KG das ohne öffentliche Gelder privatfinanzierte Projekt.
Nach der Vorlage der ersten Baugenehmigung wurden die Ideen und Entwürfe in eine umsetzbare Ausführungsplanung überführt. Davon ausgehend konnten dann das multifunktionale Entwurfskonzept, das nachhaltige Begrünungskonzept und das anspruchsvolle statische System, das die Grundlage für die Aufstockung des Bestandsbunkers bildet, realisiert werden.
Diese Transformation erforderte eine detaillierte und präzise Planung, um sicherzustellen, dass alle Aspekte des ursprünglichen Entwurfs in der Praxis umsetzbar sind. Dafür mussten die Architekten und Ingenieure nicht nur die technischen und baulichen Herausforderungen bewältigen, sondern auch innovative Lösungen entwickeln, um die Nachhaltigkeitsziele und die multifunktionalen Anforderungen des Projekts zu erfüllen.
Eine Herausforderung war der Schallschutz: In der Veranstaltungshalle, in der Mitte des Gebäudes, sind Events mit einer Beschallung bis zu 100 dB möglich. Gleichzeitig sollten die Hotelzimmer in der äußeren Anordnung schalltechnisch so gut geschützt werden, dass Gäste auch bei Konzerten in Ruhe den Ausblick auf Hamburg genießen können.

Bautechnische Leistungen am Grünen Bunker
Außerdem galt es, ein 33.500 Tonnen schweres neues Gebäude, in dem die multifunktionale Halle mit einer Spannweite bis zu 25 Metern integriert ist, auf den bestehenden Bunker zu setzen. Dies erforderte ein innovatives Tragwerkskonzept. Mit 16 Spannverbundstützen sowie zusätzlichen Stützen im Bereich des Leitstandes wurden die neuen Lasten gezielt in das Bestandsgebäude eingeleitet, um die strukturelle Integrität zu gewährleisten. Die Integration des Begrünungskonzepts stellte eine zusätzliche Herausforderung dar. Es sollte nicht nur ästhetische, sondern auch ökologische und klimatische Vorteile bieten.
Ein weiterer wichtiger Aspekt: die Berücksichtigung der historischen Bedeutung des Bestandsbunkers. Architekten und Ingenieure mussten sicherstellen, dass die neuen baulichen Maßnahmen die historische Substanz respektieren und gleichzeitig moderne Anforderungen erfüllen. Dies erforderte eine sorgfältige Abstimmung mit Denkmalschutzbehörden und anderen relevanten Institutionen.
Wissenschaftler der TU Berlin begleiten den Grünen Bunker über mehr als fünf Jahre und erfassen mit Sensoren die Auswirkungen der Bepflanzung. Diese Daten werden Planern weltweit zur Verfügung gestellt, um künftige Projekte optimieren zu können.
Der Grüne Bunker gilt als Modellprojekt für nachhaltige Stadtentwicklung und Klimaanpassung, die zu den zentralen Zukunftsaufgaben internationaler Metropolen zählt. Er zeigt, wie innovative Ingenieurkunst und sorgfältige Planung zu beeindruckenden Ergebnissen führen können, die sowohl praktischen Anforderungen als auch ästhetischen und ökologischen Ansprüchen gerecht werden.
Der Grüne Bunker als Impuls für die Stadtentwicklung
Die ehemals graue Betonstruktur ist nun von üppigem Grün umgeben, mit Gärten und Erholungsflächen auf dem Dach. Die Aufstockung beherbergt unter anderem ein Hotel, Stadtteilflächen, eine Halle für Schulsport und Veranstaltungen, Restaurants sowie einen Erinnerungs- und Informationsort.
Die Transformation hat den Bunker zu einem lebendigen Teil des Stadtteils gemacht und zeigt, wie Historie in die moderne Stadtlandschaft integriert werden kann. Die imposante Aufstockung und Begrünung mit 23.000 Pflanzen fasziniert die Menschen. Schnell ist sie zu einer der wichtigsten Hamburger Attraktionen geworden: In den ersten sechs Monaten nach Eröffnung haben bereits fast eine Million Menschen den weltweit einzigartigen Grünen Bunker besucht.
Ronny Erfurt
Der Autor
Ronny Erfurt ist Gesamtprojektleiter für die Planung und Umsetzung des Grünen Bunkers sowie Geschäftsführer der Ingenieur- und Planungsgesellschaft phase10 aus Freiberg. Sie ist für die Umsetzung der architektonischen Planung und Koordination aller erforderlichen Fachdisziplinen des Projekts verantwortlich.