Die Rolle wasserbezogener Lösungen zur Gestaltung klimaresistenter Städte

Welche zentrale Rolle nachhaltiges Wassermanagement für die Entwicklung klimaresilienter Städte spielt, darüber diskutierten und tauschten sich zahlreiche internationale Experten bei den BLUE PLANET Berlin Water Dialogues Ende November 2024 aus. Einer von ihnen: Professor Günther Müller-Czygan. Im Beitrag erläutert er die Ergebnisse aus der gemeinsamen Diskussion mit fünf Experten für wasserbezogene Lösungen in städtischen Systemen.

wasserbezogene Lösungen
Begrünte Dächer sind ein Beispiel für wasserbezogene Lösungen in den Städten: Sie können als Regenwasserspeicher dienen und dadurch unterirdische Entwässerungssysteme ergänzen und entlasten. Foto: Adobe Stock/Ulf

Städte sehen sich durch den Klimawandel einer zunehmenden Komplexität und einer Vielzahl an Krisen gegenüber. Steigende Temperaturen und häufigere Extremwetterereignisse belasten die urbane Infrastruktur erheblich. Verstädterung und Bevölkerungswachstum verschärfen diese Herausforderungen, indem sie den Flächenbedarf erhöhen und die Ressourcennutzung intensivieren. Versiegelte Flächen verhindern die natürliche Wasserversickerung und verschärfen Hochwassergefahren. Zudem führen urbane Wärmeinseln zu erhöhtem Energieverbrauch und Gesundheitsrisiken.

Die Herausforderung besteht darin, städtische Systeme so zu gestalten, dass sie flexibel, resilient und nachhaltig auf externe Schocks reagieren können. Dabei nehmen wasserbezogene Lösungen eine zentrale Rolle ein.

Darüber diskutierten im Rahmen der BLUE PLANET Berlin Water Dialogues mit dem Schwerpunktthema „Urban Water Resilience – Reshaping Our Cities“ Ende November 2024 bei der Onlineveranstaltung „Urban Planning & Sponge Cities“ Expertinnen und Experten. Die Diskussionsrunde von German Water Partnership (GWP) und T-Base Consulting GmbH fand in Zusammenarbeit mit KWB Kompetenzzentrum Wasser Berlin gGmbH und eclareon GmbH statt und wurde von der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe gefördert.

Im Mittelpunkt der Diskussion standen drei Hauptaspekte: „Klimaverträgliche Stadtplanung“, „(Digitale) technische Innovationen“ sowie „Finanzielle und Governance bezogene Rahmenbedingungen“.


Die Experten

Moderation: Professor Günter Müller-Czygan, Hochschule Hof;
Cecília Correira, Senior Water Solutions Manager, Bentley Systems GmbH;
Dipl.-Ing. Thomas Grünig, Managing Director, HST Systemtechnik GmbH & Co. KG;
Gerhard Hauber, Executive Partner, Henning Larsen;
Dr. Scott Jeffers, Water Resource Engineer, Sempergreen USA;
Dipl.-Ing. Andreas Vetter, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Umweltbundesamt (UBA).


Klimaverträgliche Stadtplanung

Die städtische Infrastruktur steht vor der Herausforderung, widerstandsfähige Lebensräume zu schaffen, die sowohl die Mobilität als auch den Schutz vor Extremwetterereignissen gewährleisten. Zentrale Ansätze umfassen die Integration grüner und blauer Infrastrukturen sowie eine wassereinzugsgebietsorientierte Planung.

Traditionelle Ingenieurkonzepte, die auf eine schnelle Ableitung von Regenwasser abzielen, stoßen zunehmend an ihre Grenzen. Vielversprechend sind stattdessen vernetzte Lösungen, die Rückhalt, Retention und Verdunstung von Wasser ermöglichen. Beispielsweise senken begrünte Dächer mit Speicher- und Versickerungsfunktionen die Projektkosten, indem sie unterirdische Entwässerungssysteme ergänzen und damit entlasten. Gleichzeitig sind unterirdische Entwässerungssysteme digital zu ertüchtigen, um den vorhandenen Speicherraum besser zu nutzen und unnötige Überläufe in Gewässer zu vermeiden.

Städtische Flächen wie Parks und Parkplätze bieten durch multifunktionale Ausrichtungen temporäre Wasserspeicher, ohne ihre Ursprungsfunktion zu verlieren. Dies ist angesichts der zu erwartenden Nutzungskonkurrenzen um begrenzte Flächenverfügbarkeiten ein probates gestalterisches Mittel. Letztlich sollten Städte umfassende Begrünungs-, Entwässerungs- und digitale Planungsstrategien kombinieren, um langfristig widerstandsfähige urbane Umgebungen zu schaffen.

Technologische Innovation, Daten und Überwachung

Ein unverzichtbarer Bestandteil moderner Stadtplanung ist die Technologie. Die Digitalisierung ermöglicht zum Beispiel durch virtuelle Zwillinge die Simulation städtischer Szenarien, die Optimierung von Entwässerungssystemen sowie die Integration blau-grüner Infrastrukturen. Sensoren und Aktoren in vernetzten Infrastrukturen überwachen Wasserflüsse und steuern technische Systeme in Echtzeit. Moderne Anwendungen wie eine dynamische Kanalnetzsteuerung und die Integration lokaler Wetterdaten bieten umfassende Datenanalysen zur Optimierung urbaner Wasserinfrastrukturen.

Die Nutzung von Szenariotools unterstützt die Bewertung der wirtschaftlichen und ökologischen Leistung blau-grüner Infrastrukturen in Kombination mit grauen Elementen wie Entwässerungssystemen. Echtzeit-Mikroklimamodellierung hilft, die Bürgerbeteiligung und Entscheidungsprozesse zu verbessern. Dadurch können Städte potenzielle Überschwemmungen und Hitzestress besser bewältigen, was eine langfristige Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel sicherstellt.

Finanzierung, Governance und Zukunftsperspektiven

Die Umsetzung blau-grüner-(grauer) Infrastrukturen erfordert nicht nur technische Innovationen, sondern auch politische Unterstützung und finanzielle Förderung. Zukünftige gesetzliche Vorgaben wie zum Beispiel das deutsche Klimaanpassungsgesetz, stärken die Umsetzung kommunaler Anpassungsstrategien. Ergänzend bedarf es der Finanzierung durch Bund und Länder.

Und auch wenn die Komplexität der Herausforderungen insgesamt zunimmt, bedarf es angemessener vereinfachter Prüfverfahren, um die Akzeptanz bei Anwendern zu steigern und die Gesamtkomplexität nicht unnötig zu erhöhen.

Aus finanzieller Sicht sind vom Einsatz dezentrale und naturbasierter Lösungen langfristig Kostensenkungen zu erwarten, indem sie die Notwendigkeit neuer komplexer unterirdischer Systeme reduzieren. Die Kombination aus politischen Maßnahmen, interdisziplinärer Zusammenarbeit und technologischer Innovation wird die Zukunft der klimaverträglichen Stadtplanung maßgeblich prägen.


Der Autor

Günther Müller-Czygan ist seit Oktober 2020 Professor für Wasserinfrastruktur am Institut für Wasser- und Energiewirtschaft (iwe) der Fachhochschule Hof. Nach dem Studium des Bauingenieurwesens an der Universität Kassel war er mehr als 20 Jahre als selbstständiger Ingenieur mit dem Schwerpunkt Siedlungswasserwirtschaft als Projektleiter und Fördermittelberater für verschiedene Unternehmen der Wasser- und Versorgungswirtschaft tätig. Seine Erfahrungen mit der Digitalisierung der Wasserwirtschaft brachten erhebliche nicht-technische Herausforderungen mit sich, so dass er an der FOM Hochschule in Münster einen Master in Wirtschaftspsychologie absolvierte und sich zusätzlich zum Coach ausbilden ließ. Seit 2023 leitet er das Institut für nachhaltige Wassersysteme (inwa).


Günther Müller-Czygan

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