Ein Frühwarnsystem bei Starkregen und Hochwasser – an einem solchen Pilotprojekt arbeiten die nordrhein-westfälische Kreisstadt Olpe und ein Unternehmen für Messetechniklösungen gemeinsam.
Die Starkregenereignisse der vergangenen Jahre haben in weiten Teilen Deutschlands und auch in der Region um Olpe zu erheblichen Sach- und Personenschäden geführt. Solche lokalen Regenereignisse mit sehr hohen Niederschlagsmengen innerhalb kürzester Zeit treten hauptsächlich in den Sommermonaten in einem sehr begrenzten Gebiet auf.
Die Kreisstadt Olpe hat bereits im Jahr 2018 ein Starkregen-Risiko-Management-System (StRMS) erarbeitet. Es hat für das Stadtgebiet kritische Punkte aufdeckt, welche in Zukunft durch gezielte Maßnahmen vor möglichen Gefahren durch Starkregen und Hochwasser geschützt werden sollen.
Die Stadt Olpe erkannte bereits damals, dass aufgrund des Klimawandels erhöhte Gefahr durch Starkregen und urbane Sturzfluten besteht. Nach Abstimmungen mit der zuständigen Bezirksregierung Arnsberg wurde im Winter 2019 – unter Berücksichtigung der Arbeitshilfe „kommunales Starkregenrisikomanagement Hochwasserrisikomanagementplanung in NRW“ – mit der Ausschreibung zur Erstellung eines StRMS mit einer Starkregengefahrenkarte der Grundstein gelegt. Nach dem positiven Förderbescheid und der Beauftragung des Ingenieurbüros Dr. Pecher AG aus Erkrath startete das Projekt im Juni 2019.
Eine Gefährdungs- und Risikoanalyse sowie ein Handlungskonzept wurden im Rahmen des StRMS für die Stadt Olpe erarbeitet. Es beinhaltet die kommunale Flächenvorsorge und die Konzeption kommunaler Baumaßnahmen, das Krisenmanagement sowie die Informationsvorsorge. Den Bürgerinnen und Bürgern wurden die Ergebnisse online mittels einer interaktiven Starkregengefahrenkarte für die Stadt Olpe zur Verfügung gestellt.
Frühwarnsystem verschafft entscheidende Vorlaufzeit
Zudem wurde das Frühwarnsystem „Nivus Rain“ für Starkregen- und Hochwasserereignisse in Zusammenarbeit mit der Firma Nivus entwickelt und erprobt. Im Fall kritischer Starkregensituationen versendet es Informationen an verschiedene Nutzergruppen und Nutzer.
Das Frühwarnsystem erkennt im Überwachungsgebiet in Echtzeit Regenereignisse. Auf dieser Datenbasis kann es ermitteln, wohin sich die Niederschläge bewegen. Dies verschafft den Gebieten innerhalb des Überwachungsgebietes, die von dem Regenereignis noch nicht betroffen sind, eine Vorlaufzeit, bevor die Starkregenzelle dort eintrifft.
Damit wird das Frühwarnsystem perspektivisch in der Lage sein, datengestützt pluviale Überflutungsgefahren vorherzusagen. So wird im ersten Schritt insbesondere die Feuerwehr über die anstehenden Ereignisse informiert und kann bereits erste Maßnahmen ergreifen, bevor die konkrete Gefahr eintritt.
Erfasst werden die Daten mit Hilfe von Sensoren an 90 Standorten für die Messung der Niederschläge, dazu kommen 17 Standorte für Gewässerdaten. Mittels optischem Regenintensitätssensor, nach dem Verfahren der optischen Lichtbrechung, und Einbindung der Messung mittels autarker LoRa, Sigfox oder LPWAN-Übertragungstechnik, werden die Daten in der Leitsoftware gesammelt und über eine selbstlernende KI ausgewertet.
Gefahrensituation bis zu 60 Minuten früher erkennen
Anhand der Daten wird eine Prognose in Kombination mit den Wetterdaten des Deutschen Wetterdienstes erzeugt. So können Einsatzkräfte, Verwaltung und die Bewohner des Stadtgebiets frühzeitig vor dem Eintreffen der Unwetterfront informiert werden. So kann eine Gefahrensituation bis zu 60 Minuten früher erkannt werden. Die entsprechende Warnung erfolgt dann über ein Onlineportal beziehungsweise Meldesystem.
Auch wird bei den Regenvorhersagen Künstliche Intelligenz (KI) eingesetzt. Neben der angewandten physikalisch begründeten, optischen Flussmethode, die das System unmittelbar einsatzbereit macht, wird ihm parallel ein ML-Modell („Maschinelles Lernen“) antrainiert. Diese KI-Komponente erzeugt ebenfalls eine Vorhersage. Für die Bestimmung wählt das Frühwarnsystem dann automatisiert die beste von beiden Vorhersagen aus, wohin sich das Regenereignis bewegen wird.
Mit dieser lernenden Komponente passt sich das System selbstständig und kontinuierlich an die sich verändernden Umweltbedingungen an. Das Ergebnis sind belastbare, räumliche Niederschlagsvorhersagen, die auch für weitere wasserwirtschaftliche Zwecke genutzt werden können.
Betrieben werden die vollständig energieautarken Sensoren über Solarmodule. Mit ihrem kompakten Design können sie ohne Infrastruktur an Verkehrsmasten oder Straßenbeleuchtungen montiert werden. Puffer-Akkus sorgen dafür, dass die Sensoren auch im Winter stets betriebsbereit sind.
KI spielt bei Frühwarnsystem eine zentrale Rolle
Vom Unternehmen wird das Frühwarnsystem über eine Firmencloud regelmäßig gewartet. Die Sensoren werden über ein Monitoring auf ihre Funktionsfähigkeit überprüft. Die Kosten für die zukünftige digitale Frühwarnung und Alarmierung liegen – unter anderem für Wartung, Hosting und Entwicklung – jährlich bei rund 40.000 Euro.
Die Kosten werden von der Kreisstadt Olpe selbst getragen, da zum Zeitpunkt der Beauftragung von der Bezirksregierung Arnsberg für ein solches Frühwarnsystem keine Fördermittel bereitgestellt wurden. Inzwischen hat das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr im Hinblick auf die Richtlinie zur Förderung von Maßnahmen der Wasserwirtschaft für das Hochwasserrisikomanagement und zur Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (FöRL HWRM/WRRL) Vorgaben für die Förderung des Baus von Pegeln Dritter herausgegeben.
Zusätzlich plant Olpe bauliche Maßnahmen auf städtischen Freiflächen außerhalb der Bebauung. Diese Retentionsflächen mit Rückhaltung von Zuflüssen vor der Bebauung sind wegen der topografischen Gegebenheiten notwendig. Hierzu wurden in diesem Jahr umfangreiche Planungen vergeben, um Retentions- und Renaturierungsmaßnahmen zu schaffen. Auch sollen hierzu Fördergelder aus dem Hochwasserrisikomanagement beantragt werden.
Ergänzend zur kommunalen Vorsorge ist die Eigenvorsorge der Bürger zum Überflutungsschutz und Vorsorge zur Schadensbegrenzung notwendig. Voraussichtlich 2025 wird für Bevölkerung und Industrie ein Registrierungsportal zur Alarmierung bereitgestellt.
Die Autorin
Stephanie Fischer ist Mitarbeiterin beim Tiefbauamt der Stadt Olpe.
Stephanie Fischer