Wie die Elektrifizierung des kommunalen Fuhrparks gelingt

Die Elektrifizierung des kommunalen Fuhrparks spart langfristig Kosten, dafür braucht es aber eine klare Strategie: Mit dieser Maxime ist die hessische Landesinitiative „Strom bewegt“ unterwegs. Welche Tipps es auch über die Landesgrenzen hinaus gibt, schlüsselt Michael John von der hessischen LandesEnergieAgentur (LEA) auf.

Strategie zur Elektrifizierung des kommunalen Fuhrparks
Für die Elektrifizierung des kommunalen Fuhrparks bedarf es einer Strategie. Foto: Adobe Stock/Petair

Die Transformation der kommunalen Mobilität in Richtung Elektromobilität ist längst keine Zukunftsvision mehr, sondern ein aktuelles Handlungsfeld mit hohem strategischem Wert.

Politische Vorgaben und wirtschaftliche Anreize sorgen für viel Dynamik. Auch die neue Bundesregierung hat sich klar dem Ausbau der Elektromobilität verschrieben.

Den Fuhrpark für die Elektrifizierung unter die Lupe nehmen

„Es ist Druck im Kessel“, so Ulrich Erven, Leiter der Landesinitiative „Strom bewegt“. Die Initiative treibt schon seit über zehn Jahren im Auftrag des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum (HMWVW) den Ausbau der Elektromobilität in Hessen voran und berät Kommunen bei der Elektrifizierung ihres Fuhrparks. Erven empfiehlt: „Erst analysieren, dann einem klaren Kompass folgen.“

Am Anfang steht der Blick auf den bisherigen Fuhrpark: Welche Fahrzeugklassen sind wie im Einsatz und wann müssen sie ersetzt werden? Die Clean Vehicle Directive der EU sieht Quoten für emissionsarme und -freie Fahrzeuge vor. Sie spiegelt das Gesetz über die Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge (SaubFahr-zeugBeschG) wider.

Die Beschaffung planen

Die übliche Praxis vieler Kommunen, Fahrzeuge so lange wie möglich zu nutzen und dann bei absehbarem Ausfall relativ kurzfristig Budget für Neuanschaffungen im Haushalt einzustellen, sei mit Blick auf die gesetzlichen Vorgaben wenig zielführend, betont Ulrich Erven. „Um nicht später von hohen Kraftstoffkosten überrascht zu werden und den gesetzlichen Vorgaben zu genügen, ist eine Beschaffungsplanung sinnvoll.“

Sie ergibt auch im Hinblick auf mögliche Fördermittel Sinn, da Antrag, Prüfung und Bewilligung Zeit brauchen. Zu den Investitionskosten zählen neben den Anschaffungskosten auch Versicherungen und Service.

Die Verfügbarkeit von elektrifizierten Fahrzeugen selbst ist bei Spezialfahrzeugen der Klassen N2 und N3 kein Problem mehr. Spezialisierte Produkte für den kommunalen Bedarf wie Abfallsammel- und Saugfahrzeuge oder Geräteträger sind am Markt verfügbar.

Den Energiebedarf ermitteln

Es folgt der Blick auf die Seite der Energie: Wie hoch ist der tatsächliche Energiebedarf über den Tagesverlauf? Welche Fahrprofile gibt es? Kaum Probleme bereiten Nutzerprofile der „normalen“ Pkw. Sie sind in der Regel nur mit einer Person besetzt und fahren durchschnittlich weniger als 50 Kilometer pro Tag. Als E-Modelle lassen sie sich über Nacht aufladen. Der Energiebedarf kann problemlos gedeckt werden.

Wenn allerdings Bedienstete ihren Privat-Pkw für Dienstfahrten einsetzen, rät Erven, die Belegschaft einzubinden. „Die einen sind froh, wenn ihr eigenes Auto nicht mehr herhalten muss. Andere sehen in der Kilometervergütung eine Co-Finanzierung für ihr Fahrzeug.“ Hier sei es nicht denkbar, Mitarbeitenden ein E-Auto vorzuschreiben. Eine Alternative zu Neuanschaffungen können E-Carsharing-Angebote sein. In diesem Fall wird ein Vertrag mit einem Anbieter geschlossen. Der sorgt für Fahrzeuge und Reparaturen, die Kommune für Lademöglichkeiten.

Deutlich höher ist der Energiehunger der Fahrzeuge in der N2- und N3-Klasse. Hier braucht es genügend Energie vor Ort, ein intelligentes Lademanagement und Ladeinfrastruktur im Depot oder an strategisch wichtigen Punkten. Wichtig ist hier also nicht die Kilometerleistung – sie ist bei Nutzfahrzeugen oft gering –, sondern der Energiebedarf nach Einsatzzeiten. „Es macht Sinn, frühzeitig den lokalen Netzbetreiber einzubeziehen“, rät Ulrich Erven.

Beratungsangebote nutzen

Hinzu kommen gesetzliche Anforderungen und Rahmenbedingungen, Möglichkeiten der Finanzierung, die Praxistauglichkeit verfügbarer Produkte sowie die Anforderungen im täglichen Betrieb. „Eine Herkulesaufgabe“, wie Erven einräumt. Er rät: „In vielen Bundesländern gibt es öffentliche Beratungsangebote, wie in Hessen den eCoach von ‚Strom bewegt‘: eine bis zu dreitägige, kostenlose Impulsberatung für Kommunen und kommunale Betriebe.“

Der Experte empfiehlt, den Umstieg nicht allein mit Blick auf die gesetzlichen Vorgaben voranzutreiben. „Die Elektrifizierung des Fuhrparks bedeutet Aufwand. Sie lohnt sich aber wirtschaftlich, für das Klima und die Kommune allemal.“

Wo die Elektrifizierung bereits läuft

Der Landkreis Kassel hat schon 2018 mit der Elektrifizierung seines Fuhrparks begonnen. Von aktuell 86 Fahrzeugen sind 23 E- sowie zwei E-Hybrid-Fahrzeuge. Drei der Fahrzeuge sind Nutzfahrzeuge (Caddys). Für den Betrieb wurden 17 Ladesäulen mit insgesamt 26 Ladepunkten für die Dienstfahrzeuge installiert.

Oder Darmstadt: Seit der Einführung der Mobilitätsordnung 2018 setzt der Magistrat der Wissenschaftsstadt verbindlich auf Elektrofahrzeuge im städtischen Fuhrpark. Derzeit sind rund 120 Fahrzeuge elektrisch unterwegs, davon werden etwa 60 vom Eigenbetrieb für kommunale Aufgaben und Dienstleistungen (EAD) genutzt.

Zum Fuhrpark gehören Pedelecs, Fahr- und Lastenräder, Autos, selbstfahrende Arbeitsmaschinen und Anhänger. Sie kommen unter anderem bei der Abfallentsorgung, Straßenreinigung, Straßenunterhaltung, Schul- und Kita-Essenlieferung sowie für Dienstfahrten zum Einsatz. Geladen werden die 105 Fahrzeuge an derzeit 82 zentral überwachten Ladepunkten an mehreren Standorten in Darmstadt.

Michael John


Über den Autor

Michael John ist Mitarbeiter bei der LEA LandesEnergieAgentur Hessen GmbH. Die LEA Hessen ist Sitz der Geschäftsstelle von „Strom bewegt“.


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