Wasserstoff durch Windenergie: Wie Kommunen vom grünen Kraftwerk Nordsee profitieren

Mehr Rückenwind für die Wasserstoffproduktion: So will es der Förderverein AquaVentus – geplant ist die Produktion von grünem Wasserstoff durch Windenergieanlagen vor Helgoland. Welche Bedeutung H2 aus der Nordsee für kommunale Wertschöpfungsketten haben kann, schlüsselt Sebastian Himstedt auf.

Wasserstoff durch Windenergie
Weit weg von den Küsten – und doch kann der geplante Windpark vor Helgoland den Kommunen an Land starke Impulse geben: Das ist die Vision der Wasserstoff-Befürworter. Foto: Adobe Stock/twixter

Wasserstoff aus der Nordsee: Das klingt aus Sicht vieler Gemeinden und Kommunen erst einmal sehr weit weg. Am äußersten Zipfel der Ausschließlichen Wirtschaftszone – 200 Kilometer vor der Insel Helgoland – liegt die Wasserstoff-Zukunft von AquaVentus. Knapp 100 Firmen, Forschungsinstitute und Projektentwickler haben sich dort zusammengetan, um mit dem in der Nordsee reichlich vorhandenen Wind und mit Elektrolyseuren grünen Wasserstoff zu produzieren.

Obwohl für viele Kommunen die Nordsee weit entfernt ist, haben die Vorgänge dort großen Einfluss auf die Energiesicherheit und regionale Wertschöpfungsketten – und leisten einen entscheidenden Beitrag zur Energiewende. Doch zunächst einmal: Was steckt hinter dem Konzept von AquaVentus?

Wind ist reichlich vorhanden

Die Energiemärkte sind komplex, und die Technologie zur Herstellung von Wasserstoff ist anspruchsvoll, doch im Grunde ist alles ganz einfach: Windkrafträder in der Nordsee erzeugen Strom. Wenn davon sehr viel im System vorhanden und der Preis gering ist – was aufgrund des steigenden Angebots an Wind und Sonne immer häufiger vorkommt –, soll dieser Strom mithilfe eines Elektrolyseurs zur Herstellung von Wasserstoff verwendet und damit gespeichert werden.

Vom Windrad zur Kommune

Deutschland errichtet bis 2032 außerdem das größte Wasserstoffnetz Europas. Dieses bundesweite Pipelinesystem schafft erstmals ein überregionales Rückgrat für die Wasserstoffwirtschaft in Deutschland – offen, diskriminierungsfrei und gezielt anschlussfähig für Stadtwerke, kommunale Netzbetreiber und industrielle Verbraucher. Über das Teilstück AquaDuctus des AquaVentus-Mitglieds Gascade ist Wasserstoff aus der Nordsee somit Bindeglied zwischen klimafreundlicher Energieproduktion und lokaler Versorgungssicherheit. Davon profitieren deutsche Kommunen – vom kommunalen Nahverkehr über die Wärmeversorgung bis hin zur Wasserstoffnutzung in Kläranlagen oder lokalen Gewerbegebieten. Wasserstoff schafft also neue Geschäftsmodelle im Zuge der Sektorenkopplung von Strom-, Gas- und Wärmenetzen.

Durch den Aufbau dieses Kernnetzes entsteht nicht nur Infrastruktur, sondern auch ein industriepolitischer Schub: Investitionen in hybridfähige Offshore-Windparks, Elektrolyseure und Pipelines stärken die deutsche Industrie – vom Maschinen- und Anlagenbau bis zum Rohrleitungsbau. Wenn Deutschland zeigt, dass Offshore-Wasserstoff wirtschaftlich, nachhaltig und sicher realisiert werden kann, wird daraus ein Exportmodell für viele weitere Länder.

Erinnern wir uns zurück an den Winter 2022/23: Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine wurde die Gefahren einer Energiekrise plötzlich wieder greifbar. Gas wurde knapper und damit teurer, Städte und Gemeinden machten im wahrsten Sinne des Wortes die Lichter aus, um Energie zu sparen.

Im Verbund mit seinen nordeuropäischen Partnern will AquaVentus das grüne Kraftwerk Nordsee schaffen – ein kostendegressiver Beitrag zur Unabhängigkeit von russischem Gas oder amerikanischem LNG. Denn: Sonne und Wind schicken keine Rechnung, keine Panzer und auch keine Zölle.

In den Kommunen an Land stoßen die Stromnetze zunehmend an ihre Belastungsgrenzen – sei es durch Photovoltaik auf Dächern, E-Mobilität oder Wärmepumpen. Hier kann die intelligente Kopplung von Strom- und Wasserstoffinfrastruktur einen wichtigen Beitrag zur Netzstabilität leisten. Überschüssiger erneuerbarer Strom, der lokal oder aus der Nordsee nicht sofort verbraucht werden kann, wird durch Elektrolyse in Wasserstoff umgewandelt und zwischengespeichert.

So entsteht ein flexibles Energiesystem, das sowohl auf kommunaler als auch auf nationaler Ebene resilienter wird. Kommunale Stadtwerke und Netzbetreiber können dadurch neue Rollen einnehmen – als Energiepuffer, Verteilzentren oder Erzeugungspartner im Wasserstoffnetz der Zukunft.

Investitionsanreize für Kommunen

Der Ausbau der Wasserstoffwirtschaft wird nicht überall gleichzeitig erfolgen – einige Kommunen werden früher an das entstehende Wasserstoffkernnetz angeschlossen sein als andere. Doch genau hier setzt AquaVentus mit seiner Langfriststrategie an: Mit einem geplanten Ausbau auf zehn Gigawatt (GW) entsteht eine Perspektive, die auch mittel- bis langfristig Planungssicherheit und Investitionsanreize für Kommunen schafft.

Gerade für Regionen, die heute noch nicht unmittelbar angebunden sind, bietet sich die Chance, frühzeitig Projekte zu identifizieren und lokale Infrastruktur wie Wärmenetze, Industrieansiedlungen oder Fuhrparks wasserstofffähig zu machen. So entstehen schrittweise tragfähige Geschäftsmodelle, die kommunale Wertschöpfung langfristig sichern – ganz im Sinne eines nachhaltigen, dezentralen Energiesystems.

AquaVentus bringt also hochmoderne Technologien und zukunftsweisende Projekte in die Praxis. Von der Offshore-Windenergie über die Wasserstoffproduktion bis hin zum Aufbau von Pipelines entstehen entlang der gesamten Wertschöpfungskette neue Chancen für Unternehmen und Regionen: Zahlreiche Mitglieder von AquaVentus sind mittelständische Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau. Diese oftmals als Hidden Champions verkannten Traditionsunternehmen sind wichtig für das Gelingen der Energiewende und würden einen enormen Schwung durch den Wasserstoff-Markthochlauf bekommen.

Das klingt alles zu schön, um wahr zu sein? Richtig ist: AquaVentus hat einen langen Planungshorizont. Vom Pilotprojekt über den Ausbau der sogenannten SEN1-Flächen zur Erzeugung von zunächst einem Gigawatt sollen in insgesamt drei Schritten zehn GW produziert werden.

Werden jetzt die Weichen gestellt?

Doch ein großer Schritt ist mit dem vereinbarten Koalitionsvertrag gemacht: Die für die beste Allokation von Strom und Wasserstoff notwendigen hybriden Anschlusskonzepte werden nun endlich auch in Deutschland möglich. Damit gibt Deutschland seine Blockadehaltung auf und reiht sich in die Gruppe der Nordseeanrainerstaaten, in denen grüne Wasserstoffproduktion schon immer möglich war.

Es fehlt nicht an der Technologie oder am Geld. Der größte Hemmschuh sind unsichere politische Faktoren. Hierfür könnten sich kommunale Vertreter bei ihrer Vertretung im Bundestag stark machen – und das im eigenen Interesse: Für regionale Wertschöpfungsketten, für einen positiven Beitrag zur eigenen CO2-Bilanz der lokalen Energieversorger, für die stabile Energieversorgung und letztlich auch für den Energiepreis. Wasserstoff ist Partner der Energiewende in den Kommunen.

Sebastian Himstedt


Der Autor

Sebastian Himstedt leitet die Pressearbeit für den AquaVentus Förderverein e.V.


Die Ziele des Fördervereins AquaVentus

Im Förderverein AquaVentus haben sich knapp 100 Firmen, Forschungseinrichtungen und Projektentwickler zusammengetan. Die Vision: „mit der Erzeugung von grünem Wasserstoff auf See ein neues Zeitalter klimafreundlicher Energie ausrufen“.

Das übergreifende Ziel ist die Installation von zehn Gigawatt Erzeugungsleistung für grünen Wasserstoff aus Offshore-Windenergie in der Nordsee. Zudem die Etablierung einer dazugehörigen Pipeline-Transportinfrastruktur.

Die fünf Leitmotive, denen sich der Förderverein verpflichtet sieht: Klimaschutz; Energiewende: stabile Energiepreise; Wohlstand beziehungsweise Wertschöpfung; sowie Versorgungssicherheit beziehungsweise Resilienz.

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