Vom Leerstand zum Lehren und Lernen: Das Bildungs- und Kulturhaus in Lübeck

Etliche Traditionskaufhäuser wurden bereits geschlossen – wie aber geht man mit der Leerstelle um? Zum Beispiel Lübeck: Die Hansestadt baut das ehemalige Karstadt-Gebäude zu einem modernen Bildungs- und Kulturhaus um. Bürgermeister Jan Lindenau berichtet von dem, was auch andernorts Schule machen könnte.

Bildungs- und Kulturhaus in Lübeck
Das Karstadt Haus B steht im Herzen Lübecks (217.000 Einwohner). Anfang 2026 sollen die Umbauarbeiten beginnen. Die Eröffnung des Bildungs- und Kulturhauses ist für 2028 geplant. Foto: ppp architekten + generalplaner gmbh/caspar

Wie kam es zu der Idee, aus dem einstigen Karstadt Haus B ein Bildungs- und Kulturhaus in Lübeck zu machen?

Jan Lindenau: Als Karstadt 2020 schloss, entstand mitten in der Lübecker Innenstadt eine große Leerstelle – eine Herausforderung, aber auch eine Chance, etwas völlig Neues zu schaffen. Auslöser war vor allem die akute Raumnot unserer vier Altstadtgymnasien. Da die Schulen an ihren bisherigen Standorten nicht erweiterbar sind, entstand die Idee, das Gebäude für zusätzlichen Lernraum zu nutzen. Gleichzeitig wollten wir es mit neuem Leben füllen und einen Ort schaffen, der mehr ist als nur Schule: ein Haus für Bildung, Kultur und Begegnung, offen für alle Lübeckerinnen und Lübecker. Schon heute zeigt das ÜBERGANGSHAUS, wie lebendig dieser Ort sein kann – als Treffpunkt im Herzen der Stadt.

Was war ausschlaggebend, das Gebäude umzubauen und zu modernisieren, anstatt es abzureißen und etwas Neues zu bauen?

Lindenau: Lübeck ist eine Stadt mit jahrhundertealter Geschichte, die durch ihren UNESCO-Welterbestatus eine besondere Verantwortung trägt. Der behutsame Umgang mit der vorhandenen Bausubstanz ist nicht nur aus denkmalpflegerischer Sicht unabdingbar, sondern auch eine nachhaltige Entscheidung. Ein Abriss stand daher nie zur Debatte. Stattdessen haben wir bewusst entschieden, das Gebäude zu erhalten und für neue, innovative Nutzungen zu öffnen. Gleichzeitig ist es die wirtschaftlichere Alternative zu einem Neubau. Das Bildungshaus wird so zu einem Symbol für nachhaltige Stadtentwicklung.

Bildungs- und Kulturhaus in Lübeck als Symbol für nachhaltige Stadtentwicklung

Wie ist die bisherige Resonanz auf die Idee, aus dem bisherigen Karstadt Haus B ein Bildungshaus zu machen?

Lindenau: Die Resonanz ist sehr positiv. Das ÜBERGANGSHAUS hat bereits viele Besucher angezogen und zeigt, dass das Konzept funktioniert: Menschen kommen zusammen, besuchen Veranstaltungen, schätzen die konsumfreien Aufenthaltsbereiche und erleben das Gebäude neu. Besonders groß ist die Vorfreude bei den zukünftigen Nutzern – allen voran den Schulen, die dringend benötigten Lernraum erhalten. Die Idee, ein ehemaliges Kaufhaus in einen „Dritten Ort“ für Bildung, Kultur und Gemeinschaft zu verwandeln, kommt in der Stadt gut an.


Karstadt Haus B

Errichtet wurde Haus B 1996 als Teil des Karstadt-Zwillingshauses mit einer Bruttogeschossfläche von rund 9500 Quadratmetern. Hinzu kommt eine neue Dachterrasse mit 614 Quadratmetern. Die Gesamtumbaukosten liegen nach aktueller Schätzung bei rund 41,7 Millionen Euro zuzüglich eines Risikobudgets. Ein Teil der Finanzierung soll durch Fördermittel des Landes Schleswig-Holstein und des Bundes gedeckt werden. Zusätzlich sollen weitere Drittmittel eingeworben werden. Am Bau beteiligt ist als Bauherrin die Hansestadt Lübeck.
www.luebeck.de/bildungshaus


Inwieweit wurden die Bevölkerung und die künftigen Nutzer des Bildungshauses in die Planungen eingebunden? Und konnten Vorschläge mit aufgenommen werden?

Lindenau: Unter dem Motto „Zusammenwachsen zum Bildungshaus“ haben wir im Sommer 2023 mit der sogenannten „Phase Null“ einen umfassenden Beteiligungsprozess gestartet. Das Ziel: Anregungen und Ideen der zukünftigen Nutzer frühzeitig einzubeziehen, um gemeinsam ein zukunftsorientiertes, multifunktionales Konzept zu entwickeln. Dabei ging es um ganz konkrete Fragen: Wie muss eine moderne Lernumgebung aussehen? Wie können Synergien zwischen Schule, Kultur und Stadtgesellschaft geschaffen werden? Auch in der weiteren Planung wurde der Dialog im Rahmen von Nutzerworkshops fortgesetzt. Ein wichtiger Anlaufpunkt ist die DENKBAR im ÜBERGANGSHAUS, in dem Bürger in den Dialog treten und ihre Ideen für die Innenstadt direkt einbringen können. Grundlage für das Projekt sind außerdem unser Rahmenplan Innenstadt und das Tourismusentwicklungskonzept (TEK 2030), die 2018 und 2019 mit breiter Bürgerbeteiligung erarbeitet wurden.

Umbauarbeiten starten Anfang 2026

Wo steht das Projekt aktuell, und wie geht es weiter bis zur Eröffnung?

Lindenau: Die Vorentwurfsplanung wurde im Dezember 2024 abgeschlossen. Seitdem befinden wir uns in der Entwurfsplanung, in der die architektonischen, technischen und wirtschaftlichen Details weiter ausgearbeitet werden. Bis zum Beginn des Umbaus Anfang 2026 wird das Gebäude weiter als ÜBERGANGSHAUS genutzt. Voraussichtlich 2028 werden wir das Bildungshaus offiziell eröffnen können.

Worin liegen mit Blick auf die Innenstadtentwicklung die großen Herausforderungen auf der einen und die Chancen auf der anderen Seite?

Lindenau: Die größte Herausforderung besteht darin, den UNESCO-Welterbestatus mit modernen Anforderungen in Einklang zu bringen. Das Gebäude liegt in der historischen Altstadt, umgeben von bedeutenden Kirchen und engen Gassen. Hier mussten wir eine Lösung finden, die den kleinteiligen Charakter der Altstadt bewahrt und gleichzeitig innovativ und nachhaltig ist. Der Planungsprozess war daher geprägt von einer intensiven Zusammenarbeit mit verschiedenen Fachämtern, insbesondere dem Bereich Stadtplanung und Bauordnung unter dem Aspekt des Denkmalschutzes, der Stadtbildpflege, Belangen aus UNESCO-Weltkulturerbe sowie des Gestaltungsbeirats der Stadt Lübeck. Gleichzeitig entstehen viele Chancen: Die Innenstadt wird belebt, Leerstände werden sinnvoll genutzt und die Aufenthaltsqualität wird verbessert. Mit seiner klaren Ausrichtung stärkt der Ort nicht nur das direkte Umfeld, sondern eröffnet auch neue Potenziale für die Nutzung weiterer Leerstände.

Vielfältige Nutzung des Bildungs- und Kulturhauses in Lübeck

Wie wird das neue Bildungs- und Kulturhaus in Lübeck nach seiner Fertigstellung genutzt?

Lindenau: Das Bildungshaus wird sieben Etagen umfassen. Das Erdgeschoss ist als offener Mixed-Use-Bereich mit Kultur- und Bildungsangeboten, Gastronomie und Veranstaltungsflächen konzipiert. Auch die Musikhochschule Lübeck wird vertreten sein. Die oberen Etagen sind primär für schulische Zwecke vorgesehen, bieten aber auch Raum für multifunktionale Nutzungen außerhalb der Unterrichtszeiten. Ziel ist es, den Raumbedarf der vier Lübecker Innenstadtgymnasien in dem Gebäude zu bündeln – mit Platz für bis zu 1200 Schüler inklusive Lehrpersonal. Ergänzend sind in den Obergeschossen Dachterrassen als Pausen- und Aufenthaltsflächen vorgesehen. Im Untergeschoss ist ein Fahrradparkhaus mit rund 300 Stellplätzen geplant.

Bildungs- und Kulturhaus in Lübeck
In den oberen Etagen des künftigen Bildungs- und Kulturhauses in Lübeck sollen die bis zu 1200 Schülerinnen und Schüler inklusive Lehrpersonal der vier Altstadtgymnasien Platz finden. Visualisierung: ppp architekten + generalplaner gmbh/caspar

Wie anspruchsvoll und aufwendig sind die Planungen und der Umbau eines alten Warenhauses zu einem Bildungshaus?

Lindenau: Die Umnutzung eines Kaufhauses zu einem Bildungshaus bringt völlig andere bauliche Anforderungen mit als ein reiner Schulbau. Die größte Herausforderung besteht darin, diese in ein funktionierendes Gesamtkonzept zu integrieren. Innovative Raumkonzepte wie multifunktionale Bereiche und offene Lernlandschaften erfordern neue Planungsansätze und Genehmigungsverfahren, besonders in Bezug auf Brandschutz, technische Ausstattung und Fluchtwege. Beispielsweise müssen die Rolltreppen entfernt und aufgrund der großen Raumtiefen ein Atrium über alle Etagen integriert werden, um ausreichend Tageslicht zu gewährleisten. Das Projekt stellt in vielerlei Hinsicht ein Pilotvorhaben dar, das in seiner Komplexität und den unterschiedlichen Anforderungen kein vergleichbares Vorgängerprojekt hat. Mit dem Umbau setzen wir neue Maßstäbe – sei es für moderne Lernräume, Nachhaltigkeitsziele oder multifunktionale Nutzungen.

Raum für kreative, gemeinnützige und bildungsorientierte Projekte

Gibt es ein pädagogisches Konzept für das Bildungs- und Kulturhaus in Lübeck?

Lindenau: Das Konzept wurde im direkten Austausch mit Schülern, Eltern und weiteren Akteuren aus dem Bildungs- und Kulturbereich entwickelt. Uns war es wichtig, eine innovative, aber auch praxisnahe Lernumgebung zu schaffen, die allen Generationen offensteht. Das Bildungshaus soll nicht nur schulischen Zwecken dienen, sondern auch Raum für kreative, gemeinnützige und bildungsorientierte Projekte sein – abseits von kommerziellen Zwängen.

Welche Tipps können Sie Kommunen geben, die vergleichbare Platzprobleme in ihren Schulen haben und ähnliche Projekte ins Auge fassen?

Lindenau: Wichtig ist eine frühzeitige und intensive Zusammenarbeit: Es muss ein gemeinsames Verständnis entwickelt werden, um letztlich auch die Akzeptanz aller Nutzer zu gewinnen. Dabei lohnt es sich, traditionelle Raumkonzepte zu überdenken und kreative Ansätze zu wagen. Unsere Erfahrung zeigt, dass eine Zwischennutzung wie das ÜBERGANGSHAUS als Reallabor helfen kann, Konzepte praxisnah zu testen. Förderprogramme sind dabei eine große Unterstützung. In unserem Fall hat das Bundesprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Rahmen der Innenstadtinitiative ÜBERGANGSWEISE vieles ermöglicht. Auch der Austausch mit anderen Städten ist wertvoll, um von Best Practices zu lernen. Letztlich zeigt sich immer erst in der Praxis, ob eine Maßnahme wirklich funktioniert – deshalb braucht es Offenheit für neue Wege.

Bildungs- und Kulturhaus in Lübeck

Zur Person

Jan Lindenau (SPD) ist Bürgermeister der Hansestadt Lübeck.


Interview: Birgit Kalbacher

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