Wo früher ein Militärflugplatz war, entsteht in Oldenburg ein Wohnquartier —
und auch eine Grundschule ist in Planung. Das Besondere: Obwohl es bei der Neugründung einer Schule keine Schulgemeinschaft gibt, wurden in einem Partizipationsprojekt von Anfang an alle Interessensgruppen beteiligt.
Im neuen Stadtteil auf dem Gelände des ehemaligen Fliegerhorstes in der Stadt Oldenburg (Oldb) in Niedersachsen sollen künftig bis zu 3000 Menschen in rund 1000 Wohneinheiten leben. Auch eine neue zweizügige Grundschule soll entstehen. Als Ergebnis eines großen Beteiligungsprojektes ist nun ein völlig neu entwickeltes Raumprogramm beschlossen worden.
Bereits der vollständige Neubau einer Schule ist für viele Kommunen eine ungewöhnliche Herausforderung. Besonders spannend wird es jedoch, wenn mit dem Neubau auch eine Neugründung einhergeht. Es gibt keine Schulgemeinschaft, die man in die Planung einbinden kann. Dabei ist die Beteiligung der zukünftigen Nutzenden vor allem in der „Phase Null“ für das inhaltliche und räumliche Grobkonzept von großer Bedeutung. Bei einem Neubau bietet der hohe Grad an architektonischer Freiheit zudem noch stärker die Möglichkeit, ergebnisoffen zu denken und die Schule nach modernsten Kriterien aufzustellen.
Für die allgemeine Umsetzung des Projektes wurde eine Planungsgruppe gegründet, die aus Vertretungen der kommunalen Verwaltung, dem Regionalen Landesamt, der erfahrenen Leitung einer Ganztagsgrundschule sowie dem Stadteltern- und Stadtschülerrat besteht. Das Landesamt richtete zudem eine Steuerungsgruppe ein, die sich mit der pädagogischen Ausrichtung der neuen Schule beschäftigt.
Bei ersten Überlegungen zum Raumprogramm wurde schnell deutlich, dass für dieses zentrale Arbeitspaket eine externe Schulbauberatung durch Verhandlungsvergabe gesucht werden sollte. Die Verwaltung wurde so von ihrer Doppelrolle als Projektleitung und Interessensgruppe entlastet, und eine zusätzliche externe Expertise konnte eingebracht werden.
Die Wahl fiel auf das Institut für Partizipatives Gestalten (IPG), das sich zusammen mit dem Büro für Organisations- und Schulentwicklung Lotz & Monssen bewarb. IPG bot die überzeugende Methodik der „Schulbauwerkstätten“ und ergänzte die eigene Expertise bei Beteiligungsprojekten durch die schulspezifische Expertise von Lotz & Monssen.
Der Kernauftrag der Schulbauberatung bestand in der Entwicklung eines Raumprogrammes mit Funktionszusammenhängen unter Berücksichtigung aktueller pädagogischer Anforderungen. Grundlage waren die allgemein anerkannten Leitlinien der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft.
Grobe Funktionsbezüge zum Schulaußenraum und ein erstes Konzept zur Nutzbarkeit der Räume außerhalb der Schulzeiten waren ebenfalls Teil des Auftrages. Flächenbezogene Ausgangsbasis war das bisherige Musterraumprogramm für Grundschulen („Klassenraum Plus“). Ziel war ein Abschlussbericht als Grundlage für einen politischen Beschluss.
Mit Blick auf die Neugründung der Schule lag ein Schwerpunkt auf der intensiven Beteiligung aller Interessensgruppen. Dazu gehörten bereits bestehende stadtweite Arbeitsgruppen aus den Bereichen Inklusion, Ganztagsbildung sowie Schulverpflegung und auch Kinder im Grundschulalter waren dabei.
Schule neu denken
Der Auftrag beinhaltete die Vermittlung von Basiswissen in den Interessensgruppen. In drei produktiven Veranstaltungen haben fast 100 Personen teilgenommen: vor allem Schulleitungen, Lehrkräfte, Eltern, Kinder, Vertretungen der Arbeitsgruppen, des Rates, der Verwaltung und des Landesamtes.
An einem „Impulsabend“ gab es eine Einführung in den neuen Stadtteil und den Projektauftrag sowie Informationen zu unterschiedlichen Raummodellen — weg von der klassischen Flurschule, hin zum Modell Klassenraum Plus bis hin zu Clustern oder Offenen Lernlandschaften.
In den beiden Schulbauwerkstätten wurden verschiedene Themen zunächst in Kleingruppen bearbeitet, im Plenum zusammengetragen und dann gemeinsam diskutiert. Das grobe Organisationskonzept wurde mit Hilfe des Spiels „Schule neu denken“ entwickelt. Überlegungen der Steuerungsgruppe zu pädagogischen Konzepten und Berichte von Exkursionen flossen in die Arbeit ein.
Trotz der Beteiligung vieler Personen und Interessensgruppen gab es am Ende eine sehr hohe Übereinstimmung in den Arbeitsergebnissen. Aus diesen entwickelten Lotz & Monssen mit IPG und in Abstimmung mit der Planungs- und Steuerungsgruppe einen Vorschlag für das Raumprogramm. Nach dem politischen Beschluss wird es nun Grundlage für die weitere architektonische Umsetzung sein.
Das Ergebnis ist ein modernes und dabei nicht radikales Raumprogramm nach dem Clusterprinzip. In vier „Lerndörfern“ gruppieren sich jeweils zwei „Basisräume“ um einen „Marktplatz“ herum. Der Differenzierung dienen eine Rückzugsnische pro Basisraum und insgesamt zwei einzelne Räume. Ein „Forum“ ist Zentrum der Schulgemeinschaft. Auch die übrigen Räume sind in einem integrierten Modell angeordnet. So soll beispielsweise der Musikraum so ausgestattet werden, dass er zum Forum geöffnet und als Bühne genutzt werden kann.
Um den Flächenbedarf mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit zu reduzieren, wurde die Verkehrsfläche multifunktional einbezogen. So ergibt sich trotz viel „pädagogischer Fläche“ gegenüber dem bisherigen Musterraumprogramm lediglich ein moderater Mehrbedarf von rund 150 Quadratmetern.
Die architektonische Umsetzung der Grundschule startet ab Herbst 2024. Fertigstellungsziel ist das Schuljahr 2028/2029. Bis dahin werden die Schulhof- und Einrichtungsplanung unter Beteiligung der Steuerungs- und Planungsgruppe verfeinert. Das Gebäude wird nach höchstem energetischen Standard gebaut.
Schulkonzept mit Strahlkraft
Rund 12,3 Millionen Euro Investitionsmittel sind nach einer groben Kostenschätzung für die Baumaßnahmen erforderlich. Für die Einrichtung sind rund 600.000 Euro eingeplant.
Etwas mehr Zeit als die bauliche Planung hat die weitere Entwicklung der pädagogischen Konzepte. Als Ergebnis der Schulbauwerkstätten steht aber schon fest, dass die Schule eine teilgebundene Ganztagsschule mit jahrgangsübergreifenden Lerngruppen von Jahrgang eins bis vier werden soll.
Ein modernes und gleichzeitig wirtschaftliches Raumprogramm mit hoher Akzeptanz vieler Interessensgruppen, ein dazu passendes pädagogisches Grobkonzept, die politische Anerkennung eines Mehrbedarfes — und das ohne eine vorhandene Schulgemeinschaft: Das konnte nur durch ein gutes Partizipationsprojekt und das Engagement der vielen Beteiligten gelingen.
Unabhängig vom Schulbau auf dem Fliegerhost hat das Projekt auch weitergehende Strahlkraft. Baumaßnahmen im Bestand werden nun ganz anders betrachtet, und aktuell wird erörtert, ob eine bestehende Grundschule nicht ebenfalls mit dem entsprechenden Raumprogramm ganz neu errichtet werden soll.
Jan Reinder Freede, Britta Sellmeier
Der Autor und die Autorin
Jan Reinder Freede ist Fachdienstleiter Schulentwicklung beim Oldenburger Amt für Schule und Bildung.
Britta Sellmeier ist Schulformverantwortliche für Grundschulen beim Amt für Schule und Bildung.