Deutlich sichtbare Wasserknappheit: Damit war der Bodensee in diesem Frühjahr in den Schlagzeilen der überregionalen Medien. Was bedeutet der Wasserverlust für die Region – und darüber hinaus? Bernhard Röhrle, Wasserwirtschaftsingenieur beim Zweckverband Landeswasserversorgung, empfiehlt Kommunen, ihre Wasserversorgung zu prüfen.

Der Klimawandel hat einen großen Einfluss auf die Wasserversorgung – wie beurteilen Sie den aktuellen Stand?
Bernhard Röhrle: Durch den kühlen, regnerischen Sommer 2024 ist das Thema etwas in den Hintergrund gerückt. Doch die Anzeichen deuten wieder auf ein deutlich zu warmes und trockenes Jahr 2025 hin. Trotz kühlerer Wetterphasen werden die Temperaturen kontinuierlich steigen: Seit 1881 ist die Durchschnittstemperatur weltweit um 1,1 Grad Celsius gestiegen. In Deutschland sind es 1,6 und in Baden-Württemberg 1,7 Grad. Das zeigt deutlich, wo wir stehen. Entsprechend müssen wir handeln, das aber braucht Zeit und kostet Geld – und jedes nicht-genutzte Jahr ist ein verlorenes Jahr.
Und doch: Es ist nicht immer trocken.
Röhrle: Das macht es leider nicht besser. Allein die Trockenphase von 2018 bis 2022 hat gezeigt, dass wir etwas tun und uns auf solche Wetterphänomene einstellen müssen. Mit den feuchteren Jahren 2023 und 2024 hat sich die Situation entspannt, das ändert sich aber bereits wieder. Klar ist: Mit dem globalen Temperaturanstieg wird Wasserversorgung anspruchsvoller.
Wie gut ist die Wasserversorgung in Baden-Württemberg darauf vorbereitet?
Röhrle: Mit seinem dreigliedrigen System verfügt Baden-Württemberg über eine gute, robuste und belastbare Wasserinfrastruktur, die wir aber im Blick behalten und stärken müssen.
Die aktuellen Meldungen über das Niedrigwasser lassen aufhorchen – wie sicher ist der Bodensee als Europas größter Trinkwasserspeicher?
Röhrle: Die Wassermenge des Bodensees ist kein Problem. Er hat eine Tiefe von 260 Metern – das aktuelle Phänomen des Niedrigwassers spielt sich in den oberen zwei Metern ab. Doch ist der Bodensee ein Spiegel dessen, was Klimawandel und Wettergeschehen in der Fläche anrichten und meist nicht gesehen wird: Bäche und Flüsse führen zu wenig Wasser, Böden weisen bereits Risse auf, Quellen schütten immer weniger Wasser aus, und die Grundwasserstände sinken wieder. All das ist relevant für die kommunale Wasserversorgung. Zwar sind die Grundwasserspeicher momentan ordentlich gefüllt, Handlungsbedarf besteht dennoch.
Welche Faktoren können den Bodensee als Trinkwasserspeicher gefährden?
Röhrle: Auswirkungen werden das Gletschersterben, die immer geringer ausfallende Schneeschmelze und die milderen Winter haben – zunächst auf die Temperatur, später auf die Wassermenge. Denn bleibt das kühlere Schmelzwasser aus, wird der Bodensee nur noch von wärmerem Niederschlagswasser gespeist. Dadurch kühlt das sauerstoffreiche Oberflächenwasser nicht genug ab, um abzusinken. Die Folge: Die Zirkulation nimmt ab, und das Tiefenwasser wird nicht mehr mit ausreichend Sauerstoff versorgt. Dadurch verschlechtert sich die Wasserqualität, und der See kann kippen. Für den flacheren Untersee hat das Seenforschungsinstitut dieses Phänomen vor wenigen Wochen deutlich beschrieben.
Was kann man dagegen tun?
Röhrle: Die einzige Lösung: Globale Maßnahmen gegen den Temperaturanstieg ergreifen und das CO2 – etwa mit technischen Möglichkeiten – aus der Atmosphäre herausnehmen. Der Bodensee ist ein zu großes Ökosystem, um ihn allein durch künstliche Umwälzung mit Sauerstoff zu versorgen. Möglich wäre nur, Sauerstoff über Leitungen in die Tiefe einzuleiten – das wäre jedoch enorm aufwendig und teuer.
Wie sehen Sie die Situation in den Kommunen?
Röhrle: Wasserversorgung ist eine Kernaufgabe der Kommunen. Funktioniert sie nicht mehr, funktioniert auch alles andere nicht. Deshalb muss zuerst in die Grundversorgung investiert werden. Es ist bitter zu sehen, wenn eine Kommune Geld spart und ihre Wasserversorgung in Gefahr bringt – und das ist leider zu beobachten.
Was müssen Kommunen für die Sicherung ihrer Wasserversorgung tun?
Röhrle: Jede Kommune muss zunächst die Stabilität ihrer Wasserversorgung aus den eigenen Quellen prüfen: Hält sie stand, auch wenn die Grundwasserstände zurückgehen? Für Baden-Württemberg wird, je nach Region, in den nächsten 30 Jahren ein Rückgang von 15 bis 50 Prozent erwartet. Dabei ist etwa die Entwicklung der Gemeinde zu berücksichtigen: Wie viele Menschen leben dort, wie hoch ist der Wasserbedarf von Industrie und Gewerbe? Die Bevölkerung in Baden-Württemberg nimmt zu – und damit auch der Wasserbedarf. Gleiches gilt, wenn es wärmer wird, insbesondere wenn wir mit jahrelangen Trockenperioden konfrontiert werden. Wie viel Wasser führen dann die Quellen in trockenen Sommern? Kann in neue Wasserquellen investiert werden? All das müssen die Kommunen berücksichtigen, wenn sie prüfen, inwieweit sie die Versorgung mit ihren eigenen Quellen bestreiten können – im Normal- und im Notfall.
Was können sie tun, wenn die eigenen Wasserquellen nicht ausreichen?
Röhrle: Bei Defiziten können zunächst Nachbargemeinden vor Ort nach Lösungen suchen. Wenn die Kommunen das Thema in Angriff nehmen und die Karten auf den Tisch legen, ist da noch viel Spielraum. Dabei ist die Lösung vor Ort in der Regel die wirtschaftlichste und stabilste.
Der „Masterplan Baden-Württemberg“ sieht diese Bestandaufnahme bei den Kommunen vor. Wie ist der aktuelle Stand?
Röhrle: Viele Kommunen setzen sich mit ihrer Wasserversorgung auseinander – das ist positiv. Wie zu erwarten war, gibt es aber vielerorts Handlungsbedarf. Hinzu kommt, dass einige Kommunen keine ausreichenden Daten zu ihrer Wasserversorgung haben – etwa zu Wassergewinnungsstellen, Leitungsnetz oder Leistungsfähigkeit. Eine Kommune muss wissen, ob ihr Ortsnetz in Ordnung ist und möglichst wenig Wasser verloren geht. In Baden-Württemberg gibt es Kommunen mit Leitungsverlusten von bis zu 30 Prozent. Dazu kommt, dass 80 Prozent kein zweites Standbein in der Wasserversorgung haben. Wenn nichts passiert, wird der Wert laut Umweltministerium in zehn Jahren bei 90 Prozent liegen.
Welche Kommunen und Regionen sind bei der Wasserversorgung besonders von den klimatischen Veränderungen betroffen?
Röhrle: In Baden-Württemberg besonders betroffen sind die sogenannten „Viertelesquellen“, das sind die wetteranfälligeren, kleineren Quellen. Insgesamt gilt: Je nach Region müssen die Kommunen unterschiedliche Probleme bewältigen. Hinzu kommen der Klimawandel und eine aktivere Mikrobiologie aufgrund der steigenden Wassertemperaturen. Vor diesem Hintergrund muss jede Kommune selbst ortsspezifisch schauen, wo sie steht, wie sie aufgestellt ist, wohin sie muss und was dafür zu tun ist.
Welche positiven Beispiele gibt es?
Röhrle: Das sind vor allem größere Kommunen und Stadtwerke, von denen die Wasserversorgung mit dem entsprechenden Personal professionell betrieben wird. In kleineren Gemeinden macht heute oft noch der örtliche Wasserinstallateur die Wasserversorgung nebenher mit. Das wird nicht mehr reichen. Gute Beispiele sind etwa die NetzeBW in Stuttgart. Sie investieren sinnvoll in den Erhalt und Ausbau der Stuttgarter Wasserversorgung. Vergleichbar gute Beispiele sind die Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim oder die Stadtwerke Esslingen.
Wie können Kommunen ihre Wasserversorgung vor Ort verbessern – Stichwort grün-blaue Infrastruktur?
Röhrle: Wasserwirtschaft ist äußerst komplex. Die vorhandene Infrastruktur abzusichern, auszubauen und zu stärken, muss deshalb in ein Konglomerat an Einzelaktionen eingebettet werden. Nur so wird es funktionieren. Wir können nicht auf mehr Wasser hoffen, denn jedes System hat seine Grenzen. Auch wäre es nicht nachhaltig, die Ressourcen immer weiter auszuschöpfen. Möglichkeiten sind die Schaffung von Schwammstädten, Flächenentsiegelung, begrünte Dachflächen und Teiche, die das Wasser vor Ort halten. So kann es versickern und das Grundwasser anreichern. Auch die Landwirtschaft mit ihren oft verdichteten Böden spielt dabei eine Rolle. Ebenso die Belastung der Wasservorkommen durch Dünge- und Spritzmittel. Sie stehen der Trinkwasserversorgung in kritischen Zeiten nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung.
Welche weiteren Möglichkeiten gibt es?
Röhrle: Weitere wichtige Aspekte sind die Forcierung technischer Wassersparmaßnahmen und das Hinterfragen der eigenen Nutzung. Durch die Erhöhung des Wasserpreises kann dafür ein Bewusstsein geschaffen werden. Er wird steigen, denn die Kommunen müssen mehr investieren. Zudem kann Wasser vor Ort gehalten werden, indem gut gereinigtes Abwasser versickert oder zum Gießen verwendet wird. Das Schwammstadtprinzip und Entsiegelung halten das Wasser vor Ort und verhindern, dass es schnell abgeleitet wird. So können zugleich auch Hochwasserwellen verhindert werden. Gelingt das bei vielen Kommunen in der Fläche, können fatale Folgen von Starkregenereignissen deutlich reduziert werden.
Interview: Birgit Kalbacher

Zur Person
Dipl.-Ing. Bernhard Röhrle ist Wasserwirtschaftsingenieur und Pressesprecher beim Zweckverband Landeswasserversorgung Baden-Württemberg.
Die aktuelle Situation
Das Umweltbundesamt greift auf seiner Website aktuelle Daten zur Trockenheit auf. Demnach war es deutschlandweit seit 1931 noch nie so trocken wie 2025 von Anfang Februar bis Mitte April. Vor allem im Norden gibt es größere Gebiete, in denen nur wenige Liter pro Quadratmeter gefallen sind. Das starke Niederschlagsdefizit hat die Feuchte der oberen Bodenschichten markant unter die für die Jahreszeit
üblichen Werte sinken lassen.
Der Pegel des Bodensees in Konstanz liegt derzeit bei 365 cm (Stand: 13.6.2025, 13.00 Uhr) und somit 55 cm unterhalb des langjährigen Mittelwerts für diesen Tag.