Kontaminiertes Löschwasser, austretende Gefahrstoffe und Reaktionsprodukte können zu einer Gefahr werden. Wie ist Löschwasserrückhaltung möglich, wie kann man damit umgehen, zumal die Rahmenbedingungen kompliziert sind? Umweltexperte Tom Kionka nennt Möglichkeiten.
Löschwasser birgt erhebliche Risiken: nämlich dann, wenn im Brandfall wassergefährdende Stoffe gemäß AwSV – der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen – beteiligt sind und mit dem Löschwasser in die Umwelt gelangen. Das Risikopotenzial geht aber noch weit darüber hinaus, wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) am Brandbeispiel eines Großkühlhauses zeigt, in dem Butter, Eiscreme, Fleisch und andere Lebensmittel eingelagert waren.
Brennbare Dämmstoffe hatten im Brandverlauf eine enorme Wärmeentwicklung zur Folge. Die deshalb verflüssigte Butter und Eiscreme emulgierten im Löschwasser, wurden mit ihm in Gewässer, Kanalisation sowie die Keller benachbarter Wohngebäude eingetragen und erstarrten dort nach dem Abkühlen. Durch Buttersäure kam es zu erheblichen Schäden an den Betonbauteilen der Kanalisation. Butterfett setzte die Kiemen von Fischen zu, verklebte das Gefieder von Vögeln, musste von der Wasseroberfläche abgesaugt, von den Uferbereichen abgetragen und aus betroffenen Kellern entfernt werden. Allein der Umweltschaden belief sich auf 1,5 Millionen Euro. Das Beispiel wirft die Frage auf, wie es um die Normierung des Löschwasserrückhalts und dessen technische Umsetzung steht – gerade auch wie im skizzierten Beispiel abseits AwSV-regulierter Bereiche.
Rechtlicher Rahmen bei Verwendung wassergefährdender Stoffe
Es gilt der allgemeine wasserrechtliche Besorgnisgrundsatz des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG, § 62): Demnach muss bei „Anlagen zum Lagern, Abfüllen, Herstellen und Behandeln wassergefährdender Stoffe sowie Anlagen zum Verwenden wassergefährdender Stoffe im Bereich der gewerblichen Wirtschaft und im Bereich öffentlicher Einrichtungen“ gewährleistet sein, „dass eine nachteilige Veränderung der Eigenschaften von Gewässern nicht zu besorgen ist“.
Zudem ergeben sich maßgebliche Regulierungen aus der AwSV. Dort ist in § 17 als Grundsatzanforderung formuliert, dass „bei einer Störung (…) anfallende Gemische, die ausgetretene wassergefährdende Stoffe enthalten können, zurückgehalten und ordnungsgemäß als Abfall entsorgt oder als Abwasser beseitigt werden“ müssen. Zu den hier adressierten Störungen zählt auch der Brandfall, für den die AwSV in § 20 Rückhaltevorrichtungen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik verlangt.
Keine allgemeinen Regeln der Technik zu Löschwasserrückhaltung
Wer jedoch dieser AwSV-Vorgabe gerecht werden will und demzufolge nach den „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ für den Bereich der Löschwasserrückhaltung sucht, wird nichts finden. Sie sind nicht als solche formuliert, und somit gilt: Es gibt sie nicht.
Aus dieser Not hat der Verband der Chemischen Industrie (VCI) die Tugend gemacht, für seine Mitglieder einen Leitfaden zur Löschwasserrückhaltung zu verfassen. Verbindlich gilt diese VCI-Richtlinie zwar nur für Unternehmen der chemischen Industrie. Dennoch kann sie auch für andere Gewerbe- und Industriebereiche wertvolle Anhaltspunkte liefern.
Einen weiteren Zugang zu Umsetzungsstandards bei der Löschwasserrückhaltung bietet der GDV in seiner Broschüre „Planung und Einbau von Löschwasser-Rückhalteeinrichtungen“. Sie erläutert differenziert und ausführlich, „wie Gefahrenpotenziale hinsichtlich möglicher Löschwasserschäden identifiziert und durch vorbeugende technische sowie organisatorische Maßnahmen minimiert werden können.“
Richtlinien für Löschwasser-Rückhalteanlagen von Versicherern
Daneben haben die Versicherer „Richtlinien für Löschwasser-Rückhalteanlagen“ formuliert, die zur Anwendung kommen, wenn Schadenrisiken versichert werden sollen. Auch diese Publikationen stellen detaillierte Anleitungen zur Verfügung, sind aber letztlich branchenspezifische Vorgaben der Versicherer und somit keine „allgemein anerkannten Regeln der Technik“.
Wenig hilfreich sind zudem die Zuständigkeitsverteilungen. Während die grundsätzliche Entscheidung über die Notwendigkeit einer Löschwasserrückhaltung wasserrechtlich normiert ist und damit in die Zuständigkeit der unteren Wasserbehörden fällt, wird über deren Dimensionierung bei den im Baurecht zuständigen Behörden entschieden.
Die von ihnen herangezogenen Bemessungsfaktoren sind zahlreich. Zudem werden sie – so die Erfahrung – in mitunter variierender Kombination angewendet, was in unterschiedlichen Volumenvorgaben bei gleichen Voraussetzungen resultieren kann. Letztlich wird dann auf die LöRüRl zurückgegriffen: eine baurechtliche Vorschrift, die – abgesehen von einigen Ausnahmen – für die Lagerung wassergefährdender Stoffe ab einer bestimmten Mengenschwelle gilt.
Die Abkürzung steht für „Richtlinie zur Bemessung von Löschwasser-Rückhalteanlagen beim Lagern wassergefährdender Stoffe“ oder einfach „Löschwasser-Rückhalte-Richtlinie“. Sie ist eine untergesetzliche Regelung und 32 Jahre alt. Dass es sie gibt, liegt nicht nur, aber doch sehr maßgeblich am Baseler Chemiekonzern Sandoz.
Löschwasser-Rückhalte-Richtlinie geht auf Großbrand zurück
Denn in dessen Anlagen kam es 1986 zu einem Großbrand. Hochgradig kontaminiertes Löschwasser floss in großer Menge in den Rhein und führte dort zu einem immensen Fischsterben. Neben ähnlich gelagerten Umweltunfällen zu jener Zeit war es am Ende die Katastrophe bei Sandoz, die zur Formulierung der LöRüRl und zu deren Verabschiedung im Jahr 1992 führte. Seither wurde die LöRüRl ein einziges Mal – nicht inhaltlich, sondern nur redaktionell – geändert, um sie anlässlich der AwSV-Einführung an diese anzupassen.
Die Löschwasser-Rückhalte-Richtlinie ist eine Musterrichtlinie, die von den Bundesländern in deren Bauordnungen integriert und als Teil ihrer technischen Bestimmungen bauaufsichtlich eingeführt wurde. Das erforderliche Volumen einer Löschwasser-Rückhalteanlage ergibt sich nach LöRüRl aus Wassergefährdungsklasse und Lagergröße.
Nur sieht die Musterbauordnung des Bundes länderspezifische Regelungen seit 2021 eigentlich nicht mehr vor. Demgemäß wird die LöRüRI in den Bundesländern zunehmend zurückgenommen. Aktuell gilt sie nur noch in einigen Ländern.
Löschwasserrückhaltung ist allgemeinrechtliche Vorsorgepflicht
Aber selbst wenn an einem Industrie- oder Gewerbestandort beim bestimmungsgemäßen Betrieb keine wassergefährdenden Stoffe gemäß AwSV im Spiel sind, die Anlage somit nicht in den Geltungsbereich der LöRüRI fallen würde, können im Brandfall trotzdem wassergefährdende Stoffe durch Löschmittel oder brandbedingte Reaktionsprozesse anfallen. Die Anforderung, sie zurückzuhalten, ergibt sich dann aus allgemeinrechtlichen Vorsorgepflichten. Bei der Suche nach Umsetzungsregeln schließt sich der Kreis zu den Veröffentlichungen von VCI und GDV.
Systeme zur Löschwasserrückhaltung müssen neben den nach AwSV regulierten wassergefährdenden Stoffen auch weitere Medien berücksichtigen: all jene, die im Brandfall anfallen, entstehen oder austreten können und möglicherweise wassergefährdende Eigenschaften haben. Insbesondere sind das Lösch-, Berieselungs- und Kühlwasser sowie Verbrennungs- und Reaktionsprodukte, die durch den Brand selbst oder infolge eingesetzter Löschmittel entstehen.
Zum Nachlesen
- Mehr zum Umgang mit Löschwasser finden Sie hier:GDV – Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (Hg.): Planung und Einbau von Löschwasser-Rückhalteeinrichtungen, Köln 2013, S. 8
- VCI – Verband der Chemischen Industrie e.V.: VCI-Leitfaden Löschwasserrückhaltung, Frankfurt 2017. www.vci.de
- VdS Schadenverhütung GmbH (Hg.): VdS-Richtlinien für Löschwasser-Rückhalteanlagen – Bauteile und Systeme – Anforderungen und Prüfmethoden (VdS 2564), Köln 2004. www.vds.de
- Löschwasser-Rückhalte-Richtlinie. Download zum Beispiel unter www.umweltpakt.bayern.de/download/pdf/LoeRueRl_2022_IZU.pdf
Da es sich hier vielfach um unbekannte Stoffe handelt, muss nach dem Sorgfaltsprinzip vom schlechtesten Fall und somit von der größtmöglichen Gefährdung ausgegangen werden.
Hier können Rückhalteeinrichtungen sinnvoll sein, die mittels allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung (abZ) im Anwendungsbereich von Anlagen zum Lagern, Abfüllen und Umschlagen wassergefährdender Flüssigkeiten (LAU-Anlagen) den Verwendbarkeitsnachweis besitzen.
Auffangbehälter für Löschwasser
Die Continental Fuel Storage Systems GmbH, eine Tochter der Continental AG, ist ein Unternehmen, das hierbei auf die Expertise von Mall zurückgegriffen hat. An ihrem Standort in Alsfeld nahe Aachen produziert Continental Fuel Storage Systems in zwei Industriehallen mit zusammen 8200 Quadratmetern flexible Kraftstoffbehälter für den Einsatz in Flugzeugen, Hubschraubern, Booten und Fahrzeugen.
Für den Fall des Brandes in einer der Produktionshallen benötigte das Unternehmen ein gegen chemische Einwirkungen robustes System zur Löschwasserrückhaltung. Kernelement ist ein unterirdisch eingebauter Löschwasserauffangbehälter aus Betonfertigteilen. Er stellt 150 Kubikmeter Nutzvolumen zur Verfügung und erhält seinen Zulauf über Bodeneinläufe in den Produktionshallen. So können im Brandfall austretende wassergefährdende Ausgangsstoffe der Produktion, Reaktionsprodukte oder Verbrennungsrückstände sowie Löschschäume sicher aufgefangen und bis zur späteren Entsorgung gespeichert werden.
Etwas komplizierter war die Lage im Fall der Timberpak GmbH, die ihren Standort südlich von Berlin im Hafen von Königs Wusterhausen hat und dort Altholz und Biomasse entsorgt oder rezykliert. Auf dem versiegelten Betriebsgelände werden die Entsorgungsgüter aufbereitet und gelagert – darunter vor allem große Mengen an gehäckseltem Holz.
Wegen seiner hohen Selbstentzündlichkeit muss das zerkleinerte Holz regelmäßig gewässert werden. Dadurch sowie zusätzlich bei Regen fallen große Mengen verschmutzten Wassers an, für die das Unternehmen ein Entwässerungskonzept benötigte. Gleichzeitig war Vorsorge für den Fall zu treffen, dass es tatsächlich zu einem Brandereignis kommt.
Flächenentwässerung über Großflächenablaufelemente
In dem dort installierten System erfolgt die Flächenentwässerung über Großflächenablaufelemente mit direkter Abscheidung von Grobstoffen. Im Normalbetrieb fließt das Wasser über eine Sedimentationsanlage und anschließend ins Hafenbecken. Im Brandfall lenkt ein Havarieschacht, der vor der Sedimentationsanlage eingebaut ist, den wesentlich höher belasteten Löschwasserstrom in einen auf 200 Kubikmeter dimensionierten Auffangbehälter um.
Der Ablauf ins Gewässer ist damit verhindert. Das Löschwasser ist abgefangen und wartet auf seine fachgerechte Entsorgung.
Die Beispiele zeigen: Anlagen können dem Vorsorgegrundsatz entsprechen, Sicherheit auch für ein Worst-Case-Szenario zu gewährleisten. Zudem erfüllen sie die Anforderungen des formalen Regelwerks ebenso wie jene der branchenspezifischen Umsetzungsrichtlinien.
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Tom Kionka ist freier Fachjournalist im Bereich Umwelttechnik.
Tom Kionka