Baden-Württemberg ist sonnenverwöhnt, das macht man sich in Bad Rappenau zunutze: Eine riesige Solarthermieanlage soll Fernwärme liefern – und noch weitere Leistungen auf dem Weg zur Klimaneutralität erbringen.

Die Energieversorgung im baden-württembergischen Bad Rappenau (22.000 Einwohner) wurde um knapp 30.000 Quadratmeter Solarkollektoren auf sechs Hektar Land erweitert. Damit ist sie die bei weitem größte Freiflächen-Flachkollektor-Solarthermieanlage in Deutschland. Jeder der nur 1809 Hochleistungskollektoren ist knapp 16 Quadratmeter groß, hat eine Nennleistung von 11 kW und wurde extra für industrielle Großanlagen entwickelt.
Vor Ort waren bereits vorher Blockheizkraftwerke und eine Biogasanlage vorhanden, ebenfalls ein Holzheizwerk. Zudem wird künftig Biogas komplett in Erdgasqualität aufbereitet, und Photovoltaikanlagen sollen unter anderem einen Elektrolyseur betreiben, der Wasserstoff für die Methanisierung erzeugt.
Dazu kommt eine hochmoderne, multi-valente oder auch hybrid zu nennende Wärmeversorgung im Bestand. Sie basiert ausschließlich auf erneuerbaren Energiequellen, die durch flächeneffiziente Solarthermie und einen 8000 Kubikmeter großen Wärmespeicher brennstofffrei und damit zukunftssicher ergänzt werden.
Der westliche Teil der Gemeinde Bad Rappenau wird durch ein Fernwärmenetz der Stadtwerke versorgt. Die solarthermische Anlage ist Teil eines größeren Vorhabens und wichtiger Bestandteil des Ausbaus des östlichen Fernwärmenetzes.
Solarthermische Anlage für Fern- und Prozesswärme
Dieses privat betriebene östliche Fernwärmenetz versorgt bereits in Bad Rappenau und dem benachbarten Bad Wimpfen Altenheime, Kureinrichtungen und Wohngebäude mit Wärme. Ein weiterer Wärmeverbraucher wird hinzukommen: Die sommerlichen „Solarwärme-Überschüsse“ sollen für die Trocknung von Obst und Trester aus der Weinbauregion genutzt werden. Die solarthermische Anlage wird also sowohl für Fernwärme als auch für Prozesswärme eingesetzt. Diese Anlage ist eine der ersten Dual Use-Solarthermieanlagen in Deutschland oder sogar die erste.
Fernwärme plus klimaneutrales Gas
Der private Betreiber des Fernwärmenetzes in Bad Rappenau hat eine knapp 30.000 Quadratmeter große Solarthermieanlage errichtet. Sie wird Brennstoff sparen und ist Teil eines innovativen Gesamtkonzepts, in dem am Ende neben Fernwärme auch klimaneutrales Gas für das Erdgasnetz erzeugt wird.
Das Fernwärmenetz ist seit 2007 in Betrieb. Bislang wurde es aus der Abwärme des Biomasseheizkraftwerks und seines mit Biogas befeuerten Blockheizkraftwerks gespeist. Die Wärme stammt dabei zu etwa zwei Dritteln aus Holz und zu einem Drittel aus Biogas. In einem Notkessel wurde Heizöl eingesetzt, wenn auch nur in sehr geringen Mengen: 0,05 Prozent des Primärenergieträgermixes. Die Solarthermie wird als brennstofffreie Energieform dabei helfen, die Fernwärme zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung umzubauen. Das Ziel ist Brennstoffneutralität.
Solarthermieanlage mit sechs Hektar Kollektorfläche
Auf sechs Hektar soll eine Kollektorfläche über das Jahr einen nutzbaren Wärmeertrag von 12.795 MWh/Jahr bei möglichst niedrigen Wärmegestehungskosten liefern. Das Kollektorfeld besteht aus 80 Reihen mit jeweils bis zu vier Teilsträngen mit acht bis elf Kollektoren je Teilstrang. Die Kollektororientierung beträgt 12 Grad Südsüdost, die Kollektorneigung 35 Grad zur Horizontalen.
Die relativ steile Kollektorneigung optimiert den Jahresertrag auf leicht erhöhte Früh- und Spätsommererträge. Der Abstand zwischen den Kollektorreihen beträgt 4,8 Meter ausreichend Platz für Fahrzeuge, die für Wartung und Instandhaltung unterwegs sind.
Die Verrohrung erfolgt durchgehend unterirdisch und ist überfahrbar. Angesichts des nötigen Lastausgleichs zwischen dem wetterbedingt ständig schwankenden Solarertrag und der anderer Wärmeerzeuger, aber auch wegen des unstetigen Wärmeverbrauchs im Fernwärmenetz kommt ein druckloser Wärmespeicher zum Einsatz. Er wird vor Ort gefertigt und als weit über 20 Meter hoher Baukörper fortan die Skyline der Gegend verändern. Der Speicher erhält eine Farbgebung, die sich in die Landschaft einfügt, und wird an seiner Südfassade mit PV-Modulen ausgestattet.
Die Gesamtanlage besteht also aus der Solarwärmeanlage selbst samt Wärmeübergabestation für die Anbindung an die bestehende Fernwärmetrasse direkt neben dem Solarfeld plus Wärmespeicher, Systemintegration beim Kesselhaus und PV-Integration.

150 MWh Leistung an Sommertagen
Die Temperaturen für Vor- und Rücklauf liegen ganzjährig bei (Vorlauf 90, Rücklauf 60 Grad Celsius). In Zukunft ist eine Absenkung der Systemtemperatur um 10 Kelvin geplant, die zu einer automatischen Erhöhung der Solarerträge führen wird. Die maximale Leistungsaufnahme des Fernwärmenetzes beträgt aktuell 10 MW, im Sommer ist eine Energieaufnahme von maximal 150 MWh am Tag möglich. Eigenverschattung der Kollektorreihen und Verluste der Rohrleitung im Solarfeld sind darin bereits in die Wärmeproduktion einkalkuliert.
Die Kollektoren bestehen aus einem selbsttragenden, verzinkten Stahlrahmen, geformten Verbundecken und verzinkten Stahlblechen auf der Rückseite. Die gesamte Einheit wird durch Kleben zusammengebaut und gewährleistet die vollständige Wasserdichtheit der Kollektoren. Für die Belüftung sorgen Gummistopfen, die ein geschütztes „Atmen“ des Kollektorgehäuses erlauben. Als Unterkonstruktion werden Rammprofile verwendet. Die Kollektoren werden anschließend auf den Profilen als Unterkonstruktion befestigt.
Torsten Lütten
Der Autor
Torsten Lütten ist Leiter Vertrieb und Geschäftsentwicklung bei der Savosolar GmbH als Teil der Meriaura Energy.