Weiterbildung nicht für die Tonne – Müllverbrennungsanlage setzt auf Nachwuchsförderungsprogramm

Neues Personal für Recycling und Abfallentsorgung zu finden, erweist sich als schwierig – aus dieser Not macht die Gemeinschafts-Müll-Verbrennungsanlage Niederrhein eine Tugend: Sie setzt auf ein Nachwuchsförderungsprogramm. Geschäftsführerin Michaela Schröder stellt das Konzept vor. 

Bei der Gemeinschafts-Müll-Verbrennungsanlage Niederrhein setzt man auf die Bindung der Mitarbeitenden und ein Nachwuchsförderungsprogramm. Foto: GMVA Niederrhein

Als mit dem Aufkommen der grünen Bewegung in den 1970er- und 1980er-Jahren das Wort Recycling in aller Munde war, erlebte die Abfallbranche einen großen Zustrom. Mit den wachsenden Müllmengen wuchs auch die Bedeutung der thermischen Abfallbehandlung. Ob für Hochschulabsolvierende oder Auszubildende  die Branche bot attraktive und zukunftssichere Jobaussichten.

Viele von denen, die in diesen Jahren bei der Gemeinschafts-Müll-Verbrennungsanlage Niederrhein (GMVA) die Arbeit aufgenommen haben, arbeiten dort auch heute noch. Eine große Fluktuation gab es nicht, die langjährig Beschäftigten sahen aufgrund des guten Betriebsklimas selten die Notwendigkeit, den Arbeitgeber zu wechseln.

Viele von ihnen stehen nun kurz vor dem Renteneintritt. Die Geschäftsleitung sah frühzeitig, dass die Belegschaft überaltert ist. Die unteren Jahrgänge fehlten, und es gab keinen demografischen Mittelbau mehr. Der Bedarf an Nachwuchskräften ist groß.

Langfristige Bindung von Mitarbeitern ist entscheidend

Gerade im technischen Bereich einer Müllverbrennungsanlage ist die langfristige Bindung von Mitarbeitern von entscheidender Bedeutung für den Fortbestand des Unternehmens. Nur selten gelingt es, fertig ausgebildete Kraftwerker oder Kraftwerksmeister als Arbeitnehmer zu gewinnen. Vielmehr sind die Anlagen gefordert, ihre Produktionsmitarbeiter selbst über Monate und Jahre hinweg aus- und weiterzubilden.

Das gab den Ausschlag, dass wir vor zwei Jahren im Rahmen eines Changemanagementprozesses ein Nachwuchsförderungsprogramm entwickelt haben. Es läuft seit einem Jahr, und die Resonanz unter den Mitarbeitenden ist gut. Dabei ist für uns wichtig, nicht nur junge Talente zu fördern. Die Talententwicklung und die Zukunftsfähigkeit einer Unternehmenskultur können nur gelingen, wenn alle Generationen einbezogen werden, so dass sie sich mit ihren jeweiligen Stärken einbringen können.


Partnerschaft

Bis 2001 war die GMVA vollständig in öffentlicher Hand. Seitdem wird die Anlage in Form einer öffentlich-privaten Partnerschaft betrieben. Beteiligt sind die Stadt Oberhausen über den Gesellschafter STOAG, die Stadt Duisburg über den Gesellschafter Wirtschaftsbetriebe Duisburg AöR sowie das Kreislaufwirtschaftsunternehmen Remondis.


Es geht darum, das Unternehmen zukunftsfähig aufzustellen, das vorhandene Fachwissen zu nutzen und Talente für sich zu begeistern. Dabei spielen neben dem generellen Anstoß zur Veränderung der Unternehmens- und Führungskultur auch die Ausrichtung des Leitbildes, die Zusatzleistungen des Unternehmens wie flexible Arbeitszeit- und Arbeitsortwahl, die Weiterentwicklung der Mitarbeiter sowie das interne und externe Image eine entscheidende Rolle.

Weiterbildung mit dem Nachwuchsförderungsprogramm

Sieben Mitarbeitende sind in der ersten Runde dabei, sie werden dabei von langjährigen Vorgesetzten betreut. André Pazuk zum Beispiel: Seit seiner Ausbildung ist er im Unternehmen und heute als Bereichsleiter Instandsetzung als einer von zwei Coaches für das Nachwuchsförderungsprogramm mitverantwortlich. Er ist davon überzeugt, dass dies der richtige Weg ist, Kollegen, die ohnehin schon im Unternehmen verankert sind, für Fortbildung zu motivieren und ihnen berufliche Perspektiven anzubieten, mit denen sie nicht gerechnet haben.

Einer der Teilnehmer ist der 26-jährige Joel Zganniatz. Der gelernte Elektroniker für Betriebstechnik hatte schon nach seiner verkürzten Ausbildung ehrgeizige Ziele im Hinblick auf seine Karriere. Die GMVA unterstützte ihn dabei: So stellte das Unternehmen den jungen Oberhausener für ein halbes Jahr frei und übernahm einen Teil der Kosten für den Meisterlehrgang in Düsseldorf. 2022 legte er die Industriemeisterprüfung ab und ist seit März 2024 bereits Werkstattleiter, nachdem sein früherer Chef ihn als Nachfolger vorgeschlagen und schließlich den Staffelstab übergeben hatte, um in Rente zu gehen. 

Die Ziele unseres Nachwuchsförderungsprogramms sind:

  • Junge Talente frühzeitig identifizieren und fördern,
  • Nachwuchs, Führungs- und Fachkräften bis zum Freiwerden einer entsprechenden Position eine spannende Alternative bieten,
  • jungen Mitarbeitern einen Anreiz geben, sich mit dem Unternehmen zu identifizieren und sich an das Unternehmen zu binden,
  • das Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber für Fachkräfte positionieren,
  • neue Impulse ins Unternehmen holen.
Der Umgang mit Abfall ergibt sich ebenso wenig von allein wie die Gewinnung von Fachkräften: Hier gilt es, gezielt und strukturiert vorzugehen, das ist die Überzeugung in der GMVA Niederrhein. Foto: Adobe Stock/studiostoks

Bei der GMVA haben wir einen „Rucksack“ aus verschiedenen Bestandteilen geschnürt, basierend auf verschiedenen Projekten: Dazu gehören das Erlernen von Projektmanagement durch Learning by Doing ebenso wie personen- und fachbezogene Weiterbildung mit Zertifikat. Über den Kontakt mit Start-ups werden zudem Außenimpulse und konkrete Angebote zur Weiterentwicklung ins Unternehmen geholt. Das Programm sieht darüber hinaus einen Austausch mit anderen TAB-Anlagen vor. Netzwerken von Anfang an ist hier das entscheidende Stichwort.                          

Michaela Schröder


Die Autorin

Michaela Schröder ist Geschäftsführerin der Gemeinschafts-Müll-Verbrennungsanlage Niederrhein (GMVA).


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