Mögliche Lösungen für den Fachkräftemangel

Um den demografischen Wandel und den damit verbundenen Fachkräftemangel aufzufangen, braucht es in den Unternehmen und Verwaltungen mehr Ältere, Frauen und Zuwandernde. Das betont das Demographie Netzwerk (ddn).

Viele ältere Mitarbeitende aus der Generation der Babyboomer gehen bald in Rente. Das sorgt für fehlende Fachkräfte. Foto: Adobe Stock/contrastwerkstatt

Dieses Jahr feiert der mit knapp 1,4 Millionen Babys geburtenstärkste Jahrgang seinen 60sten Geburtstag. Das führe laut Martina Schmeink, Geschäftsführerin von Das Demographie Netzwerk e.V. (ddn), die Gefahren des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels erneut und klarer denn je vor Augen: „Der Fachkräftemangel blockiert die Wirtschaft – Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand stehen auf dem Spiel.“

Den Kampf gegen den Fachkräftemangel würden drei Gruppen entscheiden: Ältere, Frauen und Zuwandernde. „Bei allen drei Gruppen stehen wir jedoch aktuell an einem kritischen Punkt“, so Schmeink. Neben dem baldigen Renteneintritt der Boomer seien es bei den Frauen diverse Gender Gaps und bei den Zuwandernden die Anti-Migrationsstimmung. Darauf brauche es schnelle und konsequente Antworten. Gleichzeitig dürften sich diese Zielgruppen nicht als Reserve oder Notlösung fühlen.

Zielgruppe Ältere

Nicht nur die Babyboomer besetzen das Rententhema. Eine ddn-Studie vom Oktober 2023 zeigt, dass eine deutliche Mehrheit aller Erwerbstätigen sich eine frühere Rente ab spätestens 63 Jahren wünscht. Dieselbe Studie ergab aber auch, dass ältere Menschen dann bereit sind, länger zu arbeiten, wenn die Bedingungen stimmen: Wenn sie etwa eine flexiblere Gestaltung von Arbeitszeiten und Arbeitspensum, mehr Qualifizierung – und auch mehr Wertschätzung erhalten. Wenn Arbeitgeber diesen Wünschen verstärkt nachkommen, lasse sich der drohende Kipppunkt aufhalten, und Ältere blieben länger an Bord. Davon ist Expertin Schmeink überzeugt.

Sie verweist zudem auf Vorschläge der Fachautorin Margaret Heckel, die auch Jurymitglied für den Deutschen Demografie Preis ist. „Wenn Arbeitgeber den Älteren zum Renteneintritt erlauben, Luft zu holen, ein paar Wochen oder Monate Pause einzulegen, kommen sehr viele danach wieder zurück und bleiben“, ist Heckel sich sicher. „Insbesondere, wenn sie zudem den Fokus ändern, etwas Neues lernen, die Stelle wechseln, autonomer und flexibler arbeiten dürfen.“

Zielgruppe Frauen

Relevant ist außerdem der hohe Teilzeitanteil. Laut Destatis arbeitet immer noch knapp jede zweite Frau in Teilzeit. Das liegt nicht zuletzt am Gender Care Gap: Nach aktuellen Angaben des Bundesfamilienministeriums wenden Frauen pro Tag im Durchschnitt 44,3 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit, Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, Hausarbeit und Ehrenamt auf als Männer. Nun kommt der massive Fachkräftemangel in Kitas und Schulen hinzu. „Das wird die Teilzeitquote der Frauen verstetigen, vielleicht noch weiter steigern“, fürchtet Schmeink.

Neben dem Gender Care Gap bleibt auch der Gender Pay Gap deutlich: Unbereinigt verdienen Frauen immer noch durchschnittlich 18 Prozent pro Stunde weniger als Männer. Und nicht zuletzt waren laut Destatis nur 28,9 Prozent der Führungspositionen von Frauen besetzt. Im Vergleich zu den anderen EU-Mitgliedstaaten lag Deutschland damit im unteren Drittel. „Die Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit von Frauen ist wesentlich, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen“, betont Schmeink. „Um das zu erreichen, müssen wir Rollenbilder und betriebliche Strukturen weiter aufbrechen: durch mehr familien- und väterfreundliche Strukturen, innovative betriebliche Kinderbetreuung, faire Löhne und gute Karrierechancen.“

Zielgruppe Zuwandernde

Außerdem brauche es deutlich mehr Zuwanderung. „Eine Netto-Zuwanderung von mindestens 400.000 bis 500.000 Fach- und Arbeitskräften pro Jahr ist unabdingbar“, sagt Schmeink. Zugleich aber wachsen Rassismus und Antisemitismus, wendet sich die Stimmung nach rechts und gegen Migration. „Das wird immer mehr Menschen abhalten zuzuwandern oder hier lebende Migranten dazu bringen, wieder abzuwandern – auch hier droht ein Kipppunkt und damit eine Situation, die wir uns menschlich wie wirtschaftlich nicht leisten sollten“, so die Expertin.

Konzepte gäbe es auch hier genug: das Fachkräfteeinwanderungsgesetz weiter vereinfachen, den Job-Turbo der Bundesarbeitsagentur für Geflüchtete intensiver nutzen, vor allem aber eine echte Willkommenskultur aufbauen. „Menschen wandern zu, wenn sie sich geschätzt fühlen, Freunde finden, Unterstützung und Chancen sehen. Wirtschaft und Zivilgesellschaft haben begonnen, sich pro Zuwanderung zu positionieren. Diese Haltung muss sich weiter vervielfachen und gelebt werden.“

red.