Nachhaltiges Bauen: Die Projektsteuerung ist entscheidend

Der Bausektor ist erst spät in den Nachhaltigkeitsfokus gekommen, entsprechend groß ist der Nachholbedarf. Wie geht es voran? Was können Kommunen tun, um die Herausforderungen zu meistern? Heike Bals ordnet aus Verbandssicht ein – und stellt die Projektsteuerung ins Zentrum nachhaltigen Bauens.

Nachhaltiges Bauen
Nachhaltiges Baumaterial plus Fassadenbegrünung und Nutzung regenerativer Energien können die Ergebnisse von Nachhaltigkeitskonzepten sein: Für die Projektsteuerung ist entscheidend, die einzelnen Elemente von Anfang an umfassend zu denken. Foto: Adobe Stock/Martin Bergsma

Der kommunale Sektor ist in Bewegung: Beim nachhaltigen Bauen und Sanieren gehen viele Kommunen voran und das mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen, Erfahrungen und Geschwindigkeiten. Aus Sicht des Projektmanagements in der Bau- und Immobilienwirtschaft zeigt sich ein gemischtes Bild.
Wo eine professionelle Projektorganisation oder externe Projektsteuerung vorhanden ist, wird Nachhaltigkeit zunehmend als integrierte Managementaufgabe verstanden. Vor allem größere Städte können auf interne Bauherrenorganisationen und strukturierte Entscheidungsprozesse zurückgreifen.

In kleineren Kommunen hingegen fehlen teilweise methodische Grundlagen, personelle Kapazität oder Erfahrung, um komplexe Maßnahmen wirkungsvoll zu steuern. Viele Kommunen haben inzwischen Nachhaltigkeitsziele grundsätzlich definiert und entsprechende Konzepte erarbeitet. Das Engagement in diesem Bereich hat in den letzten Jahren spürbar zugenommen. Wesentliche Themen sind dabei Klimaschutz und Energieeffizienz, nachhaltige Mobilität, Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft.

Nachhaltiges Bauen: Die Bedeutung der Infrastruktur

In der Bauwirtschaft zeigt sich ein unterschiedlich starkes Engagement in den verschiedenen Sparten. Im Hochbau werden Nachhaltigkeitsziele zunehmend konkretisiert und mit etablierten Nachweis- und Zertifizierungssystemen verknüpft. In Projekten der technischen Infrastruktur sind solche Zielsetzungen noch deutlich seltener.

Gerade im kommunalen Bereich ist Infrastruktur essenziell für das gesellschaftliche, wirtschaftliche und ökologische Zusammenleben. Während in der Vergangenheit häufig der Ausbau im Vordergrund stand, liegt der Fokus heute zunehmend auf Erhalt und nachhaltiger Entwicklung. Dafür braucht es eine integrierte Betrachtung aller relevanten Aspekte über den gesamten Projektverlauf hinweg. Impulse gibt hier zum Beispiel eine Broschüre der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau: „Nachhaltigkeit in der kommunalen Infrastruktur“.

Fortschritte im Baubereich

In der Praxis zeigt sich, dass einige Projekte an unklaren Zielen, nicht ausreichender Koordination oder fehlender Integration von Nachhaltigkeit in die Steuerung scheitern. Gleichzeitig gibt es positive Entwicklungen. Generell werden immer mehr kommunale Bauprojekte unter anderem mit Unterstützung professioneller Projektsteuerung realisiert und können so Qualität, Termine und Kosten im Griff behalten. Nachhaltigkeitsaspekte fließen vermehrt und auch früher in die Planung ein, etwa über Bewertungssysteme wie BNB oder DGNB oder durch Workshops, die ökologische Ziele frühzeitig klären.

Trotz der Fortschritte bleiben Herausforderungen bestehen. Häufig sind Nachhaltigkeitsziele zu allgemein formuliert und werden nicht konkretisiert. Die Vielzahl an rechtlichen Vorgaben, Förderbedingungen und technischen Standards erfordert fundiertes Projektmanagement.

Finanzielle Hürden

Besonders kleinere Kommunen können hier an ihre Grenzen stoßen. Hinzu kommen strukturelle Hindernisse: Ambitionierte Nachhaltigkeitsziele führen tendenziell zu höheren Investitionskosten, die sich erst im Laufe des Lebenszyklus amortisieren. Das steht im Spannungsverhältnis zu den Haushaltslagen vieler Kommunen – fehlende Mittel oder enge Budgetvorgaben erschweren es, eine langfristige wirtschaftliche Perspektive einzunehmen. Auch werden Investitionen und Betriebskosten noch zu selten im Sinne einer Lebenszyklusperspektive – etwa unter dem Aspekt Total Cost of Ownership (TCO) – zusammengeführt.

Was Projektsteuerer leisten können

Vor allem hilft der frühzeitige Einsatz erfahrener Projektsteuerer. Sie sorgen dafür, dass Nachhaltigkeitsziele in jeder Phase berücksichtigt werden. Aus Sicht des Projektmanagements ist Nachhaltigkeit keine Ergänzung, sondern Bestandteil der Steuerungsaufgabe. So beschreibt das AHO-Heft Nr. 9 in seiner Neuauflage Nachhaltigkeit als integralen Bestandteil der Grundleistungen im Projektmanagement. Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) definiert Nachhaltigkeit im Bauwesen als integratives Konzept, das ökologische, ökonomische und soziokulturelle Aspekte gleichwertig berücksichtigt.

Es geht nicht nur darum, nachhaltige Maßnahmen zu benennen. Es geht auch darum, sie über den gesamten Projektverlauf hinweg konkret, überprüfbar und steuerbar zu machen. Das erfordert bereits in der Projektvorbereitung klare Zieldefinitionen, strukturierte Abstimmungsprozesse und die Einbindung aller relevanten Fachdisziplinen. Nicht nur kommunale Projekte profitieren davon, wenn die Ziele frühzeitig geklärt, konkret formuliert und durchgängig verfolgt werden. Nachhaltigkeitskriterien sollten in Zielvereinbarungen, Planeraufträgen und Vergabeverfahren verbindlich festgelegt sein.

Kooperieren und kommunizieren

Zusammenarbeit ist dabei entscheidend. Nachhaltige Lösungen entstehen im Zusammenspiel verschiedener Disziplinen und Beteiligter: Architektur, Technik, Umweltplanung, Nutzervertretung, Bauherr und Projektsteuerung müssen eng kooperieren. Auch die frühzeitige Einbindung der späteren Nutzer sowie eine offene Kommunikation mit der Bürgerschaft stärken die Akzeptanz. Digitale Werkzeuge wie BIM, Nachhaltigkeitsmonitoring oder Gebäudedatenbanken bieten zusätzliche Hilfen für fundierte Entscheidungen.

Heike Bals


Die Autorin

Dipl.-Ing. Heike Bals ist Mitglied des Vorstands im Deutschen Verband für Projektmanagement in der Bau- und Immobilienwirtschaft (DVP) e.V.


Zum Weiterlesen

Der Deutsche Verband für Projektmanagement in der Bau- und Immobilienwirtschaft (DVP) begleitet die Professionalisierung des Projektmanagements mit fachlichen Standards, Positionpapieren und einem breiten Weiterbildungsangebot.

Die Bayerische Ingenieurekammer-Bau hat die Broschüre „Nachhaltigkeit in der kommunalen Infrastruktur“ veröffentlicht.

Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) definiert Nachhaltigkeit im Bauwesen als integratives Konzept, das ökologische, ökonomische und soziokulturelle Aspekte gleichwertig
berücksichtigt.

Mehr zum Thema

Nachhaltiges Bauen

Jetzt die Weichen für nachhaltiges Bauen stellen

(Neu-)Bau soll nachhaltig sein: Bei dieser Herausforderung zieht die Bauwirtschaft mit. Wie aber kann und soll nachhaltiges Bauen konkret aussehen? …
Potenzial für nachhaltiges Bauen

Potenzial für nachhaltiges Bauen nutzen und fördern

Hoher Ressourcenverbrauch und hoher CO2-Ausstoß sollen der Vergangenheit angehören, Bauen soll nachhaltig(er) werden. Das heißt aber auch: komplexer und herausfordernder …
Beton; Zement; Bau

Nachhaltiges Bauen: Bauschutt ist eine Herausforderung

Lange Zeit war der Baubereich kaum im Nachhaltigkeitsfokus, das ändert sich aber: Mehr und mehr kommen der enorme Ressourcenverbrauch und …