Hoher Ressourcenverbrauch und hoher CO2-Ausstoß sollen der Vergangenheit angehören, Bauen soll nachhaltig(er) werden. Das heißt aber auch: komplexer und herausfordernder. In den Kommunen sieht die Bundesarchitektenkammer hier noch viel Luft nach oben und empfiehlt, sich Unterstützung zu holen.

Cradle to Cradle, Urban Mining, alternative Baustoffe und die Wiederbelebung von Bestandsbauten: Diese Konzepte bieten enormes Potenzial für nachhaltiges Bauen. In der kommunalen Praxis sind sie oft aber noch nicht ausreichend verankert. Und nicht nur dort: Bis auf wenige Ausnahmen ist das nachhaltige, auch auf Kreislaufwirtschaft ausgerichtete Bauen mehr Theorie als Praxis.
Kommunales Bauen als Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit
Viele dieser Ansätze setzen ein tiefgreifendes Umdenken und Umstrukturieren voraus. Zahlreiche Stakeholder sind involviert, und es gibt durchaus Zielkonflikte. Der Fokus liegt in den meisten Kommunen häufig noch auf kurzfristigen Kosteneinsparungen statt auf langfristigen ökologischen und ökonomischen Vorteilen. Es braucht mehr Mut zur Innovation, Unterstützung und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen. Kommunales Bauen hat die Chance, echter Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit zu werden wenn diese Konzepte stärker berücksichtigt werden.
Einige Kommunen sind auch schon auf dem richtigen Weg. Sie beginnen, sich intensiver mit dem Thema auseinanderzusetzen. Der Druck steigt, die Klimaziele sowie gesetzliche Vorgaben zu erreichen und der Erwartungshaltung der Öffentlichkeit zu entsprechen.
Es gibt positive Beispiele, die zeigen, dass nachhaltiges Bauen auch auf kommunaler Ebene machbar ist und in der Bevölkerung auf große Akzeptanz stößt. Entscheidend ist, dass die Sensibilität für das Thema wächst und sich der Trend in Richtung nachhaltiger Bauweisen weiter verstärkt.
Höhere Anfangsinvestition und dann?
Als zentrales Hindernis wird immer wieder die Finanzierung genannt. Nachhaltiges Bauen erfordert oft höhere Anfangsinvestitionen die sich aber langfristig auszahlen. Zudem fehlt es häufig an Know-how und personellen Kapazitäten in den Verwaltungen, um komplexe Nachhaltigkeitskonzepte wie Zertifizierungssysteme, die Wiederverwendung gebrauchter Bauteile oder Energieeffizienzkonzepte in der Planung umzusetzen.
Die Vergabepraxis ist ebenfalls ein Problem, da sie oft eher auf den günstigsten Preis als auf ökologische Kriterien abzielt. Schließlich stehen rechtliche Rahmenbedingungen und starre Bauvorschriften einem flexiblen, innovativen Bauen entgegen.
Orientierung im komplexen Umfeld
Das Bundesregister Nachhaltigkeit von Bundesarchitektenkammer und Bundesingenieurkammer will genau hier Abhilfe schaffen. Die neue Plattform wird 2025 starten und öffentlichen Bauherren die Möglichkeit bieten, die passenden Nachhaltigkeitskoordinatorinnen und -koordinatoren zu finden. Diese von Kammern zertifizierten Experten begleiten Bauvorhaben in jeder Projektphase.
Kommunale Auftraggeber können enorm von unabhängiger Beratung profitieren und erhalten eine klare Orientierungshilfe. Denn angesichts der Vielzahl an technischen und baulichen Lösungen, Nachhaltigkeitsstandards und Förderprogrammen kann es schwierig sein, den Überblick zu behalten und die beste Lösung für ein Bauprojekt zu finden.
Nachhaltige Unterstützung
Im Bundesregister finden kommunale Bauherren ab 2025 umfassende Expertise zu nachhaltigem Bauen für alle Projektphasen und alle Bauaufgaben. Nachhaltigkeitskoordinatorinnen und -koordinatoren beraten unabhängig und individuell:
www.bundesregister-nachhaltigkeit.de
Eine entscheidende Stellschraube ist die Förderung und Finanzierung von nachhaltigen Projekten. Förderprogramme werden in Zukunft noch stärker darauf zugeschnitten sein und Anreize schaffen, um höhere Anfangsinvestitionen zu kompensieren. Nachhaltigkeitskoordinatoren bieten hierzu unabhängige und systemübergreifende Beratung. Durch die Begleitung eines Projekts von Anfang an lassen sich Zeit und Kosten einsparen, und es wird die bestmögliche Umsetzung der nachhaltigen Ziele sichergestellt.
Worauf Kommunen achten sollten
Kommunale Akteure sollten das Potenzial für nachhaltiges Bauen als integralen Bestandteil ihrer Bauprojekte sehen und bereits in der frühen Planungsphase berücksichtigen. Sie sollten darauf achten, dass Ausschreibungen nicht nur auf den günstigsten Preis abzielen, sondern auch ökologische und soziale Kriterien mit einbeziehen. Besonders die Sanierung von Bestandsgebäuden müsste noch gezielter gefördert werden.
Auch Schulungen und Weiterbildung für kommunale Planer und Entscheider können dazu beitragen, das notwendige Wissen und die Kompetenz im nachhaltigen Bauen in den kommunalen Verwaltungen zu fördern. Zusätzlich sollten rechtliche Rahmenbedingungen so angepasst werden, dass sie innovativen Bauansätzen mehr Spielraum lassen.

Einige Kommunen sind beim nachhaltigen und innovativen Bauen bereits starke Vorbilder. Das Rathaus Korbach ist ein herausragendes Beispiel für ressourcenschonendes Bauen. Oder die Wohnanlage der Stadt und Land-Wohnbauten-Gesellschaft mbH in Berlin-Britz, die Potenziale des klima- und kreislaufgerechten sowie ressourcenoptimierten Bauens im öffentlichen Mietwohnungsbau heben will. In Alt-Britz werden auf einem Grundstück zwei in Grundrissen, Kubatur und Geschossigkeit gleiche Gebäude in Holz-Lehm- und in Ziegel-Holz-Bauweise geplant, realisiert und in den ersten Jahren des Betriebs wissenschaftlich begleitet sowie ausgewertet. Das Projekt hat das Ziel des einfachen, robusten Bauens und strebt an, über den Einsatz klimasteuernder Baustoffe und über einen klimaangepassten Entwurf den Einsatz von Gebäudetechnik zu reduzieren sowie auf Klima- und Lüftungstechnik zu verzichten.
Auch der Stadtteil Vauban in Freiburg zeigt, wie nachhaltige Stadtentwicklung im größeren Maßstab umgesetzt werden kann. Ein weiteres Vorzeigebeispiel ist die Sanierung der Nordstadt in Karlsruhe, wo der Fokus auf der Wiederverwendung von Baumaterialien und der energieeffizienten Sanierung von Bestandsgebäuden lag. Viel Inspiration für keinen leichten, aber sehr lohnenden Weg.
Die Autorin
Cathrin Urbanek leitet die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesarchitektenkammer.
Cathrin Urbanek