Jetzt die Weichen für nachhaltiges Bauen stellen

(Neu-)Bau soll nachhaltig sein: Bei dieser Herausforderung zieht die Bauwirtschaft mit. Wie aber kann und soll nachhaltiges Bauen konkret aussehen? Reicht die aktuelle Gesetzgebung aus? Und: Wie sollten Kommunen agieren? Antworten und Einschätzungen aus dem Hauptverband der Bauindustrie.

Nachhaltiges Bauen
Wie kann nachhaltiges Bauen und Sanieren besser gelingen? Von starren Vorgaben rät der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie ab: Zielwerte seien die bessere Variante – vor Ort sollten die Akteure gemeinsam entscheiden, wie sie diese Zielwerte am besten erreichen können. Foto: Adobe Stock/New Africa

Die Rechtslage ist eindeutig: Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Klimabeschluss klargestellt, dass die öffentliche Hand verpflichtet ist, den Ausstoß von Treibhausgasen drastisch zu reduzieren. Das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) konkretisiert dies und bestimmt einen Reduktionspfad, der gegenwärtig verfehlt wird.

Es verpflichtet sämtliche Träger öffentlicher Aufgaben, bei allen Planungen und Entscheidungen die Auswirkungen auf den Klimaschutz zu berücksichtigen. Daraus ergeben sich wichtige Aufgaben für die Baubranche und den Gesetzgeber: Nachhaltiges Bauen und Sanieren von Wohngebäuden sind mittlerweile mehr als nur Schlagwörter. 

Die gesetzgeberischen Rahmenbedingungen, wie das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und die EU-Vorgaben zur Energieeffizienz, haben schon zu einer verbesserten Wärmedämmung, effizienteren Heizsystemen und der verstärkten Nutzung erneuerbarer Energien geführt. Förderprogramme wie die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) unterstützen Hausbesitzer und Bauherren bei der Umsetzung nachhaltiger Bauprojekte.

Auch technologische Innovationen, etwa smarte Energiemanagementsysteme oder die Nutzung von CO2-neutralen Baumaterialien, haben das Potenzial, den Energieverbrauch von Gebäuden im gesamten Lebenszyklus weiter zu reduzieren. Zudem ist das Bewusstsein für nachhaltiges Bauen sowohl in der Bauwirtschaft als auch in der Gesellschaft gestiegen. Immer mehr Bauherren setzen auf nachhaltige und zukunftsorientierte Lösungen wie Passivhäuser, Plusenergie- oder Effizienzhäuser.

Dämmung allein kann es nicht richten

In Bezug auf die Wirtschaftlichkeit eingesetzter Geldmittel lässt sich sagen, dass der Grenznutzen für den eingesetzten Euro spätestens beim Effizienzhaus 55 erreicht ist. Darüber hinaus gehende Energieeffizienz lässt sich besser durch Lieferung erneuerbarer Energie als durch dickere Wärmedämmung erreichen. Denn die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass der vorrangige Fokus auf die Energieeffizienz und damit auf die Gebäudehülle – die Dämmung – kaum mehr zu nennenswerten Einsparungen geführt hat. Im Gegenteil: die Klimabilanz unserer Gebäude stagniert.

Grundsätzlich sollte Klimaschutz jedoch weiter gehen, als allein das Wärme- und Kältemanagement eines Gebäudes zu bewerten. Vielmehr kommt es darauf an, den Dreiklang aus Gebäudehülle, Gebäudetechnik und im Idealfall klimaneutrale Energiequelle zu optimieren. Hierbei gibt es aber keine starre Vorgabe. Das Optimum ist abhängig davon, ob wir über Neubau oder Sanierung sprechen oder über einzelne Gebäudetypen.

Nachhaltiges Bauen
Für Nachhaltigkeit im Baubereich sollte aus Verbandssicht ein Dreiklang im Fokus sein: Gebäudehülle, Gebäudetechnik und klimaneutrale Energiequellen. Foto: Adobe Stock/ultramansk

Energieeffizienz plus CO2-Reduktion für nachhaltiges Bauen

Vor diesem Hintergrund muss eine neue Bundesregierung auch an das GEG ran. Denn der starke Fokus auf die Energieeffizienz im GEG führt heute dazu, dass wir bauliche Maßnahmen allein an Primär- und Endenergieverbräuchen ausrichten, die über die EH-Standards definiert werden. Klimaschutz im Gebäudebereich ist aber mehr und muss auch Emissionsreduktion und Ressourcenschonung in den Blick nehmen.

Deswegen ist es aus unserer Sicht wichtig, neben der Energieeffizienz den CO2-Fußabdruck über den gesamten Lebenszyklus in den Blick zu nehmen. Erst wenn beide Ziele – Energieeffizienz und CO2-Reduktion – im Gleichklang sind, kann sowohl der soziale Aspekt der bezahlbaren Nebenkosten im Gebäude als auch eine maximale Treibhausgasreduktion zur Erreichung der Klimaziele gelingen.

Bautechnische Lösungen für diese Herausforderungen gibt es wie Sand am Meer. Gerade deshalb sollte das GEG auch in dieser Hinsicht weiterentwickelt werden.

Zielwerte statt starre Einzellösungen

Der Rückblick auf die vergangenen Jahre zeigt, wie müßig die Diskussion war, ob Gebäude im EH55 oder EH40-Standard gebaut werden sollen. Während bauphysikalisch längst klar war, dass der Grenznutzen je eingesetztem Euro für die Energieeffizienz bei EH55 erreicht war, wurde EH40 als Monstranz für den Klimaschutz hochgehalten.

Genau deshalb ist es so wichtig, dass wir wegkommen von starren, im Gesetz vorgegebenen technischen Einzellösungen. Weitaus wirksamer wäre es, Zielwerte vorzugeben, deren Erreichung freigestellt ist. Nur so wird ingenieurstechnisches Know-how aktiviert und der Anreiz gegeben, sich im Wettbewerb mit neuen, innovativen Lösungen zu beweisen. Denn wenn wir Fortschritt wollen, müssen wir Fortschritt anreizen. Dies gelingt aber nicht, indem der Staat der Meinung ist, der bessere Bauunternehmer zu sein, sondern indem wir auf Unternehmertun setzen.

Gerade das Zusammenspiel lokaler, meist mittelständischer Unternehmer mit Kommunalverwaltungen und öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften wäre in diesem Sinne prädestiniert, schnell und unkompliziert vor Ort für pragmatische Lösungen zu sorgen. Dafür braucht es in erster Linie Mut der handelnden Akteure sowie Dialog auf Augenhöhe, um genehmigungstechnisch und bauordnungsrechtliche Voraussetzungen zu schaffen, damit Ideen Realität werden.

Nachhaltiges Bauen – CO2-reduziert und energieeffizient

Nachhaltiges und CO2-reduziertes, energieeffizientes Bauen und Sanieren leisten einen wichtigen Beitrag für das Erreichen der Klimaziele und die langfristige Reduzierung von Energiekosten. Kommunen haben zahlreiche Hebel, um positive Entwicklungen zu fördern – von gezielten Förderprogrammen über bürokratische Erleichterungen bis hin zur Vorbildfunktion durch nachhaltige öffentliche Bauprojekte. Erfolgreiche Best-Practice-Beispiele zeigen, dass ambitionierte Konzepte funktionieren und langfristig ökonomische wie ökologische Vorteile bringen. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um die Weichen für eine nachhaltige Zukunft zu stellen.             

Tim-Oliver Müller


Der Autor

Tim-Oliver Müller ist Hauptgeschäftsführer beim Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V.


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