Nachhaltiges Bauen: Bauschutt ist eine Herausforderung

Beton; Zement; Bau
Eine Grundzutat von Beton ist Zement. Auch hier gilt es, umzudenken. Foto: Adobe Stock/bannafarsai

Lange Zeit war der Baubereich kaum im Nachhaltigkeitsfokus, das ändert sich aber: Mehr und mehr kommen der enorme Ressourcenverbrauch und der CO2-Ausstoß in den Blick. Welche neuen Ansätze können weiterhelfen? Antworten aus der Forschung von Volker Thome, Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP.

Wie steht es aus Forschungssicht um den Bereich Baustoffe?

Volker Thome: Die Anforderungen an Baustoffe werden immer größer. So müssen Hersteller von Bauprodukten auch nachweisen können, wie ein neues Produkt nach dessen Nutzungsphase nachhaltig aufzubereiten ist, um dessen Deponierung zu vermeiden. Derzeit stehen vor allem CO2-arme Baustoffe im Fokus der Forschung. Gerade bei Zementen werden sich in naher Zukunft die Zusammensetzungen der Zementzumahlstoffe drastisch ändern.

Woran liegt das?

Thome: Sobald die Kohlekraftwerke 2030 schließen, fehlen der Zementindustrie rund zwei Millionen Tonnen an Steinkohleflugaschen. Und sobald die Stahlindustrie auf Wasserstoff umsteigt, fehlen weitere acht Millionen Tonnen an Hüttensanden. Gleichzeitig plant die Zementindustrie, den Anteil an Zementzumahlstoffen von derzeit 29 Prozent auf 50 Prozent zu erhöhen. Dies bedeutet, dass jährlich rund 18 Millionen Tonnen an neuen Zementzumahlstoffen benötigt werden.

Welche Möglichkeiten gibt es?

Thome: Als Alternative bieten sich Tone an, die nach einer entsprechenden Aufbereitung als zukünftiger Zementzumahlstoff fungieren können. Am Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP wurde eigens für die Erforschung von tonhaltigen Fraktionen die neue Arbeitsgruppe »Nachhaltige Bindemittel« gegründet: Sie beschäftigt sich mit der Analytik, Aufbereitung und Bewertung von Tonen. Nach Inkrafttreten der neuen Ersatzbaustoffverordnung darf seit 1. August 2023 auch Bodenaushub verwertet werden.

Was bedeutet das?

Thome: Es handelt sich mit rund 125 Millionen Tonnen um einen der größten mineralischen Abfallströme in Deutschland. In ihm stecken riesige Mengen an Tonen, die in Zukunft unter anderem für die Zementherstellung Verwendung finden könnten.

Wie steht es um die Stoffe, die bis jetzt vor allem verwendet werden: Wo liegen die Vorteile von Ziegel, Beton oder Holz — und wo die Nachteile beziehungsweise Herausforderungen?

Thome: Beton ist mit einer jährlichen Produktion zwischen 70 bis 75 Milliarden Tonnen nach Wasser das meistbenutzte Material der Welt und als Bauprodukt nicht mehr wegzudenken. Für die Herstellung von Beton oder anderen silikatischen Baustoffen werden jährlich rund 55 Milliarden Tonnen an Bausand benötigt. Die weltweite Ziegelproduktion liegt hingegen bei rund 1,5 Milliarden Tonnen pro Jahr. Das Bauen mit Holz ist zwar klimaneutraler als Beton, kann aber niemals den weltweiten Bedarf an Baumaterial decken oder gar Beton ersetzen.

Gibt es Engpässe bei Baustoffen?

Thome: Der Bauboom der letzten Jahre hat dazu geführt, dass eine vermeintlich unerschöpfliche Rohstoffquelle wie Bausand plötzlich nicht mehr überall verfügbar ist. In Dubai muss Bausand mittlerweile aus Australien importiert werden. Die zentrale Herausforderung liegt jedoch in der Aufbereitung von Bauschutt mit dem Ziel, daraus wieder hochwertige sekundäre Rohstoffe wie Sand und Kies zu gewinnen. Nur dadurch können die benötigten Mengen an Bausand gedeckt und primäre Ressourcen geschont werden.

Die Aufbereitung von Bauschutt ist das eine — neue Baustoffe sind eine weitere Möglichkeit. Was hat die Bauforschung aktuell im Blick?

Thome: Sie konzentriert sich derzeit auf die Entwicklung von klimaneutraleren Baustoffen. Die Entwicklung und Anwendung von sogenannten CCU/CCS-Verfahren (Carbon Capture Usage/Carbon Capture Storage) adressieren das Abscheiden und die langfristige Speicherung oder Nutzung von CO2. Das vielversprechendste Verfahren ist der- zeit die pyrolytische Kohlenstoffabscheidung und Speicherung (PYCCS).

Worum geht es dabei?

Thome: Bei diesem Verfahren werden organische Abfälle, zum Beispiel Biomasse oder Kunststoffe, mittels eines Pyrolyseverfahrens, das heißt unter Sauerstoffausschluss, thermisch erhitzt. So entstehen je nach Ausgangsmaterial und Verfahren bis zu rund 40 Prozent an Kohlenstoff (sogenannte Pyrokohle). Es handelt sich dabei um ein klimapositives Verfahren. Auf die Frage, wohin mit der so erzeugten Pyrokohle, bietet sich die Baubranche als großvolumiger Massenmarkt an. Hierzu erforscht das Fraunhofer IBP Pyrokohlehaltige Betone.

Wo liegt der Vorteil?

Thome: Der Einbau von einem Teil Pyrokohle in einen Baustoff reduziert dessen CO2-Fußabdruck um insgesamt drei Teile. Durch Verwendung von Pyrokohlen in Baustoffen lassen sich damit zukünftig eventuell klimaneutrale oder gar klimapositive Baustoffe herstellen.

Vieles ist noch Zukunftsmusik — was aber sollten kommunale Akteure jetzt beachten, wenn sie nachhaltig bauen wollen?

Thome: Nachhaltigkeit bedeutet nicht nur, dass man möglichst CO2-arme und recyclebare Produkte verwendet, sondern auch an ressourceneffiziente Produkte und Bauweisen denkt. Es ist technisch möglich, dass man zum Beispiel Bauschutt bei einem Recyclingbetrieb mittels einer Kombination aus geeigneter Sortierung und Nassverfahren so aufbereitet, dass daraus wieder sekundäre Rohstoffe gewonnen werden — und mit ihnen kann man dann hochwertige RC-Bauprodukte herstellen. Das spart nicht nur Ressourcen und verhindert eine Deponierung, sondern vermindert auch Transportkosten. Nur müssen sich Recyclingverfahren auch lohnen, ansonsten landen Bauabfälle weiterhin auf den Deponien oder werden ins Ausland verfrachtet.

Was sollte im Baubereich neu gedacht werden – was empfehlen Sie kommunalen Akteuren?

Thome: Es ist dringend notwendig, dass RC-Produkte, die aus sekundären Rohstoffen hergestellt werden, mehr Akzeptanz in der Bevölkerung finden, ähnlich wie es bereits in der Schweiz oder in den Niederlanden der Fall ist. Die Kommunen können diesen Prozess unterstützen, indem sie zum Beispiel bei der Ausschreibung von öffentlichen Bauvorhaben verpflichtend die Verwendung von einem gewissen Prozentsatz an RC-Produkten fest vorschreiben. Dadurch werden nicht nur Recyclingverfahren gefördert, so entstehen auch Märkte und eine Akzeptanz für nachhaltige RC-Produkte. Zudem sollte man darauf achten, dass nur Produkte mit einer Umweltdeklaration, zum Beispiel einer EPD (Environmental Product Declaration) verwendet werden.

Interview: Sabine Schmidt


Zur Person

Dr. Volker Thome leitet die Abteilung Mineralische Werkstoffe und Baustoffrecycling am Fraunhofer IBP in Holzkirchen.