Digitalisierung ist das Werkzeug – im Zentrum von Mühlhausens Smart-City-Strategie stehen Stadtentwicklung und Anpassung an den Klimawandel, die Stärkung des Standorts und die Steigerung der Lebensqualität. Ein Beispiel dafür, wie die Kombination von Digital und Analog weiterbringen kann.

Unter dem Motto „Gemeinschaft stärken, Freiheit gewinnen“ nahm das Smart-City-Team um Fachdienstleiter Kay Freytag ab Februar 2022 die Arbeit auf. Drei Handlungsfelder wurden für das thüringische Mühlhausen (37.000 Einwohner) identifiziert: Nachhaltigkeit, Smarte Stadt und Mobilität. Ebenso drei Modellquartiere, mit denen die vielseitigen Herausforderungen der Stadtgesellschaft möglichst breitflächig widergespiegelt werden sollten.
Die drei Modellquartiere sind: die Altstadt im Zentrum mit ihrem Reichtum an historischer Gebäudesubstanz, der mittelalterlichen Stadtmauer und der Einkaufsinnenstadt; dazu die Martini-Vorstadt, ein innenstadtnahes, dichtbesiedeltes Wohnquartier mit sozialen Herausforderungen und hohem Entwicklungspotenzial; und Bollstedt, ein eingemeindetes Dorf drei Kilometer östlich von Mühlhausen.
Es braucht variable Lösungsansätze
Die Auswahl drei so unterschiedlich geprägter Stadtgebiete zeigt, wie variabel die Lösungsansätze sein müssen: Wie lassen sich Innenstädte beleben? Wie kommt man zuverlässig vom Dorf in die Stadt? Wie erreicht man soziale Inklusion? In den Modellquartieren konnten vielfältige Lösungen erprobt und dabei ein direkter Mehrwert für die Bewohnerinnen und Bewohner geschaffen werden. Unterstützt wurde die Stadt bei der Bewerbung und Konzepterarbeitung von einem Team der Leipziger Tilia GmbH.
Damit „Smart City“ kein Konzept für die Schublade wird, ist es wichtig, schon zu Beginn der Strategiephase mit Leuchtturmprojekten zu starten. Dabei kristallisierte sich die Eröffnung der Stadt-Werkstatt im Sommer 2023 als entscheidender Schritt heraus: ein zentraler Anlaufpunkt, Austauschort und Projektraum der Stadtverwaltung. Denn eine frühe Bürgerbeteiligung ist bei der Entwicklung zur Smart City unerlässlich. Durch einen zentralen Anlaufort konnte Mühlhausen von vornherein niederschwellig informieren, Bedenken ausräumen und Ängste nehmen.

Mühlhausens Smart-City-Strategie ist viel mehr als „nur“ Digitalisierung
„Smart City“ bedeutet zum Beispiel nicht, dass zwangsläufig alles digitaler wird. Vielmehr geht es um die Frage, wie wir in Zukunft zusammenleben und wie Städte Herausforderungen wie der Klimaerwärmung wirksam begegnen. Eine Smart-City-Strategie ist Teil einer ganzheitlichen Stadtentwicklung, unterstützt sie und gibt ihr ein Fundament natürlich auch mit digitalen Mitteln.
Ein Projekt, das frühzeitig angestoßen wurde, war der Aufbau einer urbanen Datenplattform: der „Mühlhausen-Cube“. Ein Server im Rathaus sammelt seit April 2023 relevante Daten, die in der Stadtverwaltung und in städtischen Betrieben anfallen. So wird Big Data in Smart Data umgewandelt. Durch die Messung der Passantenfrequenz in der Haupteinkaufsstraße erlangt Mühlhausen zudem Daten, die etwa in die Planung von Aktionstagen in der Innenstadt einfließen.
Auch die Bürgerinnen und Bürger profitieren: Das frei zugängliche „Bürgerdashboard“ gibt rund um die Uhr Live-Auskunft über freie Parkplätze in der Innenstadt, die Besucherauslastung im Freibad und in der Thüringentherme, oder es informiert über aktuelle Veranstaltungen.
Eine weitere frühe Maßnahme war der Einsatz von Digitallotsen, die Kompetenzen für digitale Themen vermitteln sollten. Workshopreihen in Mühlhausen und Bollstedt stellten sich gleich auf mehreren Ebenen als Erfolg heraus. Die interessierten Bürgerinnen und Bürger lernten nicht nur, wie man ein Smartphone besser bedient oder sicherer mit sozialen Medien umgeht. Vielmehr entwickelten sie auch mehr Verständnis für das Bedürfnis von Digitalisierungsmaßnahmen. Für eine Smart-City-Initiative ist das ein großer Gewinn.
Auch im Nachhaltigkeitsbereich geht es in Mühlhausen voran. Retentionsmaßnahmen, die den Grundwasserspiegel schonen, oder ein Quartiersgarten als grüne Oase in einem stark versiegelten, stadtnahen Quartier sind dafür aussagekräftige Beispiele.

Schritt für Schritt in die Zukunft
Für eine bessere Mobilität in der Altstadt, die seit dem Rückbau der Straßenbahn in den 1960er-Jahren nicht mehr direkt an den ÖPNV angebunden ist, laufen Untersuchungen für den Einsatz eines autonomen Transportsystems. Ein Digitaler Zwilling – also eine digitale Kopie der Stadtinfrastruktur, mit deren Hilfe stadtplanerische Entscheidungsprozesse verbessert werden können – wurde als 3D-Stadtmodell erstellt und soll perspektivisch erweitert werden.
Um Übersicht und Umsetzbarkeit zu gewährleisten, wurde das Themenfeld Energie im ersten Schritt in Mühlhausen ausgespart. Um das erklärte Ziel, ein klimaneutrales Mühlhausen bis zum Jahr 2035, zu erreichen, folgte im nächsten Schritt die energetische Betrachtung der Modellquartiere. Im Auftrag der Stadt und gemeinsam mit den Stadtwerken, der Wohnungswirtschaft, wesentlichen Akteuren und Bewohnern wurden zukunftsweisende energetische Quartierskonzepte erstellt. Sie benennen Ziele und Umsetzungsstrategien für ein energieeffizientes Mühlhausen.
Die Erfahrungen aus der Smart-City-Initiative in Mühlhausen wurden systematisch auf die energetischen Quartiere übertragen, um eine ganzheitliche und nachhaltige Stadtentwicklung zu gewährleisten.
Mühlhausens Smart-City-Strategie zeigt: Es lohnt sich
Und was bringt das alles? Smarte Kommunen können besser mit Krisen umgehen und proaktiv eine nachhaltige Zukunft gestalten. Für Mühlhausen stellt das einen klaren Wettbewerbsvorteil dar, wenn es um Einwohner und Arbeitskräfte, um den Standort für Unternehmen und die Vergabe weiterer Fördermittel geht.
Mühlhausen zeigt: Nicht nur Hamburg und Leipzig, auch kleine Städte können Smart City! Und: mit wenigen Mitteln lassen sich Mehrwerte für Bewohner erzeugen. Es geht darum, Kommunen dahingehend zu sensibilisieren und so die Angst vor dem Anfangen zu nehmen.
Smart-City-Netzwerke, an denen sich auch Mühlhausen regelmäßig beteiligt, helfen dabei. Entscheidend für Städte gleich welcher Größe ist es, den ersten Schritt zu tun, um die urbane Resilienz langfristig für neue Herausforderungen zu stärken.
Die Autorin
Simone Mindermann ist Senior Managerin bei der Tilia GmbH.
Simone Mindermann