Die Antarktis und Kamerun, Starkregen im Ahrtal oder Dürre in Barcelona: Im Klimahaus Bremerhaven kommt man Klimazonen und Wetterphänomenen sehr nahe. Was sich Kommunen für Klimaschutz und Klimaanpassungsmaßnahmen von dem Ausstellungshaus abschauen können, hat Susanne Nawrath im Blick.

Sie schicken Besucherinnen und Besucher auf eine Klimareise rund um die Welt – was kann man dabei erleben?
Susanne Nawrath: Wir haben eine Reise vorbereitet, die von und nach Bremerhaven einmal rund um die Welt führt: immer entlang des Längengrades 8° Ost 34‘. Man durchwandert vielfältige Klimazonen und trifft unterwegs Menschen, deren Alltag durch das jeweils vorherrschende Klima stark beeinflusst wird. Dazu kommen weitere Ausstellungen wie „World Future Lab“: Der gesamte Ausstellungsbereich ist als ein Spiel konzipiert, dem man sich in der Gruppe oder auch allein widmen kann. Man kann zum Beispiel nachhaltige Produkte herstellen oder eine Südseeinsel vor dem steigenden Meeresspiegel retten.
Wen wollen Sie mit Ihren Ausstellungen erreichen?
Nawrath: Im Prinzip alle – das ist dann auch eine der besonderen Herausforderungen für die Konzeption unserer Ausstellungen. Eine große Gruppe sind diejenigen, die hier in der Küstenregion Urlaub machen. Die zweite große Gruppe sind Schulklassen.
Was ist für Sie zentral bei der Konzeption des Museums und der Ausstellungen?
Nawrath: Das Wetter spielt in einer Küstenstadt wie Bremerhaven eine besonders wichtige Rolle – das war der Ausgangspunkt. Es geht um eine Auseinandersetzung mit Klimaregionen, mit dem, was das Klima für die Menschen jeweils vor Ort bedeutet und wie sie damit umgehen. Als unsere Erlebniswelt 2009 eröffnet wurde, war der Klimawandel bereits ein wichtiges Thema. Damals war allerdings noch nicht klar, wie rasant er sich bald schon mit fatalen Folgen zeigen würde.
Welche Auswirkungen haben die inzwischen deutlich spürbaren Veränderungen auf Ihre Arbeit?
Nawrath: Es geht uns nach wie vor nicht darum, moralisch zu urteilen, und auch nicht darum, eine Katastrophenstimmung heraufzubeschwören. Wir fokussieren uns aber zunehmend auch auf die Themen Klimaschutz und Klimaanpassung. Wir wollen informieren und veranschaulichen, sensibilisieren und Mut machen. In Zukunft soll es im Klimahaus dann auch verstärkt um Maßnahmen gehen, mit denen man dem Klimawandel begegnen kann. Ein Schritt in diese Richtung ist die neue Dauerausstellung „Wetterextreme“.
Worum geht es dabei?
Nawrath: Auch hier geht es um Wissensvermittlung: Wetterextreme hat es immer gegeben – was aber ist jetzt anders, welche Wetterextreme sind dem Klimawandel zuzurechnen? Und auch hier: Was bedeuten Extremwetter vor Ort – wir wollen zeigen, wie die Menschen betroffen sind.
Was gibt es zu sehen?
Nawrath: Wir arbeiten mit einer Mischung aus Video, Bewegung, Sound, Spezialeffekten und Bühnenelementen – und inszenieren die Naturgewalten in 360 Grad. Außerdem kommen Menschen zu Wort, die daran arbeiten, die Folgen von Extremwetter abzumildern. Zum Beispiel im Ahrtal: Unter anderem kommt im Interview eine Psychologin zu Wort. Sie arbeitet mit Menschen, die stark von der Katastrophe betroffen sind, das bewegt unsere Besucher sehr. Oder Barcelona: Wir lassen eine Mitarbeiterin der Stadtverwaltung erklären, was man dort tut, um besser mit Hitze und Trockenheit zurechtzukommen, wie man daran arbeitet, in einer stark verbauten und versiegelten Stadt Grünflächen einzurichten. Oder Bangladesch mit seinem guten Frühwarnsystem für tropische Wirbelstürme: Die Menschen dort sind inzwischen bestens darauf eingeübt.
„Wichtig ist aus unserer Sicht: auf das aufmerksam machen, was man mit Klimaschutz und Klimaanpassung gewinnen kann.“
Susanne Nawrath
So wichtig Klimaschutz und Klimaanpassung sind: Nach wie vor ist es oft schwierig, vor Ort in den Städten und Gemeinden von Klimaanpassungsmaßnahmen zu überzeugen. Wozu raten Sie – wie sollten Städte und Gemeinden vorgehen?
Nawrath: Das Klimahaus Bremerhaven folgt der Grazer Charta der Klimakommunikation vom September 2024: Sie ist auch unsere Empfehlung. Es geht nicht nur darum, über Klimawandel, Klimaschutz und Klimaanpassung zu informieren – es geht auch darum, wie das geschieht. Der Fokus sollte positiv sein: Wir sind nicht hilflos dem Klimawandel ausgeliefert, vielmehr gibt es längst sehr gute Möglichkeiten und Erfahrungen. Wichtig ist aus unserer Sicht: herauszustellen, was man mit Klimaschutz und Klimaanpassung gewinnen kann.
Was heißt das konkret?
Nawrath: Zum Beispiel das Thema Entsiegelung. Urbaner Raum ist allzu oft versiegelt, wir brauchen aber Wasserräume in den Städten und sehr viel mehr Grün. Vor meinem Fenster in der Innenstadt von Bremerhaven wird gerade ein Parkplatz in einen Park umgebaut. Hier kann man mit guten Gründen positiv argumentieren. Es geht um Maßnahmen, die Lebensqualität verbessern – und zusätzlich bei einem Starkregenereignis die Kanalisation entlasten. Noch besser ist es, wenn zugleich der ÖPNV gestärkt wird und Fahrradwege ausgebaut und sicherer werden: Die Luft wird sauberer, es wird leiser, Radfahren tut gut. Dieser positive Akzent gilt auch für den größeren Rahmen, nicht zuletzt, wenn es um Finanzierungsfragen geht.
Woran denken Sie hier – können Sie ein Beispiel nennen?
Nawrath: Man sollte herausstellen, dass man mit Klimaschutz und Klimaanpassung nicht draufzahlen muss, vielmehr kann er sich wirtschaftlich lohnen. Zum Beispiel Heidelberg: Dort werden schon seit Langem Energiesparprojekte über Contracting umgesetzt und dadurch Finanzierungskonflikte vermieden. Darum geht es uns: den Fokus auf die positiven Aspekte und Wirkungen der Maßnahmen zu legen – so kann man die Menschen vor Ort abholen und sie mitnehmen.
Interview: Sabine Schmidt

Ausgezeichnetes Bildungskonzept
Gegründet wurde das Klimahaus Bremerhaven im Jahr 2009. Seitdem haben es mehr als sieben Millionen Gäste besucht – zu einem großen Teil Urlauberinnen und Urlauber. Für die Zusammenarbeit mit Schulen wurde das Klimahaus Bremerhaven im Jahr 2023 ausgezeichnet: „Nationaler Preis – Bildung für nachhaltige Entwicklung“ im UNESCO-Programm „BNE 2030“.