Fassaden- und Dachbegrünungen: Diese positiven Effekte haben sie auf städtische Gebäude

Jetzt im Frühsommer blühen in vielen urbanen Räumen vor allem Stein, Beton und Asphalt, drohen Hitze und Trockenheit. Fassaden- und Dachbegrünungen können helfen – was er sich von den Kommunen erhofft, damit urbaner Raum aufblüht, erläutert BuGG-Verbandschef Gunter Mann.

Fassaden- und Dachbegrünungen
Fassaden- und Dachbegrünungen sind wichtige Elemente bei der Klimaanpassung. Die nachträgliche Begrünung ist oft eine besondere Herausforderung, aber machbar. Foto: Bundesverband GebäudeGrün

Was können Dach- und Fassadenbegrünungen – welchen Unterschied machen sie in urbanen Räumen?

Gunter Mann: Dach- und Fassadenbegrünungen vereinen eine Vielzahl an positiven Wirkungen: beispielsweise Überflutungs- und Hitzevorsorge, Lebensraum für Tiere, Lärmschutz und Schutz der Bausubstanz. In dicht besiedelten Gebieten geht es oft vorrangig um die Minderung der Extremtemperaturen – das ist sowohl durch Dach- als auch durch Fassadenbegrünung zu erreichen.

Wie funktioniert das?

Mann: Das geschieht einerseits durch Verschattung und Schutz der Wand oder des Daches durch den Begrünungsaufbau und die Vegetation. Andererseits geschieht es durch die Verdunstungskühlung der Pflanzen. Je nach vorhandener Bausubstanz und deren Wärmedämmung, Wandfarbe und Exposition haben Gebäudebegrünungen je nach Jahreszeit mehr oder weniger dämmende Wirkungen.

Von welchen Ausmaßen kann man hier sprechen?

Mann: Das kann nicht pauschal benannt werden, muss vielmehr objektbezogen simuliert werden – sowohl auf das Gebäude bezogen, was die Dämmleistung betrifft, als auch auf die Kühlwirkung im Quartier auf die Umgebung bezogen. Hierbei spielen wiederum unter anderem Kaltluftströme, Ausrichtung der Gebäude und Baumbestände eine wichtige Rolle. Wichtig ist, dass nie ein Faktor allein wirkt.

Was tut sich in Ihrem Themenfeld?

Mann: Zum Beispiel gibt es inzwischen Gründachpotenzialkataster, in Nordrhein-Westfalen sogar flächendeckend verfügbar. Doch sind sie meist sehr oberflächlich ausgelegt. Bei näherem Hinschauen und Prüfen verbleiben nur etwa 20 bis 30 Prozent der ursprünglich ausgewiesenen Dächer als wirkliches Potenzial. Doch das ist ja auch schon eine Hausnummer und sollte genutzt werden!

Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen bei Dach- und Fassadenbegrünung?

Mann: Bei der nachträglichen Begrünung von Dächern ist es eindeutig die oft fehlende Statik, die weitere Lasten nicht zulässt – eine statische Ertüchtigung wäre nicht machbar oder zu aufwändig. Hier müssen wir auf leichte Gründachsysteme zurückgreifen und damit in der Regel Kompromisse bei der Artenvielfalt eingehen. Doch immerhin wird auch hierbei die Dachabdichtung geschützt, und der Jahres- sowie der Spitzenniederschlag, der vom Dach fließt, wird um die Hälfte minimiert. Bei der Fassadenbegrünung sind die Hemmnisse Angst vor Beschädigung der Wand, Angst vor „Ungeziefer“ und vor allem fehlender Platz vor dem Gebäude. Damit ist ausreichender Bodenraum für die Wurzelballen von etwa einem Kubikmeter gemeint und ausreichend Platz zu den öffentlichen Gehwegen und Nachbarsflächen.

Wie sieht es aus Verbandssicht aus: Was kann, was sollte jetzt vor Ort in den Kommunen geschehen?

Mann: Das Know-how, geeignete Dach- und Fassadenbegrünungssyteme und längst auch anschauliche Praxisbeispiele sind vorhanden – wir müssen nur loslegen. Der Bundesverband GebäudeGrün hat bald seine Fachinformation „Bestandsgebäudegrün“ fertig: Dort sind unter anderem Checklisten und Steckbriefe zu umgesetzten Objekten veröffentlicht. Wir versuchen auch bei Bedarf, die notwendigen Gewerke – Planung, Energieberatung, Dachdeckerhandwerk, Landschaftsgärtner – zu benennen und zusammenzubringen.

Welche Rolle spielen hier die Kommunen?

Mann: Ihnen kommt tatsächlich eine große Rolle bei der Bestandsgebäudebegrünung zu. Wir erhoffen uns eine engere Zusammenarbeit mit ihnen, unterstützen gerne und bieten auch die kostenlose Teilnahme bei unserem „Städtedialog Gebäudegrün“ an.

Welchen Handlungsbedarf sehen Sie?

Mann: Hier liegt mir gleich einiges am Herzen. Sehr wichtig: die schnelle Bearbeitung von Anfragen. Ebenso die kostenlose Bereitstellung von Daten zur Statik und Verlegeposition von Strom- und Wasserleitungen sowie die reibungslose, schnelle und abteilungsübergreifende Zusammenarbeit. Zielführend wären wohlwollende Prüfungen und Freigaben von Fassadenbegrünungen auch bei schmaleren Gehwegen. Zudem die Bereitstellung von finanziellen Zuschüssen, vor allem für die Begrünungen, aber auch für die statische Prüfung und für die notwendige Ertüchtigung. Und die nachträgliche Begrünung von Fassaden sowie Dächern städtischer Gebäude, die saniert werden, um auch als Anschauungsobjekte für Bürger und Bürgerinnen zu dienen.

Interview: Sabine Schmidt

Dr. Gunter Mann
Foto: Bundesverband GebäudeGrün

Zur Person

Dr. Gunter Mann ist Präsident im Bundesverband GebäudeGrün e.V. (BuGG).


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