Projekt AwaNetz untersucht Abwärme-Potenziale für kommunale Wärmewende

Bei der kommunalen Wärmewende könnte Abwärme aus Rechenzentren, Industrie und Abwasser eine entscheidende Rolle spielen: Hier setzt das neue Projekt AwaNetz an. Warum aber wird Abwärme bisher wenig genutzt? Wie können Kommunen das ändern? Welche Abwärme-Potenziale gibt es? Antworten aus der Projektleitung.

Rechenzentren liefern große Abwärme-Potenziale
Rechenzentren sind stabile Lieferanten von Abwärme, da sie in der Regel ganzjährig konstant laufen. Foto: Adobe Stock/Gorodenkoff

Die Bundesregierung hat mit ihren Vorgaben den Rahmen für das ambitionierte Ziel vorgegeben: Leitungsgebundene Wärme muss bis 2030 zur Hälfte und bis 2045 vollständig CO2-neutral aus erneuerbaren Energien und Abwärme gewonnen werden.

Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz unterstützte Projekt AwaNetz, das am 10. Oktober offiziell an den Start gegangen ist, soll zum Erreichen dieser Ziele beitragen. Es wird unter anderem Initiativen von Städten und Gemeinden unterstützen, das große Potenzial der Abwärme zu erschließen. Dabei geht es vor allem darum, Lösungen für die Integration von Abwärme in die kommunale Wärmeversorgung aufzuzeigen.

Weg von fossilen Brennstoffen

In Deutschland werden immer noch mehr als 75 Prozent der Wärmenetze mit fossilen Brennstoffen versorgt. Mit dem Wärmeplanungsgesetz und dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) der Bundesregierung soll sich das ändern. Bis 2045 soll leitungsgebundene Wärme vollständig klimaneutral aus erneuerbaren Energien und Abwärme stammen. Die entsprechenden Potenziale sind von den Kommunen zu untersuchen. Gleichzeitig verpflichtet das Energieeffizienzgesetz (EnEfG) Rechenzentren und Industrieunternehmen, ihre Abwärmepotenziale zu erfassen und auch in Teilen nutzbar zu machen. Das ist auch dringend nötig: Bisher werden nur ein bis zwei Prozent des Abwärmepotenzials genutzt.


Abwärmenutzung pushen

Das mit Unterstützung des BMWK ins Leben gerufene Projekt AwaNetz soll deutschlandweit die Abwärmenutzung voranbringen. AwaNetz unterstützt Unternehmen, Wärmeversorger und Kommunen dabei, in Abwärmenetzwerken zusammenzuarbeiten und Lösungen zu entwickeln, Hemmnisse zu beseitigen und die Abwärme in die Wärmeversorgung zu integrieren. Das Projekt startete offiziell am 10. Oktober 2024 anlässlich der Bundesabwärmetagung in Berlin.


Mit der Nutzung der wirtschaftlich erschließbaren Abwärme aus Industrie, Rechenzentren und Abwasser ließe sich die Hälfte der deutschen Haushalte mit Wärme versorgen. Damit dies auch klappt, muss es gelingen, die Abwärme qualifiziert in die Kommunale Wärmeplanung zu integrieren.

Knapp 40 Prozent der Kommunen haben bereits mit einer Kommunalen Wärmeplanung begonnen und sind dabei, die Potenziale unterschiedlicher erneuerbarer Energiequellen und der Abwärme den Wärmebedarfsstrukturen gegenüberzustellen.

Wo dies wirtschaftlich erscheint, werden Wärmenetze konzipiert und dann – ob Gebäudenetze nach GEG oder kleine und mittlere Quartiersnetze – mit CO2-neutralen Wärmequellen versorgt. Klar muss zu diesem Zeitpunkt sein, welche Wärmequellen und Abwärmepotenziale für die Netze genutzt werden können.

Abwärme-Potenziale sind immer schon da

Abwärme fällt fast an jeder Maschine, bei nahezu jedem Prozess an. Je nach Quelle variieren Temperatur, Qualität, Aggregatszustand sowie die zeitliche Verfügbarkeit  – und damit auch das wirtschaftlich nutzbare Potenzial. Inzwischen bieten bewährte Technologien Lösungen für nahezu jede Abwärmequelle:

  • Rechenzentren: Mit der Hilfe von Wärmepumpen kann Niedertemperatur-Abwärme (20 bis 30 Grad) aus Rechenzentren effizient als Wärmequelle genutzt werden. Diese Abwärme steht in der Regel ganzjährig stabil zur Verfügung, da Rechenzentren rund um die Uhr in Betrieb sind – ideale Bedingungen für eine konstante Versorgung. Der Zubau von Rechenzentren boomt, und damit steigen auch die Chancen für die Nutzung von Abwärme. 
  • Industrieabwärme: Sie fällt häufig bei Prozessen an, wenn Wärme auf einem bestimmten Temperaturniveau benötigt und dann auf einem niedrigen Temperaturniveau abgeleitet werden muss. In der Lebensmittelindustrie, Pharmazie, Chemie und bei der Herstellung von Baustoffen fallen häufig Abwärmen mit hohem Temperaturniveau an. Das bietet viel Spielraum und erleichtert die Einbindung in große bestehende Wärmenetze, die häufig noch mit Temperaturen über 100 Grad betrieben werden. Anspruchsvoll ist hier die häufig nicht konstante Bereitstellung. Häufig wird die Nutzung industrieller Abwärme noch nicht vertieft betrachtet aus Angst, die Wärme könnte irgendwann nicht mehr zur Verfügung stehen. Mit der Hilfe von Speichertechnologien und technischen Konzepten können die Schwankungen ausgeglichen werden.
  • Abwasser: Auch die Nutzung von Abwasser stellt eine attraktive Möglichkeit dar. Abwasser in städtischen Infrastrukturen, wie Kläranlagen oder Kanalnetzen, ist ein bislang kaum genutztes Potenzial. Mit Temperaturen zwischen zehn und 20 Grad bietet es eine große Chance für eine Wärmeversorgung auf der Grundlage von Wärmepumpen. Für Kommunen ist die Nutzung von Abwasser naheliegend, da Abwasserbetriebe häufig kommunale beziehungsweise Eigenbetriebe sind.

Zentraler Zukunftsfaktor für kommunale Wärmeplanung

Seit diesem Jahr hat der Prozess der kommunalen Wärmeplanung an Dynamik gewonnen: 38 Prozent der Kommunen haben inzwischen damit begonnen, Wärmepläne zu entwickeln. Dennoch herrscht bei der Nutzung von Abwärme, insbesondere aus Industrie und Rechenzentren, nach wie vor Zurückhaltung.

Auf Nachfrage kristallisieren sich dafür zwei Gründe heraus. Zum einen: „Uns fehlen verlässliche Angaben zu den Abwärmepotenzialen.” Hier ist mit der Einführung der Plattform für Abwärme (PfA) beim BAFA ein wichtiger Schritt gemacht worden. Dort speisen Unternehmen Angaben zu ihren Abwärmepotenzialen ein. Die Angaben sind nach Anmeldung auf der Plattform einsehbar. Der zweite Grund: „Abwärme ist unsicher, man weiß nie, wie lange die Unternehmen noch hier sind”. Für die Nutzung der Abwärme von Siedlungsabwässern und Rechenzentren gilt dies nur bedingt.

Um die derzeitigen Unsicherheiten bei der Nutzung von Abwärme aus der Industrie zu verringern, werden intelligente Konzepte für die Wärmebereitstellung benötigt. Wie im fossilen Zeitalter muss Wärme auch künftig aus unterschiedlichen Quellen bereitgestellt werden. Und was früher eine Grund- und Spitzenlastanlage war, wird in Zukunft die Kombination von Abwärme mit einem anderen erneuerbaren Wärmeerzeuger werden.  


Die Autoren

Rüdiger Lohse ist Geschäftsführer bei EDL_HUB. Gemeinsam mit Valentina Fröhlich und René Scharr-Hochegger managt er das Projekt AwaNetz. Yola Herpich ist Projektassistentin.


Rüdiger Lohse, Yola Herpich, Valentina Fröhlich, René Scharr-Hochegger

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