Fachverband fordert Verbesserungen für Biogasanlagen

Der Energiewende droht ein Rückschritt und deutschlandweit die mögliche Schließung von knapp 90 Biogasanlagen. Der Grund: Zwei von drei älteren Biogasanlagen haben jüngst bei den bundesweiten Ausschreibungen keinen Zuschlag erhalten. Hinzu kommt, dass die EEG-Förderung für Biogasanlagen nach 20 Jahren ausläuft.

Biogasanlagen
Mauenheim im Landkreis Tuttlingen war mit seiner Biogasanlage das erste Bioenergiedorf in Baden-Württemberg. Foto: Plattform EE BW/Kuhnle & Knödler

Laut Umfrage des Fachverbands Biogas wollen in Deutschland knapp 90, in Baden-Württemberg allein zehn Betreiber ihre Anlagen stilllegen. Um den drohenden Kahlschlag zu vermeiden, sollte die Bundesregierung unter anderem so rasch wie möglich die Ausschreibungsmengen von jährlich zweimal 250 Megawatt Leistung auf insgesamt 1.800 Megawatt erhöhen, fordern die Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg (PEE BW) und der Fachverband Biogas.

Biogas biete eine Alternative beim Umstieg von Erdgas auf klimafreundliche Energieträger und sei günstiger als grüner Wasserstoff, heißt es in der aktuellen Pressemitteilung. Ein weiterer wichtiger Punkt: Die Biogaswärme wird in vielen Kommunen genutzt und ist ein wichtiges Element der kommunalen Wärmeplanung.

Zwar können sich Biogasanlagenbetreiber nach Ende der 20-jährigen Vergütung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EGG) an einer Ausschreibung für eine neue Einspeisevergütung für weitere zehn Jahre beteiligen. Das Problem: Der Gesetzgeber hat die Ausschreibungsmenge klein gehalten. So wurden auf das ausgeschriebene Biomasse-Volumen von 240 Megawatt installierter Leistung im ersten Halbjahr 2024 insgesamt 788 Gebote im Umfang von 742 Megawatt eingereicht. Mehr als 500 Biogasanlagenbetreiber haben erneut keinen Zuschlag erhalten, heißt es in der Pressemitteilung.

Stilllegung von 88 Anlagen steht im Raum

Eine Umfrage des Fachverbands Biogas bei seinen Mitgliedern – an der sich von den 3.200 Mitgliedern 540 beteiligt haben – zeigt, dass 212 Betreiber bereits einmal oder mehrfach an einer Ausschreibung teilgenommen haben. Nur 42 Prozent haben bislang einen Zuschlag erhalten. 88 Betreiber wollen nun ihre Anlage stilllegen – das sind 16 Prozent der Befragten. Für 151 Biogasanlagen bedeutet das Ende der EEG-Vergütungszeit auch das Ende der Wärmenutzung – also für mehr als ein Viertel. Sie werden künftig nur noch den Strom verkaufen. Von den 540 Biogasanlagen haben 89 Prozent eine Wärmenutzung. Abnehmer der Biogaswärme sind mehr als 21.000 Haushalte, 51 Schwimmbäder, 124 Schulen und Kindergärten, 82 Turnhallen, 54 Altenheime oder Krankenhäuser und 206 sonstige Nutzer (Ställe, Trocknung etc.).

Hochgerechnet auf die etwa 9.900 Biogasanlagen in Deutschland bedeutet dies, dass knapp 390.000 Haushalte an Wärmenetze angeschlossen sind. Hinzu kommen mehr als 1.000 Schwimmbäder, knapp 2.500 Schulen und Kindergärten, 1.640 Turnhallen und über 1.000 Altenheime oder Krankenhäuser.

Nicht auf das Potenzial von Biogasanlagen verzichten

„Wir können es uns nicht leisten, auf dieses Potenzial zu verzichten“, mahnt der Präsident des Fachverbandes Biogas, Horst Seide. Viele Orte in ganz Deutschland haben bei der vorgeschriebenen kommunalen Wärmeplanung auf Biogasanlagen gebaut. „Wenn die Biogaswärme, die bei der Erzeugung von Strom in Blockheizkraftwerken sowieso anfällt, nicht mehr zur Verfügung steht, wird es an vielen Stellen schwer werden mit der Umsetzung der Wärmewende“, sagt Seide. Er fordert: „Die Biogasbranche braucht dringend eine verlässliche Perspektive. Sonst verlieren wir nicht nur flexible Leistung im Stromsektor, sondern auch sehr viel Wärme im ländlichen Raum.“

Seide fordert dafür eine umgehende Verdreifachung des Ausschreibungsvolumens auf 1.800 Megawatt pro Jahr. Zudem müsse der Flexibilitätszuschlag von 65 Euro auf 120 Euro je Kilowatt erhöht werden. Den Flexibilitätszuschlag erhalten diejenigen Betreiber, die nur dann Strom erzeugen, wenn zu wenig Strom im Netz ist. Auch müsse ein Verbot im Flexibilitätsbonus fallen. Bislang ist es nicht möglich, in einer bereits flexibilisierten Biogasanlage einen größeren Leistungsanteil zu flexibilisieren, etwa von 100 auf 200 Kilowatt. Auch dies müsse geändert werden, so Seide weiter.

Bioenergiedörfer: Wärmeversorgung mit Biogasanlagen

Die geforderten Verbesserungen sind insbesondere für Baden-Württemberg äußerst wichtig. In ganz Deutschland, vor allem jedoch in Baden-Württemberg und Bayern gibt es viele Bioenergiedörfer, die bisher einen wesentlichen Baustein der Energiewende darstellen. Die Idee: Mit einer Biogasanlage Strom zu erzeugen und die bei der Stromerzeugung anfallende Wärme über ein Wärmenetz an öffentliche Gebäude, Haushalte oder Betriebe zu verteilen.

Das erste Bioenergiedorf in Baden-Württemberg war Mauenheim im Landkreis Tuttlingen. Diesem Beispiel sind in den vergangenen Jahren zig Kommunen gefolgt. Bioenergiedörfer und Nahwärmenetzbetreiber befürchten nun, dass die Wärme aus Biogasanlagen mit dem Ende der 20-jährigen EEG-Förderung versiegen könnte. Neben den Betreibern machen sich auch viele Kommunen Sorgen um ihre Wärmeversorgung. Denn diese drohende Entwicklung ist auch für die kommunale Wärmeplanung in Baden-Württemberg ungünstig, mit der eine klimaneutrale Wärmeversorgung erreicht werden soll.

Biogasanlagen als wichtiger Teil kommunaler Wärmeplanung

Die Wärmeplanung beginnt mit einer systematischen Analyse des heutigen und zukünftigen Wärmebedarfs vor Ort. Sie beziffert die Potenziale einer klimaneutralen Energieversorgung und weist Eignungsgebiete für Wärmenetze sowie eine dezentrale Wärmeversorgung aus. Außerdem werden Maßnahmen erarbeitet, mit denen sich der Wärmebedarf komplett mit erneuerbaren Energien, Abwärme und der Kraft-Wärme-Kopplung decken lässt. Biogasanlagen könnten hier eine wichtige Rolle für eine klimaneutrale Wärmeversorgung spielen. Aus den Anlagen kann die bei der Stromerzeugung anfallende Wärme ausgekoppelt und über ein Wärmenetz verteilt werden.

Wärmenetze sind für den Gebäudebestand und für Gewerbebetriebe mit einem hohen Wärmbedarf besonders interessant. In älteren Gebäuden gelingt mit dem Anschluss an ein Wärmenetz mit Biogaswärme eine schnelle und vergleichsweise günstige Umstellung auf eine hundertprozentig erneuerbare Wärmeversorgung. Auch für Gewerbebetriebe mit einem hohen Wärmbedarf ist der Anschluss interessant. Der Branchenverband Plattform Erneuerbare Energien in Baden-Württemberg (PEE BW) setzt daher auf eine Wärmeversorgungen mit Biogasanlagen besonders im ländlichen Raum.

„Nahwärmenetze sind ein guter Einstieg für Kommunen, nach der Wärmeplanung ein konkretes Projekt umzusetzen. Wenn die Potenziale einer Biogasanlage in einem Wärmenetz genutzt werden, kann das für die Nutzer, den Biogasbetreiber und die Kommune eine echte Win-Win-Situation sein,“ sagt Jörg Dürr-Pucher, Vorsitzender der PEE BW. Unabhängig davon sind Wärmenetze für Kommunen ein Gewinn und erhöhen die Unabhängigkeit – denn sollte irgendwann noch mehr Wärme benötigt werden, lässt sich jede beliebige Wärmequelle an das Netz anschließen.

red.