Kommunale Energiewende: Unterwegs zu immer mehr Vernetzung

Sektorenkopplung ist eines der wichtigen anstehenden Themenfelder: die Verknüpfung des Stromsektors mit Wärme, Verkehr und Industrie. Foto: Adobe Stock/chartphoto

Kommunen müssen sehr viel leisten, können von der Energiewende aber auch profitieren: Das betont Anika Schwalbe von der Agentur für Erneuerbare Energien. Sie nennt die Themenfelder, die im Spektrum „Kommunale Energiewende“ als Nächstes in Angriff genommen werden sollten – und erläutert, was aus ihrer Sicht noch fehlt.

Die Umsetzung der Energiewende stellt die Kommunen vor vielfältige Herausforderungen, insbesondere wenn Geld und Personal knapp sind. Gleichzeitig kann die Energiewende den Gemeinden aber auch zahlreiche Mittel an die Hand geben, Einnahmenprobleme zu lösen, neue Ansätze zu entwickeln und sich mit den Bürgerinnen und Bürgern auszutauschen.

Das Jahr 2024 läutet dabei einen wichtigen Meilenstein in der Energiewende in Deutschland ein: Zum 1. Januar trat das öffentlich breit diskutierte „Gesetz für die Wärmeplanung und Dekarbonisierung der Wärmenetze“ in Kraft. Seine Bedeutung ergibt sich vor allem aus dem geringen Anteil erneuerbarer Energien an der Wärmeversorgung: 17,4 Prozent waren es im Jahr 2022.

Die Wärmeplanung hat das Ziel, klimafreundliche und kosteneffiziente Wärmeversorgungsmöglichkeiten vor Ort zu erkennen und die Planungssicherheit zu erhöhen: für Unternehmen genauso wie für Stadtwerke, Gebäudeeigentümer und Privatpersonen. Das Wärmeplanungsgesetz stellt dabei einen einheitlichen bundesweiten Rahmen dar, um den Ausbau und die Dekarbonisierung der Wärmenetze voranzutreiben.

Wärmekonzepte neu planen

Um den künftig großen Bedarf an Wärme aus erneuerbaren Energien zu decken, wird die Sektorenkopplung immer wichtiger: die Verknüpfung des Stromsektors mit Wärme, aber auch Verkehr und Industrie. Zwei vielversprechende Technologien, die bei der nachhaltigen Wärmeversorgung eine entscheidende Rolle spielen, sind Wärmepumpen und Power-to-Heat.

Wärmepumpen gelten als effiziente Lösung zur Erzeugung von Raumwärme und Warmwasser. Luft Wasser-Wärme-pumpen eignen sich beispielsweise besonders gut für die Beheizung von Wohngebäuden. Erdwärmepumpen nutzen die stabile Temperatur im Erdreich und sind eine nachhaltige Alternative. Wasser-Wasser-Wärmepumpen wiederum entnehmen Wärme aus oberflächennahem Grundwasser. Um die Fernwärme zu dekarbonisieren, werden Großwärmepumpen eine entscheidende Rolle spielen. Hochtemperaturwärmepumpen der neusten Generation erzielen dabei Vorlauftemperaturen von 80 Grad Celsius oder mehr, womit auch konventionelle Wärmenetze im Bestand beschickt werden können.

Power-to-Heat bezieht sich auf die direkte Umwandlung von elektrischer Energie in Wärme. Überschüssiger Strom aus Windkraft- oder Photovoltaikanlagen wird genutzt, um Wasser elektrisch zu erwärmen, das anschließend in einem Wärmespeicher aufgenommen wird. Diese gespeicherte Wärme kann bei Bedarf abgerufen werden, um Gebäude zu beheizen oder Prozesswärme in industriellen Anwendungen bereitzustellen.

Die Kombination von Wärmepumpen und Power-to-Heat eröffnet interessante Perspektiven für eine flexible und nachhaltige Wärmeversorgung. Die Wärmepumpe kann als hocheffizientes Heizsystem dienen, während Power-to-Heat hilft, die künftig wachsenden Erzeugungsspitzen von Wind- und Solarstrom aufzunehmen. Diese Synergie trägt dazu bei, Schwankungen im Energieangebot auszugleichen und die Effizienz des Gesamtsystems zu steigern.

Die Umsetzung von Sektorenkopplungsprojekten, insbesondere im Kontext der Mobilitätswende, steht ebenfalls im Fokus der kommunalen Aufgaben. Elektromobilität und die Entwicklung neuer Verkehrskonzepte sind zentrale Aspekte, die in diesem Zusammenhang diskutiert werden. Batterieelektrische Fahrzeuge wie Pkw und E-Bikes dienen als ideale Stromspeicher, insbesondere wenn der Ladevorgang strategisch gesteuert wird, um einen hohen Anteil an Wind- oder Sonnenstrom zu nutzen.

Eine essenzielle Voraussetzung dafür ist die fortschreitende Entwicklung und Stärkung der Ladeinfrastruktur, um gezielt Strom aus erneuerbaren Quellen zu nutzen. Eine alternative Methode für die Sektorenkopplung im Verkehr ist die Nutzung von Wasserstoff, der durch erneuerbaren Strom erzeugt wird.

Ausbau erneuerbarer Energien als Voraussetzung für die Sektorenkopplung

Der vermehrte und vielversprechende Einsatz von Sektorenkopplung erfordert gleichzeitig den Ausbau der erneuerbaren Energien und der Netze. Wichtig ist hier: Die aktuelle Akzeptanzumfrage der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) zeigt, dass 83 Prozent der deutschen Bevölkerung hinter den erneuerbaren Energien stehen.

Wichtig ist aber auch: Aspekte wie die Schaffung transparenter Strukturen, der frühzeitige Austausch mit Stakeholdern und eine Beteiligung der Kommunen oder der Bürger an der Wertschöpfung sind –unabhängig von der allgemeinen Zustimmung – wesentlich im Prozess der Energiewende.

Ein wichtiger Faktor dabei ist jemand, der sich um all diese Aspekte kümmert, etwa ein Klimaschutzmanager. Wenn dies gut gelingt, wird die Zustimmung zu den Erneuerbaren größer.

Energiekommunen des Monats

Entgegen der allgemeinen Vorstellung, viele seien für die Erneuerbaren, aber nicht in ihrem Vorgarten, zeigt die aktuelle AEE-Akzeptanzumfrage: Bürger, die bereits Erfahrungen mit Anlagen für erneuerbare Energien in ihrer Nachbarschaft gemacht haben, sind sogar noch aufgeschlossener gegenüber neuen Anlagen in der Umgebung des eigenen Wohnorts.

Wer auf der Suche nach Inspiration und interessanten kommunalen Ansprechpartnern ist, findet sie in den Energiekommunen des Monats, die von der Agentur für Erneuerbare Energie seit 2008 ausgezeichnet werden. Zum Beispiel die Gemeinde Bosbüll in Nordfriesland: Sie nutzt selbsterzeugte Stromüberschüsse zur Umwandlung in Wärme und grünen Wasserstoff für den lokalen und regionalen Verbrauch.

Oder das schwäbische Buttenwiesen: Mit drei Windenergieanlagen, zwei Solarparks, fünf Biogasanlagen, Bürgersolardächern auf allen geeigneten öffentlichen Gebäuden sowie drei Wasserkraftwerken liefern Erneuerbare bereits mehr als doppelt so viel Strom, wie Gemeinde und Gewerbe verbrauchen.

Ein weiteres Beispiel ist Prenzlau in Brandenburg: Seit 2011 ist dort ein einmaliges Hybridkraftwerk in Betrieb. Es erzeugt mittels Windenergie Wasserstoff klimaneutral und setzt ihn bei Bedarf wieder zur Stromerzeugung ein.

Sorgen bereitet Kommunen jedoch noch die unzureichende Entwicklung der Stromnetze. Vielerorts fehlen die Kapazitäten, um den Bedarf strategisch zu decken und Projekte effizient umzusetzen. Hierfür werden dringend Netzausbau und Anpassungen der rechtlichen Rahmenbedingungen entsprechend den Anforderungen der Sektorenkopplung benötigt.

Wie die Chancen zu nutzen sind

Die Zwischenbilanz aus Sicht der AEE: Die Energiewende auf kommunaler Ebene steht vor komplexen Herausforderungen und bietet gleichzeitig vielfältige Chancen. Eine differenzierte Bestandsaufnahme, gezielte Förderung von Sektorenkopplungsprojekten, aktive Bürgerbeteiligung und transparente Strukturen sind entscheidende Schritte auf dem Weg zu einer nachhaltigen und erfolgreichen Energiewende vor Ort. Es liegt nun an Bund und Ländern, durch gezielte Fördermaßnahmen und eine Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen die Energiewende auf kommunaler Ebene nachhaltig zu unterstützen.

Anika Schwalbe


Die Autorin

Anika Schwalbe ist Pressesprecherin der Agentur für Erneuerbare Energien e.V. in Berlin.