Die Kanalisation ist nicht ausreichend dimensioniert, wenn Privatgrundstücke einmal jährlich überflutet werden. (OVG Lüneburg vom 4. Januar 2011 – AZ 9 LA 130/10)
Nachdem ein Starkregen ein Grundstück überflutet hatte, verlangte dessen Eigentümer die Durchführung bestimmter Maßnahmen, um einen erneuten Schadeneintritt zu vermeiden. Von der Gemeinde konnte verlangt werden, dass die Grundstücksverhältnisse so berücksichtigt wurden, wie sie sich im Zeitpunkt der Planung ihrer Regenwasserkanalisation wahrscheinlich auf Dauer darstellten. Jedoch können die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit einer Regenwasserkanalisation nicht schematisch festgelegt werden.
Allgemein ist davon auszugehen, dass es nicht jährlich zu Überflutungen und zum Rückstau an Grundstücken kommt. Sollte aber dies mit einer statistischen Wahrscheinlichkeit angenommen werden müssen, ist die gemeindliche Regenwasserkanalisation unzureichend. Die Leistungsfähigkeit der Kanalisation muss aufgrund einer umfassenden Würdigung aller maßgeblichen abwasserwirtschaftlichen, technischen und topografischen Gelegenheiten ermittelt werden. Eine allein auf den Berechnungsregen abgestellte Beurteilung reicht insbesondere dann nicht aus, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine darauf zugeschnittene Anlage außer Stande ist, das anfallende Regenwasser auch bei häufigen Anlässen zu bewältigen.
Vielmehr sind zusätzlich auch die Geländeverhältnisse und der mögliche Fließweg bei Austritt aus den Einläufen zu beachten. Aus der Sicht des betroffenen Grundstückseigentümers, auf dessen Schutz die Anlage auch ausgelegt sein muss, ist die „Überstauungshäufigkeit“, also der Anstieg des Wasserspiegels bis auf Geländehöhe, als Maßstab für die Auslegung und die Leistungsfähigkeit der Kanalisation geeigneter als die Regenhäufigkeit.
Ein Abwehranspruch gegen Überschwemmungen kann bei ungünstigen topografischen Gegebenheiten des Anliegergrundstücks ausgeschlossen oder eingeschränkt werden. Ein uneingeschränktes Höhenniveau des Anliegergrundstücks muss von der Gemeinde bei der Anlegung der Kanalisation nur eingeschränkt berücksichtigt werden.
Zudem müssen Abwasserkanäle nach Ansicht des Gerichts nicht so ausgelegt sein, dass es auch bei einem ganz ungewöhnlichen und seltenen Starkregen, also in Extremfällen, nicht zu einem Rückstau kommt. Eine Amtspflichtverletzung entfällt bei einem Jahrhundertregen. Die Kanäle müssen aber so beschaffen sein, dass die Grundstücke im Rahmen des Zumutbaren vor Überschwemmungsschäden geschützt sind. Das ist nicht gegeben, wenn die Flächen einmal jährlich überschwemmt werden.
Franz Otto