Katastrophenschutz durch Stadtbegrünung

Je mehr Grün es in urbanen Räumen gibt, desto besser geht es Mensch und Umwelt. Foto: Adobe Stock/Melinda Nagy

Dürre und Starkregen, Hochwasser und Sturmfluten: Der Klimawandel trifft die dicht bebauten, überwiegend versiegelten urbanen Räume stark. Welche Gegenmaßnahmen das Umweltbundesamt empfiehlt, erklärt Andreas Vetter.

Städte sind nicht nur wesentliche Treiber des Klimawandels, sie sind gleichzeitig auch besonders von dessen Folgen betroffen. In ihnen konzentrieren sich Bevölkerung, Infrastruktur und Wirtschaftsaktivitäten auf engem Raum. Zusätzlich verstärken Städte die Klimawirkungen durch dichte Bebauung, einem hohen Grad an Versiegelung und mangelnde Grünflächen.

Die gravierendsten Klimafolgen für Städte sind die stetig zunehmende Hitzebelastung, Dürren sowie Überflutungsereignisse durch Flusshochwasser, Starkregen und Sturmfluten an den Küsten. Deutlich wird unter anderem der starke Anstieg von drei auf 20 Hitzetage pro Jahr zwischen 1951 und 2018.

Diese Entwicklung führt zu verstärkten urbanen Hitzeinseln und erhöht die hitzebedingte Sterblichkeitsrate deutlich. Die Jahre 2018 bis 2022 führten zu etwa 25.000 hitzebedingten Todesfällen in Deutschland. Von anhaltender Trockenheit sind insbesondere die Grünflächen und Stadtbäume stark betroffen.

Park in Dresden Neustadt: Kühlende Grünflächen wie hier sollten in der gesamten Stadt über kurze Wege erreichbar sein: Das ist die Empfehlung des Umweltbundesamtes. Foto: Adobe Stock/Vlada

Diese und weitere vom Klimawandel ausgehende Schäden für Mensch und Infrastruktur können gezielt durch multifunktionale Anpassungslösungen reduziert werden, wie Maßnahmen der sogenannten Schwammstadt beziehungsweise der wassersensiblen Stadtentwicklung.

Kommunale Anpassung soll Städte krisenfester gegenüber zunehmenden Extremwetterereignissen gestalten. Naturbasierte Maßnahmen erhalten Biodiversität, verbessern den Grundwasserhaushalt, erhöhen Gesundheit sowie Wohlbefinden der Stadtbewohner und tragen zum natürlichen Klimaschutz bei. Wichtige Synergien für eine nachhaltige Stadtentwicklung werden so erzeugt.

Renaturierter Isar-Strand in München: Wasser ist ein wertvolles Habitat für Tiere und Plfanzen − und bietet Erholungsraum für Stadtbewohner. Foto: Adobe Stock/blickwinkel2511

Das Schwammstadtkonzept nutzt diesen Mehrwert und stellt naturbasierte Maßnahmen in den Mittelpunkt. Stadtbäume, Parks, Gärten, begrünte Höfe, Dächer und Fassaden – auch bezeichnet als die grünen Infrastrukturen der Stadt – sind zentrale Pfeiler für die Schwammstadt. Im knappen urbanen Raum müssen sie viele Funktionen erfüllen – also multifunktional sein. Sie kühlen die Stadt in Hitzeperioden und verbessern damit das Stadtklima.

Grüne Infrastrukturen erfüllen soziale Funktionen, werden als Räume von Erholung und Bewegung genutzt und dienen der Begegnung sowie Interaktion im Wohnumfeld und im Stadtquartier.

Wasser ist kostbar auch und gerade in der Stadt

Die grünen Infrastrukturen werden in der Schwammstadt mit blauen, also mit Wasserinfrastrukturen, funktional verknüpft. Das bedeutet ein neues Wassermanagement: Das Niederschlagswasser wird nicht direkt in die Kanalisation abgeführt, sondern für die Klimaanpassung in der Stadt genutzt. Dazu sollten verstärkt Flächen entsiegelt werden, um Niederschläge zu versickern. Regenwasser wird zusätzlich gespeichert, um in Trockenheitsphasen städtisches Grün ressourcensparend zu bewässern. In der Schwammstadt werden darüber hinaus urbane Gewässer renaturiert, damit deren ökologischer Zustand verbessert wird und wertvolle Habitate für Pflanzen und Tiere geschaffen werden.

Werden diese Maßnahmen mit Notwasserwegen und baulichen Maßnahmen am Gebäude wie dem Einbau von Rückstauklappen, dem Abdichten von Wänden und Türen und dem Einsatz mobiler Wassersperren gekoppelt, dann lassen sich auch Schäden durch Starkregenereignisse wirksam vorbeugen.

In der konkreten Umsetzung der Schwammstadt sind ortsspezifisch folgende zentrale Fragen zu klären:

  • Wie können stadtklimatisch wirksame grün-blaue Infrastrukturen vernetzt weiterentwickelt werden, so dass sie für die Bewohnerinnen und Bewohner eine lebenswerte sowie gesunde Stadt bieten?
  • Wie und wo kann Nachverdichtung in der Stadt so erfolgen, dass die klimatische Wirksamkeit von Freiräumen und Grünstrukturen nicht beeinträchtigt wird und Kaltluftbahnen erhalten bleiben? Wo können im Gegenzug Flächen entsiegelt werden, um die Umsetzung des Schwammstadtprinzips zumermöglichen?
  • Wie können Grünstrukturen besser finanziert, gemanagt und insbesondere auch in Dürreperioden ausreichend und gegebenenfalls automatisiert gewässert werden?

Viele Städte zeigen bereits, wie die Schwammstadt realisiert werden kann. Leipzig baut am ehemaligen Freiladebahnhof im Stadtzentrum ein Quartier mit grün-blauen Infrastrukturen, in dem das Regenwasser dezentral versickern soll. Das Land Berlin und die Berliner Wasserbetriebe gründeten 2018 gemeinsam die Berliner Regenwasseragentur, um das „1000-Grüne-Dächer“-Programm zu unterstützen und die Gebäude- sowie Grundstücksflächen verstärkt von der Mischwasserkanalisation abzukoppeln.

Lösungsansätze werden auch in laufenden Projekten des Bundesforschungsministeriums erarbeitet. So zeigt das Projekt „BlueGreenStreets“ auf, wie mit Baumrigolen Stadtbäume auf wenig Raum vital und klimawirksam erhalten werden können. Viele weitere gute Beispiele werden in der Tatenbank des Umweltbundesamtes online vorgestellt.

Unterstützung für Kommunen

Anpassung der Infrastrukturen ist eine langfristige städtische Transformationsaufgabe, die vor dem Hintergrund der zunehmenden Klimafolgen dringlich ist. Der Bund stellt für naturbasierte Maßnahmen mit seinem „Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz“ bis 2026 rund vier Milliarden Euro bereit. Ein Teil davon kommt der Umsetzung des Schwammstadtprinzips zugute, denn Kommunen sollen bei der Pflanzung von Stadtbäumen, bei der Entwicklung klimatisch wirksamer Grünräume und bei einer naturnahen Regenwasserbewirtschaftung unterstützt werden.

Blickfang und Oase mitten in Düsseldorf: das begrünte Gebäude am Kö-Bogen 2. Foto: Adobe Stock/dbrnjhrj

Zum Weiterlesen

Gute Beispiele sowie weiterführende Tipps für Städte und Gemeinden gibt es hier:

Die Tatenbank zeigt bundesweit über 300 gute Beispiele der Anpassung an den Klimawandel: www.umweltbundesamt.de/tatenbank

Der Klimalotse 3.0 leitet in fünf Modulen durch die Auseinandersetzung mit Klimafolgen und Anpassung: www.umweltbundesamt.de/klimalotse

Die Handlungsempfehlungen zur Umsetzung der ISO 14091 unterstützen bei kommunalen Klimarisikoanalysen: www.umweltbundesamt.de/publikationen/klimarisikoanalysen-auf-kommunaler-ebene

Wie Peer-to-Peer-Learning gelingt, zeigt das Vorhaben „Kommunen vernetzen“: www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimafolgen-anpassung/anpassung-an-den-klimawandel/anpassung-auf-kommunaler-ebene/kommunen-vernetzen

Eine umfassende kommunale Beratung und vielfältige Informationsangebote bietet das Zentrum Klimaanpassung: www.zentrum-klimaanpassung.de

Blau-Grüne Infrastruktur für alle und mit allen

Damit diese Transformation gelingen kann, müssen auch soziale Belange stärker in den Blick genommen werden. Besonders betroffene Personengruppen wie ältere und sehr junge Menschen benötigen einen stärkeren Schutz vor Hitze. Gleichzeitig gilt es, die Städte umweltgerecht zu entwickeln, zum Beispiel, indem kühlende Grünflächen in der gesamten Stadt über kurze Wege erreichbar sind.

Nicht zuletzt erfordert die Schwammstadt das Mitwirken der gesamten Stadtgesellschaft: Sie kann aktiv in die Entwicklung einer Vision für lebenswerte urbane Räume eingebunden werden. Das stärkt die Eigenvorsorge und -verantwortung bei allen beteiligten Akteuren.

Andreas Vetter


Der Autor

Andreas Vetter ist Mitarbeiter des Kompetenzzentrums Klimafolgen und Anpassung (KomPass) im Umweltbundesamt.