Steuern sind Pflicht

Gemeinden dürfen nicht auf die Festsetzung von Steuerhebesätzen verzichten. (BVG vom 27. Januar 2010 – AZ 2 BcR 2185/04)

Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit der Frage befasst, ob eine Gemeinde verpflichtet ist, Gewerbesteuer mit einem Mindesthebesatz von 200 Prozent zu erheben. Die Gemeinde wollte schlechthin auf die Gewerbesteuer verzichten, um die Ansiedlung von Gewerbebetrieben zu erreichen. Bei 93 Unternehmen hatte die Gemeinde bereits Erfolg gehabt. Sie hatte als Ausgleich für den Wegfall der Einnahmen aus der Gewerbesteuer mit den Unternehmen einen „Standortentwicklungsbeitrag“ vereinbart. Gegenüber der Verpflichtung, die Gewerbesteuer zu erheben, machte die Gemeinde ihren Anspruch auf die gemeindliche Selbstverwaltung geltend. Durch den Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung ist die Finanzhoheit der Gemeinden geregelt.

Nach der Auffassung des Gerichts ist dem Gesetzgeber aber nicht jegliche Beschränkung der gemeindlichen Hebesatzautonomie verwehrt. Das Hebesatzrecht dient der Sicherung einer angemessenen Finanzausstattung der Gemeinden. Deshalb ist die Funktionsfähigkeit der Hebesatzautonomie nicht davon abhängig, dass die Gemeinden den Hebesatz ohne jede Einschränkung festsetzen können. Insbesondere erfordert sie keine absolute Befugnis der Gemeinden, von einer Gewerbesteuerhebung ganz abzusehen.

Die Pflicht zur Erhebung der Gewerbesteuer und die Festsetzung eines Mindesthebesatzes dient der Vermeidung von Steueroasen sowie der Verhinderung von Ausfällen bei der Gewerbesteuerumlage. Nach der Auffassung des Gerichts führt der Verzicht einzelner Gemeinden auf die Steuererhebung zu teilweise unsinnigen, rein steuermotivierten Wanderungsbewegungen. Außerdem gibt es die Gewerbesteuerumlage, durch die der Bund und die Länder an dem Gewerbesteueraufkommen der Gemeinden beteiligt werden. Diese Ausgleichsfunktion darf nicht gefährdet werden.

Franz Otto