Sicherheit durch digitale Souveränität: Diese Schritte sind notwendig

Mit einem neuen Ministerium und Open-Source-Lösungen will die neue Bundesregierung digitale Souveränität und Sicherheit vorantreiben. Experten und Verbände sehen im Koalitionsvertrag vielversprechende Ansätze – IT-Fachjournalist Tillmann Braun hofft mit ihnen. Eine Einordnung.

Mehr Sicherheit durch digitale Souveränität
Die Bundesregierung will Deutschlands digitale Souveränität und Sicherheit vorantreiben. Foto: AdobeStock/Gorodenkoff

Zumindest auf dem Papier scheint es die neue Bundesregierung ernst zu meinen mit der Digitalisierung Deutschlands. Das mag auch daran liegen, dass die digitale Unabhängigkeit Deutschlands aufgrund der jüngsten Entwicklungen in den USA ernster genommen wird denn je. Die Zeiten des blinden Vertrauens sind offenbar vorbei. Das gilt bei der Wahl der Partner ebenso wie bei der Wahl der Software, die in der öffentlichen Verwaltung eingesetzt wird. Statt proprietärer Software aus den USA sollen zukünftig verstärkt Open-Source-Lösungen genutzt werden, die zumindest in Teilen gemeinsam mit europäischen Partnern gefördert und entwickelt werden.

Was die Koalitionsverhandlungen angeht, dürfte Donald Trump dazu beigetragen haben, dass Union und SPD sich bei der Digitalisierung schnell einig geworden sind. So gibt es ein neues, eigenständiges Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung. Der Digitalverband Bitkom sieht darin einen „Meilenstein für Deutschland“ und ein „Aufbruchsignal der neuen Bundesregierung“. Gleichzeitig mahnt Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst allerdings eine schnelle Konkretisierung der Vorhaben und eine Klärung der Finanzierung an.

Für die digitale Souveränität: IT-Budget strategisch ausrichten

Absichtserklärungen für eine effiziente und digitale Verwaltung habe es in der Vergangenheit bereits reichlich gegeben, betont man beim Bitkom-Verband. „Deutschland braucht jetzt eine echte und vor allem ambitionierte Modernisierungsagenda für Staat und Verwaltung.“ Die Mammutaufgabe sei nun, die im Koalitionsvertrag formulierten Vorhaben tatsächlich umzusetzen sowie auch die Länder und Kommunen dafür zu gewinnen.

Die Koalitionspartner haben offenbar erkannt, dass sich mit proprietärer Software von Microsoft und anderen Konzernen aus Übersee keine digitale Souveränität erzielen lässt. Konkret heißt es im Koalitionsvertrag: „Wir definieren Ebenen übergreifend offene Schnittstellen, offene Standards und treiben Open Source mit den privaten und öffentlichen Akteuren im europäischen Ökosystem gezielt voran – unter anderem mit dem Zentrum Digitale Souveränität (ZenDiS), der Sovereign Tech Agency und der Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND). Dafür richten wir unser IT-Budget strategisch aus und definieren ambitionierte Ziele für Open Source.“

Open Source als zentraler Ansatz

Derartige Absichtserklärungen kommen bei jenen, die sich seit Jahren für digitale Souveränität in Deutschland einsetzen, gut an. „Es ist sehr gut und wichtig, dass die zukünftige Bundesregierung die Bedeutung von Open-Source-Software für die digitale Souveränität des Staates sowie für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft erkannt hat“, freut sich Peter Ganten, Vorstandsvorsitzender der Open Source Business Alliance (OSBA). Initiativen wie das Zentrum für die Digitale Souveränität der öffentlichen Verwaltung (ZenDiS) würden inzwischen international als Vorbilder gehandelt.

Die neue Bundesregierung müsse derartige Institutionen nun personell und finanziell ausreichend ausstatten, damit die Ablösung von bestehenden Abhängigkeiten mit der notwendigen Geschwindigkeit vorangetrieben werden könne. „Einige Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag wie beispielsweise die ‚strategische Ausrichtung des IT-Budgets‘ und die ‚ambitionierten Ziele für Open Source‘ müssen dringend genauer ausbuchstabiert und mit Leben gefüllt werden, damit sie auch Wirkkraft entfalten können und nicht bloß freundliche Absichtserklärungen bleiben“, fordert Peter Ganten.

Zu den Vorschlägen der OSBA zählt, dass ein zentralisiertes Digitalbudget eingeführt wird, damit die Ausgaben für IT-Beschaffung der Verwaltung an einer zentralen Stelle gesteuert und überprüft werden können. Im Gegensatz zum Koalitionsvertrag scheut die OSBA dabei nicht vor der Nennung von Zahlen zurück. Beispielsweise schlägt sie vor, den Anteil für Beschaffung und Pflege von Open-Source-Software bei den IT-Ausgaben des Bundes in allen wesentlichen Bereichen bis zum Ende der Legislaturperiode auf mindestens 20 Prozent zu steigern.

Europäische Kooperationen

Auf dem Weg in die digitale Souveränität wird Deutschland weiterhin auf Partnerschaften setzen müssen. Allerdings nicht wie bisher mit IT-Konzernen aus den USA, deren proprietäre Software sich nicht einsehen und kontrollieren lässt. Sondern mit Open-Source-Lösungen und europäischen Partnern, mit denen man dieselben Werte und vergleichbare Rechtssysteme teilt.

Wie das aussehen kann, zeigt sich bei openDesk: eine „Office & Collaboration Suite“, die unter der Leitung des ZenDiS entstanden ist. Dieser digitale Arbeitsplatz steht der öffentlichen Verwaltung seit Oktober 2024 zur Verfügung. Entwickelt wurde er von deutschen Open-Source-Spezialisten wie Open-Xchange, Univention, Nextcloud, Nordeck und Open Project gemeinsam mit europäischen Partnern.

Sicherheit durch Souveränität

Entsprechend gespannt ist man bei der OSBA, wie die neue Bundesregierung die Umsetzung des „interoperablen und europäisch anschlussfähigen souveränen Deutschland-Stacks“ angehen möchte. „Dabei kommt es aus unserer Sicht darauf an, Souveränität durch den Einsatz von Open-Source-Software zu sichern und miteinander inkompatible Doppelentwicklungen auf europäischer Ebene zu vermeiden“, sagt Peter Ganten. Damit stößt er ins selbe Horn wie Ralf Wintergerst: „Jetzt müssen wir einen Deutschland-Stack bauen und dort die digitalen Schlüsseltechnologien bündeln – im europäischen Verbund“, so der Bitkom-Boss.

Mit ihrem Protektionismus haben die US-Konzerne und die neue US-Regierung es offenbar geschafft, dass die Digitalisierung in Deutschland endlich ernstgenommen wird. Fast müsste man ihnen dankbar sein.

Tillmann Braun


Über den Autor

Tillmann Braun ist Fachjournalist mit Schwerpunkt IT und Digitalisierung aus Haiterbach.


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