Wie kommen die Signale aus Berlin in der Baubranche an – und was können Kommunen tun, um diesen Bereich voranzubringen? Antworten aus Sicht des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie von Tim-Oliver Müller.

Die Bundesregierung hat im „Sondervermögen“ 100 Milliarden Euro für Infrastruktur-Investitionen der Kommunen reserviert. Das hört sich erst einmal gut an und ist angesichts der großen Aufgabenlast auch mehr als gerechtfertigt. Doch ich möchte ein wenig Wasser in den Wein gießen und warne vor zu großen Hoffnungen. Noch ist kein einziger Cent bei den Kommunen gelandet, und es ist fraglich, ob es sich wirklich um zusätzliche Mittel handelt. Denn sowohl im Bund als auch auf Länderebene gibt es erste Zuckungen, das Sondervermögen zwar fließen zu lassen, gleichzeitig und in gleichem Maße aber bislang für Investitionen vorgesehene Haushaltsmittel abzuziehen.
Zudem ist in vielen Bundesländern nach wie vor unklar, in welcher Höhe Mittel aus dem Sondervermögen an die Kommunen weitergegeben werden.
Aus meiner Sicht erwachsen dadurch gleich mehrere Probleme. Zum einen führt diese Unsicherheit gerade in der Phase der Aufstellung der kommunalen Haushalte für das Jahr 2026 dazu, dass die Gemeinden diese Gelder frühestens im Jahr 2027 in ihre Finanzplanungen aufnehmen können.
Dadurch wächst zum anderen gerade in hochverschuldeten Kommunen der Druck, sich durch die erwarteten zusätzlichen Mittel kurzfristig finanziellen Spielraum durch Investitionskürzungen im Haushalt zu verschaffen. Das mag auf den ersten Blick opportun erscheinen, widerspricht jedoch dem eigentlichen Sinn und Zweck des Sondervermögens. Schlussendlich wird von dem großen Anspruch, durch zusätzliche Mittel den tatsächlichen Zustand der Infrastruktur spürbar zu verbessern und Engpässe zu beseitigen, am Ende nur dann etwas übrigbleiben, wenn die Gelder konsequent investiert werden.
Mammutaufgabe Infrastruktur
Die Bundespolitik scheint diese Problematik nicht berücksichtigt zu haben. Sonst hätte sie die pauschale Mittelzuweisung in Höhe von 60 Prozent nicht aus dem Gesetz gestrichen. Und auch grundsätzlich muss man sich fragen, warum erst die Carolabrücke in Dresden in die Elbe stürzen musste, bis endlich eingesehen wurde, dass sie schlicht und ergreifend zu wenig Geld für die Sanierung unserer Infrastruktur bereitgestellt wird.
Fakt ist doch: Unser Wohlstand wird nur durch Wirtschaftswachstum erhalten werden können. Ohne Straßen- und Schienennetz, ohne Häfen, Wasserstraßen und Schleusen, ohne funktionierende Infrastruktur wie Energieversorgung und schnelles Internet kann die Wirtschaft aber nicht wachsen. Und ohne eine funktionierende soziale Infrastruktur sowie bezahlbaren Wohnraum ist das Leben vor Ort beeinträchtigt.
Ich würde sogar noch weiter gehen: Wenn nötige Infrastrukturen und damit die öffentliche Verwaltung nicht funktionsfähig sind, verlieren die Bürgerinnen und Bürger das Vertrauen in die staatliche Handlungsfähigkeit. Schließlich sind die Kommunen der erste Kontaktpunkt vor Ort.
Die Bürokratie als weitere Herausforderung
Klar ist dabei auch, dass fehlende Finanzmittel nur eine Seite der Medaille sind. Eine überbordende Bürokratie, endlose und immer neue Auflagen, mangelhafte Digitalisierung bei den öffentlichen Bauverwaltungen und dort fehlende Fachleute sind mindestens ebenso wichtige Hausaufgaben, die Politik mit Mut und Willen angehen muss.
Und die Zeit drängt. Spätestens in zehn bis 15 Jahren müssen wir aufgrund des demografischen Wandels mit viel weniger Leuten auskommen. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen in Rente. Deshalb ist Digitalisierung wichtig – und deshalb hat die Baubranche enorm investiert. Viele unserer Partner sind davon aber noch meilenweit entfernt. Von der ersten politischen Idee über die erste Vorplanung, die Ausführungsplanung, die Fachplanung, getrennte Ausschreibungen für diverse Teilbereiche und Teillose bis zur Beurteilung der Angebote vergehen mehrere Jahre. So kann man nicht schnell und effizient bauen.
Appell an die Verwaltungen
Die Lösungen sind partnerschaftliche Projekte, die Bündelung von Leistungen und Vergaben – dort, wo es Sinn macht. Zum Beispiel: Wenn heute eine Schule gebaut wird, besteht diese aus rund 50 Einzelvergaben. Nehmen wir an, zu jeder Ausschreibung gibt es vier Angebote – das macht 200 Angebote, die genau geprüft werden müssen. Nach der Auswahl werden Bietergespräche geführt, und die Ergebnisse werden bewertet. Damit ist eine Verwaltung bereits zweieinhalb Jahre beschäftigt, ohne einen einzigen Stein zu bewegen.
Wenn das eine Stadt kann und will, soll sie das tun. Doch wenn sie dafür keine Kapazitäten hat oder es nicht will, soll sie einen Generalunternehmer beauftragen können, der das Ganze übernimmt. Dafür braucht es eine Flexibilisierung des Vergaberechts – und ebenso mutige Verwaltungschefs, die entsprechende Partnerschaften eingehen und Kontrolle dort ausführen, wo es ihre staatliche Hoheitsaufgabe erfordert, und Kontrolle abgeben, wo es jemanden gibt, der es besser kann.
Wie es anders gelingen könnte
Eine Möglichkeit wären funktionale Ausschreibungen, bei denen eine Kommune statt detaillierten Leistungsbeschreibungen auf die Stärke des Wettbewerbs um die besten Ideen und Lösungen setzt. Spätestens ab der Ausführungsplanung lässt sie Leistungen aus einer Hand ausführen inklusive der Übernahme von Kosten- und Zeitrisiken.
Heute plant die Verwaltung in der Regel alles selbst und schreibt jede Schraube, jeden Meter Holz aus – Aufgaben, die sie nicht selbst ausführen muss. Es wäre unvorstellbar, die Bestellung eines Dienstwagens auf diese Weise vorzunehmen. Zudem dreht sich alles um den Preis, aber nicht um die besten und effizientesten Lösungen, die nebenbei auch Zeit und Emissionen sparen und damit wesentlich zu den Zielen beitragen würden, die wir uns als Gesellschaft insgesamt gegeben haben.
Die durch mehr Effizienz gewonnene Freiheit wäre ein Treiber für Innovationen. Ein Fremdwort in der heutigen Bauwelt. Dabei könnten wir schneller, wirtschaftlicher, reibungsloser und nachhaltiger bauen. Technisch gesehen ist das keine Raketenwissenschaft. Der Staat muss dafür nur mutiger sein und Innovationen zulassen. Kurz: Die öffentliche Hand hat es selbst in der Hand!
Tim-Oliver Müller
Der Autor
Tim-Oliver Müller ist Hauptgeschäftsführer beim Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V.



