Die Altmark in Sachsen-Anhalt ist die am dünnsten besiedelte Region der Republik. Damit an den Einwohnern die digitale Zukunft nicht vorbeizieht, haben die Kommunen dort ein ehrgeiziges Glasfaserprojekt aufgesetzt. Die Redaktion sprach darüber mit Andreas Kluge vom Zweckverband Breitband Altmark.
Herr Kluge, was ist das Besondere am Breitbandprojekt in der Region Altmark?
Kluge: Die Altmark ist so groß wie das Saarland und Luxemburg zusammen, die Bevölkerungsdichte beträgt aber nur einen Bruchteil des Wertes für andere Regionen. So fällt und fiel die Altmark bei Ausbauentscheidungen privater Telekommunikationsunternehmen immer durch das Raster, weil man Infrastrukturinvestitionen vor allem daran bemisst, wie eine Refinanzierung über die Nutzer erfolgen kann. Weil die Kommunen in der Altmark nicht auf den privaten Ausbau warten oder mit einem zweitklassigen Netz weiterhin abgehängt sein wollten, galt es, ein Projekt mit Nachhaltigkeit zu erdenken. Glasfaser bis in die Häuser der Bürger ist und war die richtige Antwort. Die Bürger in der Altmark sollen gegenüber denen in der Stadt oder in anderen Regionen nicht im Hintertreffen sein.
Wie gelingt ein anspruchsvoller Breitbandausbau im ländlichen Raum?
Kluge: Die Erfolgsfaktoren sind ein sehr gutes Fördermanagement flankiert durch Fachkenntnisse insbesondere im Breitbandausbau. Wir setzen hier auf Bewährtes und verfahren wie im kommunalen Bereich üblich. Es erfolgt zuerst die Ausschreibung und Beauftragung von Planern, die basierend auf unserer Netzplanung die weiteren Schritte, die Genehmigungs- und Ausführungsplanung übernehmen. Im Anschluss schreiben sie die Tiefbauleistungen aus und überwachen die Umsetzung. Sie werden dabei von jeweils zwei Mitarbeitern des ZBA, des Zweckverbandes Breitband Altmark, überwacht, die vor allem die förderkonforme Umsetzung prüfen.
Nach welchem Konzept bauen Sie aus?
Kluge: Wir setzen Glasfaser bis ins Haus, Fibre to the building, um. Dabei werden gemäß den Vorgaben der Fördermittelgeber sechs Fasern in jeden Haushalt verlegt. Eine Faser ist theoretisch in der Lage, bis zu 10 Gbit/s Daten zu übertragen. Mit den sechs Fasern wird der Grundstein für eine skalierbare Netzinfrastruktur gelegt. Und weil wir die Fasern in Leerrohre einblasen, ist kein erneuter Tiefbau erforderlich, sollten sie einmal erneuert werden müssen.
Welche Organisationsform hat der Zweckverband für sein Ausbauprojekt gewählt?
Kluge: Wir bauen nach dem Betreibermodell aus, was grundsätzlich bedeutet, dass wir das Netz errichten und es den Kommunen nach Fertigstellung gehört. Es wird an einen Netzbetreiber vermietet, der für den Kontakt zu Endkunden und weiteren Internetanbietern sorgt. Unser Netz ist ein offenes Netz: Jeder Anbieter kann seinen Kunden Internet und andere mediale Dienste über eine zukunftsfeste Infrastruktur in der Altmark anbieten.
Wo kommt das Geld für den Glasfaserausbau her?
Kluge: Wir erhalten Bundes- und Landesfördermittel, ohne die das Projekt für die Kommunen nicht finanzierbar wäre. Daneben ist noch der kommunale Eigenanteil aufzubringen. Die Breitbandförderung in Deutschland sieht vor, dass im Betreibermodell die Kommunen ihre eigenen Investitionen über Pachteinnahmen refinanzieren. Wir als Zweckverband erhalten von unserem Netzbetreiber einen gewissen Anteil der Kundenpreise für den Anschluss als Pachtzahlung. Die Höhe ist vertraglich geregelt. Dieser Anteil dient der Refinanzierung des Eigenanteils, den der ZBA in Form von Kommunaldarlehen aufnimmt.
In welcher Höhe werden die staatlichen Fördermittel in Anspruch genommen?
Kluge: Wir haben Anträge auf Bundes- sowie Landesfördermittel für unsere drei Projekte Anfang 2017 gestellt. Insgesamt beläuft sich die Förderung auf rund 41 Millionen Euro aus dem Bund sowie rund 24 Millionen Euro aus dem Land. Die Eigenmittel umfassen rund 77 Millionen Euro.
Mit welchen Partnern arbeiten Sie bei der Umsetzung zusammen?
Kluge: Wir wollen auf kompetente Unternehmen setzen, so etwa bei den Planungsleistungen. Wir arbeiten darüber hinaus mit wissenschaftlichen Einrichtungen zusammen, etwa dem Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik oder dem Heinrich-Hertz-Institut in Berlin. Diese Einrichtungen können mit einem algorithmischen Ansatz ein kostenoptimiertes Netz erstellen. Mit mehreren Infrastrukturunternehmen wie zum Beispiel der Avacon kooperieren wir in Mitverlegungsprojekten. Von der Firma Gasline, die derzeit eine neue Trasse durch die Altmark plant, wurde der Zweckverband mit dem Vorschlag angesprochen, hier mitzuverlegen. Das würde ein Einsparpotenzial von bis zu vier Millionen Euro bedeuten. Die notwendige förderrechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung des Bundes für die Mitverlegung haben wir bereits, die des Landes steht leider noch aus.
Wie tragfähig ist das Ihrem Glasfaserprojekt zugrundeliegende Geschäftsmodell, wer trägt die Risiken und was passiert, wenn die Einnahmen ausbleiben?
Kluge: Durch den Pachtvertrag mit dem Netzbetreiber sind die Einnahmen abgesichert. Bei Erreichung der Mindestakzeptanzquote kann gebaut werden. Der Netzbetreiber hat dabei ein hohes Interesse, dass wir das Netz zügig bauen. Denn er bekommt es quasi frei Haus geliefert und muss lediglich die Investitionen für die aktive Netztechnik umsetzen. Diese bewegen sich aber im Vergleich zu den Gesamtkosten im einstelligen Prozentbereich. Sollte dennoch der Netzbetreiber ausfallen, gibt es viele Anbieter auf dem Markt, die das Netz ihren Kunden anbieten könnten. Das Breitbandgeschäft ist und bleibt lukrativ, denn in der Digitalisierung liegt die Zukunft. Digitalisierung geht aber nur mit entsprechendem Fundament – dem Breitbandausbau.
Spielt Parallelausbau durch andere TK-Unternehmen eine Rolle?
Kluge: Ja, und zwar eine große, und das gefährdet die Umsetzung unseres Vorhabens. Die Bürger haben in der langen Begutachtungszeit unserer Förderanträge durch die Mittelgeber einen privaten Ausbau erlebt und sind auch zu dem entsprechenden TK-Unternehmen gegangen. Wer kann ihnen das verdenken? Dennoch wächst auch das Bewusstsein in der Bevölkerung für die Bandbreitenbedarfe. Es hat sich herumgesprochen, wie weit man am Ende kommt, wenn man einen Anschluss von lediglich bis zu 50 Mbit/s Leistung bestellt hat. Auch durch die neuen Produkte am Markt wird mittlerweile die Untergrenze für die Leistungsfähigkeit des Internetanschlusses gesetzt. Für die extrem hoch auflösenden 4K-Fernseher genügen 50 Mbit/s nicht mehr. Es muss mehr sein und nächstes Jahr dann noch einmal mehr. Das setzt ein skalierbares, zukunftsfestes Netz voraus und das ist nur das Glasfasernetz. Allerdings liegt das Problem darin, ob der Bürger diese Zusammenhänge versteht oder nicht. Wenn er gerade einen Vertrag mit der Konkurrenz für zwei Jahre geschlossen hat, ist er eher nicht gewillt, sofort einen neuen zu unterschreiben. Das wissen auch die privaten TK-Anbieter und setzen genau darauf.
Interview: Wolfram Markus
Zur Person: Der Diplom-Kommunikationsinformatiker Andreas Kluge (Jg. 1979) ist seit 1. März 2017 Geschäftsführer des Zweckverbandes Breitband Altmark (ZBA). Zuvor war er am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Braunschweig als Geschäftsfeldentwickler für innovative Technologien und Digitalisierung tätig. An der Hochschule Harz ist er seit 2016 Honorardozent im Fach Internet of Things/Future Internet.
Info: Der Zweckverband Breitband Altmark (ZBA) mit Sitz in Salzwedel erschließt die Altmark mit Glasfaserleitungen bis ins Haus. Das Gesamtinvestitionsvolumen für dieses Infrastrukturvorhaben beläuft sich auf mehr als 140 Millionen Euro. Im Blick sind dabei insbesondere die dezentral gelegenen und unterversorgten Orte der 4700 Quadratkilometer großen Region. Dem ZBA gehören als Mitglieder der Altmarkkreis Salzwedel, der Landkreis Stendal und 20 Städte und Gemeinden in beiden Kreisen an.