Nachforderung

Der Auftraggeber darf ein Angebot nur dann wegen Unvollständigkeit von der Wertung ausschließen, wenn er zuvor den Bieter aufgefordert hat, die fehlenden Angaben oder Erklärungen nachzureichen. (OLG München vom 23. Dezember 2010 – AZ Verg 21/10)

In dem vom OLG München zu entscheidenden Fall wandte sich ein Bieter gegen die Aufhebung des Vergabeverfahrens. Die Vergabestelle hatte das Verfahren wegen unvollständiger Angebote aufgehoben und neu ausgeschrieben. Das Gericht gab dem Bieter weitgehend Recht. Der Auftraggeber sei seinen Pflichten nicht ausreichend nachgekommen. Er habe nicht sämtliche Angebote von der Wertung ausschließen dürfen. Für einen Ausschluss wegen Unvollständigkeit sei stets Voraussetzung, dass die fehlenden Angaben in den Vergabeunterlagen eindeutig gefordert worden seien. Dabei sei nicht der Wille der Vergabestelle maßgeblich, sondern das Verständnis der potenziellen Bieter. Eventuelle Unklarheiten dürfen nicht zu Lasten der Bieter gehen.

Zudem hat das OLG München klargestellt, dass Auftraggeber seit der Vergaberechtsreform 2009 im VOB-Verfahren eine Nachforderungspflicht trifft. Das Angebot eines Bieters dürfe nicht wegen Unvollständigkeit ausgeschlossen werden, bevor der Auftraggeber dem Bieter nicht die Gelegenheit gegeben habe, die fehlenden Angaben oder Erklärungen nachzureichen.

Ute Jasper / Jan Seidel