Nicht Licht soll werden, sondern die Nacht soll Raum bekommen, auf dem Land wie in Städten: Dafür plädieren Forscher und Umweltschützer. Straßenbeleuchtung reduzieren , dafür setzt sich auch Beleuchtungsexpertin Sabine Frank ein – und verweist darauf, dass der Rechtsrahmen größer sei, als viele meinen.
Es gilt längst nicht mehr nur für den städtischen Raum – auch im ländlichen Raum führen unnötig und falsch installierte oder gestaltete Leuchten zu Blendung sowie ungewollter Ausleuchtung der Umgebung und erzeugen starke Fernwirkungen, etwa die Aufhellung des Nachthimmels. Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass nächtliche künstliche Beleuchtung nicht nur das Orts- und Landschaftsbild negativ verändert, sondern auch wildlebende Tiere und Pflanzen mit zum Teil fatalen Folgen beeinträchtigt und damit das Artensterben erheblich vorantreibt.
Oft wird übersehen, dass durch die Streuung von Aerosolen und die Reflexion an Wolken und Partikeln Licht aus den Siedlungsgebieten in die Umgebung gelangt und selbst eigentlich dunkle Gebiete künstlich aufhellt. Dieser so genannte Skyglow reicht aus, damit zum Beispiel Nachtfalterlarven sich nicht verpuppen können, um den Winter zu überstehen – und das wiederum führt zu Populationsverlusten.
Das Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung an der Universität Jena stellte im Herbst 2023 fest: „Schon geringe Mengen künstlichen Lichts können ganze Ökosysteme stören“ und sogar unterirdische Lebensgemeinschaften im Boden beeinflussen.
Verlust der Sichtbarkeit des Sternenhimmels
Der immense Ressourcen- und Energieverbrauch für künstliches Licht in der Nacht sowie der Verlust der Sichtbarkeit des Sternenhimmels sind weitere Probleme – und das mit einer kulturellen Dimension. Denn man wird in den Siedlungen um eine der faszinierendsten Naturerfahrungen beraubt, die einer der effektivsten Zugänge zu den MINT-Fächern ist (MINT steht für: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik).
Aber spätestens seit der drohenden Energiemangellage im Herbst 2022, die das Stromsparen temporär zur wichtigsten Maßnahme gemacht hat, dürften sich viele in den Kommunen die Frage gestellt haben, ob es wirklich notwendig ist, öffentliche Straßen, Wege und Plätze flächendeckend und während der ganzen Nacht zu beleuchten. Immerhin liegen von den 4000 Nachtstunden im Jahr 2900 in der nutzerarmen Zeit zwischen 22 und sechs Uhr. Die Energiekosten für die Beleuchtung machen in der Regel einen großen, wenn nicht gar den größten Teil der kommunalen Stromkosten aus.
Keine Pflicht zur Installation von Beleuchtung
Gleichzeitig sehen die Landesstraßengesetze – mit Ausnahme von Berlin – keine Pflicht zur Installation von Beleuchtung als Aufgabe des Straßenbaulastträgers vor. Einige Landesstraßengesetze wie in Thüringen nehmen die öffentliche Beleuchtung sogar explizit als kommunale Aufgabe heraus. Auch die Straßenverkehrsordnung (StVO) schreibt einzig für Fußgängerüberwege gemäß § 26 oder VwW zu § 26 eine ortsfeste und gesetzliche Beleuchtungspflicht vor.
Wer sich auf die viel beschworene Verkehrssicherungspflicht beruft, wird bei einer Recherche schnell feststellen, dass es sich hier nicht um eine eigenständige gesetzliche Regelung handelt. Vielmehr ist die Kommune im öffentlichen Raum zur Erhaltung und Beseitigung von (geschaffenen) Gefahrenquellen verpflichtet, was unterschiedliche Maßnahmen wie Absperrungen oder die Beseitigung der Gefahrenquelle umfassen kann.
Nässe und Dunkelheit zählen als vorhersehbare, wiederkehrende und natürliche Gegebenheiten nicht zu den zu beseitigenden Gefahrenquellen. Vielmehr verweist die StVO auf die erhöhte Sorgfaltspflicht aller Verkehrsteilnehmer, sich rücksichtsvoll und eigenverantwortlich auf die Straßen-, Sicht- und Witterungsverhältnisse einzustellen.
Das bedeutet, dass jeder, der am Straßenverkehr teilnimmt, gemäß § 17 StVO dafür verantwortlich ist, sein Fahrzeug mit den in der StVZO vorgeschriebenen Beleuchtungseinrichtungen auszurüsten und zu benutzen. Fußgänger genügen ihrer Sorgfaltspflicht, indem sie zum Beispiel eine Taschenlampe mitführen und sich den Umständen entsprechend vorsichtig bewegen.
Oft wird die Angst vor einem Haftungsrisiko als Grund für Beleuchtung angeführt. Wenn das gelten würde, gäbe es aber zum einen gesetzlich normierte Pflichten. Zum anderen würden Urteile sie bestätigen. Diese Urteile fehlen jedoch.
Es dürfte deutlich weniger beleuchtet werden
Auch Industrienormen wie die DIN EN 13201 stellen mangels Regelungskompetenz der Normungsgremien keine gesetzliche Regelung dar. Selbst wenn Industrienormen zur Orientierung herangezogen werden, bieten sie so viel Spielraum, dass es für eine Kommune unmöglich ist, nicht nach DIN zu beleuchten. Das heißt: Man könnte deutlich weniger beleuchten, als es aktuell oft der Fall ist – wobei die Beleuchtungspraxis sich nicht auf gesetzliche Vorgaben, sondern allenfalls auf das in Artikel 28 GG verfassungsrechtlich garantierte Selbstverwaltungsrecht stützen muss.
Aktuell wird in Deutschland sehr unterschiedlich beleuchtet: gar nicht oder mehr oder weniger umfangreich – alles geht. Wissenschaftlich-empirisch gesicherte Erkenntnisse, dass eine Beleuchtung oder Nichtbeleuchtung der Fahrbahn, große Abstände zwischen den Masten oder das Abschalten jeder zweiten Leuchte – die angeblich „problematischen hell-dunkel-Bereiche“ – die Zahl der Verkehrsunfälle reduzieren, sind nicht vorhanden. Belegt sind jedoch Kollisionen mit Leuchtenmasten.
Gleichzeitig wurden Bürgerinnen und Bürger an eine Dauerbeleuchtung gewöhnt, und Eigenverantwortung – die Mitnahme einer Taschenlampe, wie man auch einen Regenschirm dabei hat – ist wenig vorhanden. Dies hat dazu geführt, dass fälschlicherweise von einem Anspruch auf Beleuchtung ausgegangen wird oder auch die falsche Angst vor schwach beleuchteter Umgebung – „die gefährliche Nacht“ – geschürt wird.
Weniger Licht für mehr Artenschutz
Dem steht gegenüber, dass die Notwendigkeit unbestritten ist, Lichtimmissionen in Siedlungsgebieten zu reduzieren, die vor allem von der Straßenbeleuchtung verursacht werden – insbesondere vor dem Hintergrund des besorgniserregenden Zustands der Artenvielfalt. Die Roten Listen zeigen es leider allzu deutlich.
Der Gesetzgeber hat reagiert: Die Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) aus dem Jahr 2021 sieht Beleuchtungsreduzierung vor. Spätestens mit der Inkraftsetzung von § 41a werden Kommunen verpflichtet, Tiere und Pflanzen vor schädlichen Lichteinwirkungen zu schützen. Zudem sehen die EU-Wiederherstellungsverordnung von August 2024 ebenso wie die Nationale Biodiversitätsstrategie aufgrund der massiven Probleme mit den Bestäuberpopulationen die Reduzierung der Lichtverschmutzung in allen Ökosystemen vor.
Dauerbrenner Straßenbeleuchtung reduzieren
Hinzu kommt, dass künstliche Beleuchtung längst als schädliche Umwelteinwirkung nach § 3 des Bundesimmissionsschutzgesetzes erfasst ist und Grenzwerte für Anwohner gelten. Es ist daher bedauerlich, dass die Straßenbeleuchtung aus technischen Gründen einst aus der Immissionsrichtlinie herausgenommen wurde. Denn vor der LED-Technik war es kaum möglich, Leuchten so zu konstruieren, dass keine Lichtimmissionen entstehen.
Es ist deshalb eine berechtigte Forderung, die Straßenbeleuchtung in die Lichtimmissionsrichtlinie aufzunehmen. Denn Beschwerden, dass es nach der Umrüstung mehr noch als vorher in die Schlafräume strahlt, sind nicht selten.
Zum Weiterlesen
Weitergehende Hinweise zu den Themen Beleuchtung und Lichtverschmutzung sind unter anderem hier zu finden:
- www.biosphaerenreservart-rhoen.de/sternenpark
– Technische Planungshilfen
– Muster-Lichtleitlinie
– Hänel/Frank: Was ist insekten-freundliche Beleuchtung? - BfN Schriften 543 – Leitfaden zur Neugestaltung und Umrüstung von Außenbeleuchtungsanlagen: Anforderungen an eine nachhaltige Außenbeleuchtung
- https://bfn.bsz-bw.de/frontdoor/deliver/index/docId/1813/ file/NuL2023-09-07.pdf
- www.lichtverschmutzung-hessen.de
- https://naturnacht-fulda-rhoen.de/wp-content/uploads/2024/ 10/checkliste-und-leitfaden-kuenstliche-aussenbeleuchtung-1.pdf
Die Auswirkungen künstlicher Beleuchtung sind enorm: Gesundheitsgefahren, Aufhellung von Schlafräumen und Gärten, Artenverlust durch Skyglow oder auch der enorme Ressourcen- und Energieeinsatz sowie die Entfremdung von Natur und Sternenhimmel. Es stellt sich daher die Frage, ob der Schutz vor künstlichem Licht nicht ebenso wichtig oder sogar wichtiger als die ganznächtlichen Komfortansprüche der Bürgerinnen und Bürger.
Zeiten der Straßenbeleuchtung reduzieren
Kommunen haben viele Möglichkeiten, auf die Intensität von Lichtimmissionen Einfluss zu nehmen. Vor allem durch Abschalten, aber ebenso durch Reduzieren und zeitliche Begrenzungen kann viel erreicht werden. Es lohnt sich, auch über Vermeidung von Licht und über Alternativen nachzudenken: zum Beispiel reflektierende Beläge als Begrenzung auf Stufen oder Wegbegrenzungsmarkierungen sowie das eigenverantwortliche Mitführen von Taschenlampen. All das kann Bürgerinnen und Bürger wieder an mehr natürliche Dunkelheit gewöhnen.
Was aber ist wichtig, wenn Licht tatsächlich gebraucht wird? Man sollte niedrige Lichtströme einsetzen und niedrig anbringen, Licht nur nach unten und nur auf die zu beleuchtende Nutzfläche richten und warme Lichtfarben einsetzen. Wichtig ist ebenfalls, die Nutzung auf die Zeiten zu begrenzen, die unbedingt erforderlich sind. Und: Keine Beleuchtung von Grün- und Wasserstrukturen, denn sie sind wertvolle Lebensräume und Rückzugsgebiete für Tiere und Pflanzen.
Diese Grundsätze können in selbstverpflichtende Beleuchtungsrichtlinien einfließen – und über die Aufnahme in die Bauleitplanung, in Baugenehmigungsverfahren, städtebauliche Verträge, Ausschreibungen und Förderprogramme konkretisiert in die Praxis umgesetzt werden.
Spielräume für behutsame Beleuchtung oft kaum genutzt
In jedem Fall empfiehlt sich die Einberufung eines „Licht-Gremiums“, in dem auch Fachleute aus nicht-technischen Bereichen vertreten sind. Denn eines der größten Probleme liegt darin, dass Beleuchtung oft ohne Notwendigkeit technisch-industriell ausgelegt wird und Gestaltungsspielräume für eine behutsame und ästhetische Beleuchtung kaum genutzt werden.
Die Anwendung aller naturschutzrechtlichen Verpflichtungen auch auf die Dunkelstunden bleibt eine der Hauptanforderungen der Nachtschützer. Und ebenso die breit angelegte Information und Sensibilisierung von kommunalen Entscheidungsträgern, von Industrie, Planern sowie der Bevölkerung. Denn Unwissenheit über die gesellschaftlichen und ökologischen Konsequenzen nächtlicher Dauerbeleuchtung und ein hohes Anspruchsdenken führen dazu, dass die Umsetzung von Maßnahmen oft auf Vorbehalte stößt. Das heißt aber auch: Maßnahmen zur Akzeptanz und zu einer sachlichen, differenzierten Betrachtung sensibler Themen führen zur erfolgreichen Reduzierung von Lichtimmissionen.
Straßenbeleuchtung reduzieren kommt zum Teil sehr gut an
Sehr gut sind die Erfahrungen in Kommunen, die zum Teil oder komplett abschalten – darunter auch Großstädte wie Gütersloh. Dazu kommen die guten Erfahrungen mit den Beleuchtungsverboten während der Energiekrise, zum Beispiel: Kirchen wurden nicht beleuchtet, darunter das Nichtanleuchten von Kirchen und die andauernde Außerbetriebnahme der Beleuchtung von Kraftfahrtstraßen.
Es ist ein gutes Gefühl, durch Abschaltung und Eigenverantwortung etwas für Arten- und Klimaschutz zu tun und dabei der Kommune Kosten zu ersparen. Zur Steigerung der Lebensqualität trägt es auch bei, wenn in den nächtlichen Kernstunden keine Lichtimmissionen in Schlafräume dringen und der Sternenhimmel in die Siedlungen zurückkehrt. Also: Licht aus, Sterne an!
Die Autorin
Sabine Frank ist sie Nachtschutzbeauftragte des Landkreises Fulda. Zudem hat sie 15 Jahre Erfahrung mit der Umsetzung von Beleuchtungsrichtlinien im Sternenpark Rhön.
Sabine Frank