Miteinander schafft Mehrwert

Die Teilnahme am öffentlichen Leben sollte niemandem aus materiellem Mangel verwehrt sein. Ebenso sollte die Gesellschaft niemanden ausschließen, der arbeitslos ist. Damit soziale Grenzen überwunden werden können, ist Teilhabe und Teilen notwendig. In vielen Kommunen gibt es entsprechende Inititiativen.

Nichts erfüllt mehr als gebraucht zu werden.“ Dieser Slogan des Bundesfreiwilligendienstes verdeutlicht treffend, dass Teilhabe vermutlich die beste Form der gesundheitlichen Prävention ist. Kinderlosigkeit, Trennungen, räumlich weit voneinander entfernt lebende Familienmitglieder und immer individuellere Lebensentwürfe können bei den Betroffenen zu Vereinzelung führen, nicht selten auch zu Rückzug und psychischen Problemen. Im Alter tragen Kommunen möglicherweise die Lasten, indem vorzeitige Betreuung und stationärer Aufenthalt finanziert werden müssen. Die Verhinderung der negativen Folgen von Vereinzelung durch Teilhaben im Sinne von aktiver Teilhabe, also der Aufbau sozialer, weitestmöglich selbstorganisierter Netze ist daher ein gesellschaftliches Muss und Voraussetzung für zukunftsfähige kommunale Gemeinwesen.

Ressourcen schonen

Die Kommunal-Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung veranstaltete im März dieses Jahres im Köln eine Tagung zu diesem Thema und stellte sie unter einen Titel, der die wechselseitig aufeinander bezogenen Bedeutungen begrifflich zusammenfasst: „TEIL-hab-EN“. „Was du verschenkst, ist nicht verloren.“ Mit diesem Zitat von Mahatma Gandhi eröffnete Bernd Maibaum (Oldenburg), Initiator verschiedener kommunaler Internet-Tausch- und Verschenkmärkte, seinen Vortrag. Er machte damit deutlich, dass sich die Notwendigkeit von Teilhabe und Teilen vielfältig mit dem Erfordernis der Ressourcenschonung verbinden lässt.

Nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz sind die Kommunen zur Abfallvermeidung verpflichtet. Mit der Einrichtung eines Tausch- und Verschenkmarktes kommuniziert ein kommunaler Abfallwirtschaftsbetrieb, dass er sich ökologisch engagiert und Verantwortung für Umwelt und Region übernimmt.

Eine wichtige kommunikative und Teilhabe-Komponente haben auch die ebenfalls oft von Kommunen oder kommunalen Entsorgungsbetrieben zur Abfallvermeidung angebotenen Repair-Cafes. In Recklinghausen (Nordrhein-Westfalen) zum Beispiel dient die Altstadtschmiede, eine städtische Immobilie, als Treffpunkt und als Ort weiterer Angebote, etwa für Jugendliche.

Auch der Begegnungsort Birker Bahnhof in Wuppertal (Nordrhein-Westfalen), Teil der sogenannten Utopia-Stadt, beherbergt ein Repair-Cafe. Wie häufig verbindet sich hier ehrenamtliches Engagement – im Betreiberverein – mit einem kommunalen finanziellen Beitrag, hier seitens der Stadtentwicklung. Urban Gardening ist ein weiterer Bestandteil der Utopia-Stadt.

Urban-Gardening-Projekte (s. der gemeinderat 3/2016, S. 26, der gemeinderat 4/2016, S. 60 und online) zeichnen sich in besonderem Maße durch Kommunikation und Begegnung aus. Sie sind häufig generationenübergreifend, interkulturell und verbinden unterschiedliche Milieus. Die baden-württembergische Landeshauptstadt Stuttgart misst dem „Beitrag der Bürger zu einer lebenswerten und lebendigen Stadt“ (www.stuttgart.de) eine derart hohe Bedeutung bei, dass sie eigens einen Urban-Gardening-Beauftragten beschäftigt.

Facetten des Urban-Gardening nehmen immer mehr auch den Aspekt der Ressourcenschonung auf. Initiativen wie „SOLAWI – Solidarische Landwirtschaft; sich die Ernte teilen“, „Meine Ernte“ oder „Food Assembly“ wollen durch Kauf von Lebensmitteln aus der Region lange Transportwege vermeiden. Zum Konzept gehört der bewusste Konsum von Lebensmitteln der jeweiligen Saison. Kommunen nehmen diese Trends auf und bündeln sie, verbunden unter anderem mit der Frage, wie sich Stadtgesellschaften in Zukunft ernähren sollten und können. In Berlin und Köln beispielsweise haben sich dazu sogenannte Ernährungsräte gegründet.

Alles trägt zum Unterhalt bei

Die „essbare Stadt“, zum Beispiel Andernach (Rheinland-Pfalz), trägt dem Ziel der höheren Wertschätzung für regionale Lebensmittel Rechnung, indem auf öffentlichen Grünflächen Obst, Gemüse und Kräuter wachsen. Die Stadt wurde damit zum Preisträger „Ausgezeichneter Ort 2013/2014“ beim bundesweiten Innovationswettbewerb. In Andernach kann jedermann ernten und jäten. Die Stadt ermöglichte die Teilhabe am Arbeitsleben vor allem bei der Anlage der Nutzpflanzen-Flächen im Rahmen einer gemeinnützigen Beschäftigungsgesellschaft.

Eine solche – der Volksverein Mönchengladbach – war auch beim Fachsymposium „TEIL-hab-EN“ vertreten. „Teilen macht reich“, so das Motto des Unternehmens. Betont werden soll in dieser Hinsicht besonders die tiefe Verankerung in der Stadtgesellschaft, die sich nicht zuletzt darin äußert, dass der Anteil an Spenden zur Finanzierung der Arbeit deutschlandweit mit am höchsten im Vergleich zu ähnlichen Unternehmen ist; ein Ausdruck auch von Wertschätzung der Leistungen seiner Beschäftigten.

Ressourcenschonung wird im Volksverein durch Aufarbeitung und Verkauf gebrauchter Möbel, Kleidung und Haushaltsartikel praktiziert. Das unter anderem vom Europäischen Sozialfonds geförderte bundesweite Projekt RECOM („Wiederverwendung und Ressourcenschonung im regionalen Netzwerk”), an dem die Mönchengladbacher beteiligt waren, zeigte auf, wie durch Kooperation unterschiedlicher Akteure weitere Arbeitsplätze für am Arbeitsmarkt benachteiligte Menschen entstehen können, also „Teilhabe und Teilen“ expandieren kann.

Der Trendforscher Matthias Horx äußerte Anfang 2016 in einem Interview, es gebe in Deutschland einen unglaublichen Kooperationswillen, der sich in Phänomenen wie Urban Gardening, der „Share Economy“ oder im Engagement für Flüchtlinge ausdrücke. Er zog für 2015 die Bilanz, dass wir in einer Gesellschaft voller Empathie-Bereitschaft leben. Für 2016 prognostizierte er einen Achtsamkeitstrend. Demnach wollen sich immer mehr Menschen um sich selbst und um andere kümmern.

Dazu zählt, so soll hier ergänzt werden, ein Leben mit der Natur und den vorhandenen Ressourcen sowie deren pflegliche Nutzung und Verwendung. Ein Kampf gegen die Natur ist ein Kampf gegen sich selbst, so zum Beispiel die Naturwerk-Schule Mainz in ihrer Selbstdarstellung. In diesem Sinn unterstützen bereits viele Kommunen die Nachhaltigkeitstrends in unserer Gesellschaft.

Das volkswirtschaftlich effizienteste Ergebnis von Erwerbsarbeit ist im ersten Arbeitsmarkt zu erwarten. Die Teilhabe für alle wird jedoch immer auch Komponenten von Transferzahlungen, Lohn-Subventionierung und Arbeiten in Beschäftigungsgesellschaften haben. Derartige Arbeitsergebnisse und die Erbringer der Leistungen gleichermaßen wertzuschätzen, sollte unablässiges gesellschaftliches Streben sein. Bereits heute werden ehrenamtliche Teilhabe-Leistungen in vielen Kommunen immateriell honoriert. Visionär ist eine Gesellschaft, in der die Grenzen zwischen Erwerbsarbeit, subventionierter Arbeit und Ehrenamt insofern fließend werden, als jede dieser Tätigkeiten einen hinreichenden Lebensunterhalt ermöglicht.

Mechthild Scholl

Die Autorin
Dr. Mechthild Scholl ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Kommunal­akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung in Sankt Augustin