Viel ist in Bewegung – auch bei der Stuttgarter Stadtverwaltung. Martina Bramm, Leiterin der Personalentwicklung, erklärt, mit welchen Angeboten zur Aus-, Fort- und Weiterbildung sie und ihr Team die Mitarbeitenden unterstützen.
Energie- und Verkehrswende, Digitalisierung, Klimaschutz und Klimawandel, demografischer Wandel, Fachkräftemangel … – für die Kommunen sind das große Herausforderungen. Wie bewältigt das die Stadt Stuttgart?
Martina Bramm: Von diesen Herausforderungen beschäftigen uns derzeit in der Weiterbildung und Personalentwicklung am meisten die Themen Digitalisierung, Fachkräftemangel und demografischer Wandel. Denn sie treten flächendeckend und nicht nur in einem Zuständigkeitsbereich auf. Sie müssen zum einen gesamtstädtisch-strategisch und dann nochmals individuell in Bezug auf die einzelnen Ämter betrachtet werden. Ein Fachkräftemangel bei Erzieherinnen ist etwas anderes als ein Fachkräftemangel im Ingenieurwesen oder in der IT. Energie und Verkehrswende, Klimaschutz und Klimawandel sind ebenfalls sehr wichtig, diese Themen haben wir in einer Stabsstelle und mehreren Ämtern fachlich verankert.
Es geht vor allem auch darum, dass die Kommunen immer mehr Aufgaben bewältigen müssen.
Bramm: In Stuttgart konnten wir aufgrund einer noch guten Finanzlage in den vergangenen zwei Jahren personell aufstocken – gerade für Klimaschutz, Energie und Verkehrswende haben wir zusätzliche Stellen geschaffen und konnten Fachexperten einstellen. Personell sind wir diesbezüglich gut abgedeckt.
Wie gelingt der Umgang der Mitarbeitenden mit den Herausforderungen und Transformationen? Welche Rolle spielen dabei die Ausbildung neuer Mitarbeiter und die regelmäßige Weiterbildung der Kollegen?
Bramm: Erfahrungen im Umgang mit Veränderungen und Herausforderungen haben wir alle bereits während der Coronapandemie gemacht. Und da hat sich gezeigt, wie wichtig insbesondere eine gute und schnelle Kommunikation ist. Entscheidend sind bei solchen Transformationsprozessen pragmatische Lösungen. Deshalb setzen wir auf die Ausbildung des Nachwuchses, aber auch darauf, die langjährigen Fach- und Führungskräfte mitzunehmen. Für uns in der Personalentwicklung ist es enorm wichtig, verschiedene Formen, Formate und Plattformen zu nutzen, um die jeweilige Zielgruppe zu erreichen und das Prinzip des lebenslangen Lernens in der Organisation zu verankern. Das versuchen wir, indem wir die Themen Fort- und Weiterbildung in der persönlichen Entwicklung der Mitarbeitenden immer wieder einspielen.
Was sind das für Angebote?
Bramm: Zum Beispiel bieten wir online im Bereich Digitalisierung einen Kompetenzcheck digital mit unterschiedlichen Anforderungsniveaus an: für Führungskräfte, für eher digital affine Kollegen und für digital fernere Kollegen. Am Ende gibt es eine individuelle Auswertung mit dem Verweis auf unsere Fortbildungsangebote und Infomaterialien, die wir im Intranet zur Verfügung stellen. So kann jeder sehen, wo er steht, und das Ergebnis etwa ins Mitarbeiterjahresgespräch mitnehmen, um mögliche Fortbildungen zu vereinbaren. Für Führungskräfte gibt es spezielle Coachings, die sich mit dem Thema Digitalisierung beschäftigen.
In welchen Bereichen und zu welchen Themen finden die meisten Fort- und Weiterbildungen statt und wo besteht der höchste Bedarf?
Bramm: Wir haben vier Weiterbildungsprogramme in unserem Bildungscampus: für Führungskräfte, für überfachliche Qualifikation für alle Mitarbeitenden, für Azubis und Studierende und eines für Mitarbeitende aus dem stärker gewerblich-technischen Bereich. Übergreifend haben wir die meisten Angebote und Nachfragen in den Rubriken Kommunikation und soziale Kompetenz. Schwerpunkte als Verwaltung und Dienstleistungsbetrieb sind der Umgang miteinander, die Zusammenarbeit und Kommunikation im Team und mit den Bürgern. Da spielt auch die Digitalisierung mit hinein, wie etwa Projekte und Themen gut dargestellt und vermittelt werden können. Stark nachgefragt wird außerdem das Thema Arbeitsschutz und Gesundheit, also Gesunderhaltung der Mitarbeiter. Dazu gehört etwa der digitale Stress – wie bewältige ich die E-Mail-Flut und information overload –, aber auch Ergonomie am Arbeitsplatz oder gutes Arbeiten im Homeoffice.
Stadt Stuttgart
- Es gibt 758 Azubis und dual Studierende in 46 Ausbildungs- und Studiengängen.
- Knapp 16.000 aktiv Beschäftigte arbeiten bei der Stadt Stuttgart.
- 2023 gab es 850 Seminare im internen Seminarprogramm mit rund 11.000 Teilnahmen. Dazu kommen Unterweisungen und Programme und eigene Weiterqualifizierungen etwa im Erziehungsbereich.
Wie sieht es bei den berufsbegleitenden Masterstudiengänge aus?
Bramm: Wir haben und fördern berufsbegleitende Masterstudiengänge, Zusatzqualifizierungen, aber auch Meister und Technikerfortbildungen. Hierfür wurden Förderrichtlinien mit der Personalvertretung ausgearbeitet, die Förderungen in Geld und Freistellung vorsehen. Je nach Grad des dienstlichen Interesses ist eine solche Förderung dann höher oder etwas niedriger.
Welche Schwerpunkte gibt es bei den Studienfächern?
Bramm: Für die Fachexperten in unserem Amt für Digitalisierung, IT und Organisation ist natürlich das Thema Digitalisierung ein Schwerpunkt. Weitere große Themen, die wir in vielen Studien- oder Masterstudiengängen fördern, sind in anderen Bereichen Change Management und Projekt- und Prozessmanagement, Leadership oder Systemik.
Wie unterstützen Sie Ihre Mitarbeitenden und welche Erfahrungen machen Sie damit von Seiten der Mitarbeiter?
Bramm: Wir machen sehr positive Erfahrungen, auch mit der neuen Dienstvereinbarung, die wir mit Infoveranstaltungen sehr transparent gestalten. Die Nachfrage nach Weiterqualifizierungen hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen, und schon Studierende, Fach- und Führungskräfte fragen bei ihrer Bewerbung danach. Neben der Unterstützung durch eine teilweise Übernahme der Studiengebühren, der Dienstbefreiung etwa für Prüfungsvorbereitung und -termine versuchen wir auch Input zu geben, etwa wenn Praxisarbeiten zu schreiben sind.
Profitiert davon auch die Stadt Stuttgart?
Bramm: Ja. Deshalb ist uns der Grad des dienstlichen Interesses wichtig, den die Führungskräfte aus dem jeweiligen Bereich beurteilen. Gerade bei Themen, die für den jeweiligen Bereich sinnvoll sein können, ist der aktive Austausch wichtig. Wir verfolgen das Prinzip der Führungskraft vor Ort als direktem Personalentwickler und versuchen so Synergieeffekte zu nutzen und eine Art return on investment zu bekommen.
Der Antrag auf eine Weiterbildung muss geprüft werden und diverse Dienststellen durchlaufen. Wie lange dauert es von der Antragstellung bis zur Genehmigung?
Bramm: Unsere Antragsfrist sieht drei Monate vor Beginn der Maßnahme vor. Das ist realistisch. Auch gibt es die Möglichkeit, dass jemand im Nachgang noch eine Abschlussförderung bekommt, wenn die Dreimonatsfrist überschritten wurde.
Stichwort „Digitalisierung und KI erleichtern Abläufe und entlasten die Mitarbeitenden“: Welche Strategie verfolgt die Stadt Stuttgart diesbezüglich bei der Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden?
Bramm: Bei uns ist die Einführung jedes neuen Systems mit einem Schulungskonzept verbunden für diejenigen, die es anwenden. Zu den großen Themen Datenschutz und Datensicherheit gibt es einige Fortbildungen. Zum Thema KI hat die Stadt vor einigen Monaten ein Sensibilisierungspapier für die Mitarbeiter veröffentlicht, das ihnen eine erste Orientierung geben soll — welche Potenziale diese Technologie hat und wo man verantwortungsvoll damit umgehen muss. Das gilt auch für den Bereich HR: Je nach dem, mit welchen Daten die KI gefüttert wird, können am Ende die klassischen weißen Männer als ideale Bewerber herauskommen. Das muss man wissen, um nicht blind und blauäugig in die Technologie hineinzustürzen, sondern mit Augenmaß bewusst auszuwählen. Basierend darauf planen wir für 2025 eine breite Reihe an Weiterbildungsangeboten in unterschiedlichen Formaten.
Anfang dieses Jahres hat die Stadt Stuttgart das neue Lernmanagementsystem DiCa@LHS (Digitaler Campus Landeshauptstadt Stuttgart) eingeführt. Welche Möglichkeiten bietet es und inwiefern profitieren die Mitarbeitenden davon?
Bramm: Das cloudbasierte System DiCa erleichtert den Zugang zum Lernen noch einmal. Der Zugang erfolgt über den Browser mit der Personalnummer. Die Mitarbeitenden brauchen keine E-Mailadresse und können von überall zugreifen. Auch Anträge und Genehmigungsprozesse laufen digital über die DiCa. 25.000 Anmeldungen für Fortbildungsprogramme in Papierform pro Jahr ins Netz zu verlegen, erleichtert die Prozesse und macht es transparenter. Auch die Lernenden finden jetzt auf der Plattform alle relevanten Informationen zu ihren Fort- und Weiterbildungen – vom Antrag bis zum Zertifikat. Geplant ist außerdem eine Verknüpfung dieser Informationen mit der digitalen Personalakte. Und ein weiterer Vorteil: Im Lernplattform Management System können wir das Weiterbildungsprogramm stets tagesaktuell halten, so dass es im nächsten Jahr letztmalig ein gedrucktes Seminarprogramm geben wird.
Wie sind die ersten Erfahrungen mit dem neuen System?
Bramm: Wer bereits Zugriff hat – das ist inzwischen etwa die halbe Stadtverwaltung Stuttgart – ist sehr angetan davon; von der Seminarverwaltung bis zur Personalvertretung. Es ist selbsterklärend und nach anfänglicher Skepsis überwiegt die Erkenntnis der echten Arbeitserleichterung.
Bis wann bekommen Sie die ganze Stadt an das System angebunden?
Bramm: Ende des Jahres ist unser Ziel.
Stellen Sie mit Blick auf die neuen Weiterbildungsmöglichkeiten, die komplexer werdenden Aufgaben und der Digitalisierung einen Paradigmenwechsel beim Thema Weiter- und Fortbildung fest?
Bramm: Seit der Coronapandemie besteht eine deutlich höhere Affinität, Dinge online zu machen. Der Paradigmenwechsel zeigt sich auch daran, dass wir parallel zur Einführung der Lernplattform eine Dienstvereinbarung zum Thema E-Learning abgeschlossen haben. Bisher galt der Besuch eines Seminars als Arbeitszeit. Mit der Vereinbarung gilt nun auch E-Learning als Arbeitszeit. Es zeigt sich ebenfalls, dass Mitarbeitende heute on-demand lernen wollen, wenn sie es brauchen, und nicht mehr auf Vorrat. Fünftägige Grundlagenfortbildungen sind selten geworden, die Lernzyklen kürzer. Dieses Wissen ist für uns wichtig, um Lernformate anders anbieten zu können.
Ist das Bedürfnis, sich weiterzubilden, heute größer?
Bramm: Ja, das sehen wir an unseren Anmeldezahlen, die sich seit Ende der Coronapandemie kontinuierlich nach oben entwickelt haben – um annähernd 25 Prozent. Tendenz steigend. Unsere derzeitigen Präsenzangebote setzen uns Grenzen – bei den Räumen und der Verfügbarkeit der Trainer. Wir könnten aber deutlich mehr anbieten, weil die Nachfrage so hoch ist. Auch das ist ein Motiv dafür, in die digitale Welt zu gehen, weil die Bedarfe dort besser und zeitnah befriedigen können.
Hat sich das erst seit Corona entwickelt?
Bramm: Es hat sich vorher schon schleichend entwickelt. Zum einen die stufenweise Verkürzung der Seminare von fünf Tagen auf am liebsten drei Stunden Input. Und zum anderen die zunehmende Komplexität der Verwaltung mit immer mehr Themen und Vorschriften. Das hat nochmals zu einer Fortbildungsnachfrage geführt. Bis zu dem Punkt, dass die Mitarbeiter von sich aus das Interesse haben, ihre Arbeit bei allen Veränderungen auch weiterhin gut ausführen zu können.
Zur Person
Martina Bramm ist Leiterin der Abteilung Personalentwicklung, Aus- und Weiterbildung im Haupt- und Personalamt von Stuttgart.
Interview: Birgit Kalbacher