Ein neues Programm in Baden-Württemberg: Das KI-Assistenzsystem F13 verspricht einen großen Schritt in Richtung Leistungsfähigkeit und Souveränität. Vorteile für die öffentliche Verwaltung sieht Staatsminister Florian Stegmann im modularen Aufbau und im offenen Quellcode zur Weiterentwicklung.
Stellen Sie sich vor, Sie sitzen mit Ihrem Smartphone auf dem Sofa und benötigen eine neue App – um eine Einkaufsliste zu schreiben oder Ihre Fotos zu bearbeiten. Was tun Sie? Vermutlich aus dem unermesslichen Angebot an kleinen Helferlein schöpfen, die – auf der anderen Seite der Welt entwickelt – leicht den Weg auf Ihr Smartphone in Deutschland finden.
Kann und muss die KI-Entwicklung für die Verwaltung in ihrer aktuellen Phase nicht ähnlich aussehen? Kann der Ort, an dem eine KI-Anwendung entwickelt wird, weniger relevant werden, als die Frage, ob ein konkreter Bedarf der Anwendung an einer bestimmten Stelle besteht? Ich bin überzeugt davon, dass die Antwort auf diese Frage ja lautet, sogar ja lauten muss. Und genau diese Richtung wollen wir in Baden-Württemberg verfolgen.
Ausgangsgedanke dabei ist, dass wir in der noch jungen Entwicklung von KI-Assistenz für die Verwaltung nicht den Fehler machen sollten, zu früh verwaltungsspezifische Sonderlocken zu entwickeln. Längst haben sich im kommerziellen Bereich einfache KI-Dienste als besonders wertvoll erwiesen und in nie geahnter Geschwindigkeit neue Nutzerkreise erschlossen. So wurde ChatGPT im Februar 2023 der am schnellsten wachsende Onlinedienst aller Zeiten. Nur zwei Monate nach Veröffentlichung zählte ChatGPT bereits mehr als 100 Millionen aktive Anwenderinnen und Anwender. Im September 2024 wurde mit 3,1 Milliarden Besuchern erst kürzlich ein neuer Rekord verzeichnet.
„Wir sollten nicht den Fehler machen, in der noch jungen Entwicklung von KI-Assistenz für die Verwaltung zu früh verwaltungsspezifische Sonderlocken zu entwickeln.“
Florian Stegmann
Wenn also KI-Anwendungen im Internet, die aus nicht viel mehr als einer Texteingabebox bestehen, derartige Nutzungszahlen erreichen, warum denken wir an vielen Stellen bereits über die vollständige Automation von gesamten Geschäftsprozessketten nach, kommen dabei aber vor lauter Nachdenken nicht vom Fleck und bieten nicht das an, was längst etabliert ist?
Diese Frage stellen sich offenbar auch viele Beschäftigte in deutschen Unternehmen. Eine am 4. November 2024 veröffentlichte Studie des Branchenverbands Bitkom zeigt auf, dass in rund jedem dritten Unternehmen in Deutschland die Beschäftigten generative KI mit ihrem privaten Account für Arbeitszwecke nutzen.
Nicht zuletzt vor dem Hintergrund dieser Zahlen ist es unsere Aufgabe, die Kolleginnen und Kollegen beim Thema KI dort abzuholen, wo sie sich gerade befinden. Viele haben erste Erfahrungen mit KI-Anwendungen im Internet gesammelt und dort schnell die Mehrwerte erkannt. Sie wünschen sich nun, diese Funktionen auch im beruflichen Alltag nutzen zu können – sicher und datenschutzkonform.
Wir haben daher in unserer Verwaltungs-KI F13 – mit der wir uns schon früh als Vorreiterland auf diesen Pfad begeben haben – frühzeitig KI-Basisfunktionen integriert. Primär ist hier der KI-Chat zu nennen, den ich gerne als „schwäbisches Taschenmesser“ bezeichne. Er erlaubt es, jede beliebige Textarbeit mit verschiedenen, großen KI-Sprachmodellen zu erproben, wie man es von Onlinediensten gewohnt ist – und dies, ohne dass die Daten das Landesrechenzentrum unseres IT-Dienstleisters BITBW verlassen müssen.
KI-Assistenzsystem F13
Entwickelt wurde das KI-Assistenzsystem F13 durch das Innovationslabor der Landesregierung Baden-Württemberg (InnoLab_bw). F13 ist für alle Ministerien in Baden-Württemberg mit folgenden Funktionen verfügbar:
- Chat,
- Recherche,
- Zusammenfassung,
- Kabinettsvorlage-Vermerk.
Eine Open Source Bereitstellung des F13 Codes für die gesamte Verwaltung wird aktuell vorbereitet.
Eine weitere Funktion ist die Recherche in Landtagsdrucksachen und Pressemeldungen des Landes Baden-Württemberg. Diese Funktion demonstriert, wie generative KI den Anwenderinnen und Anwendern eine einfache Informationserschließung in natürlicher Sprache ermöglicht. Perspektivisch muss es mehr solcher Datenquellen geben, die je nach Arbeitsbereich eine Rolle spielen.
Bereits heute können eigene Dateien in das System hochgeladen werden, um diese zu befragen. Daneben bietet F13 auch weiterhin eine Zusammenfassungsfunktion und eine Funktion zur Erstellung von Kabinettsvermerken an. Weitere von den Anwenderinnen und Anwendern gewünschte Funktionen sind technisch realisierbar.
Kostenlos für öffentliche Verwaltungen
Da es geradezu Wahnsinn wäre, wenn jede Verwaltungseinheit alle erdenklichen KI-Funktionen selbst entwickelt, fokussieren wir unsere Arbeit aktuell auf einen entscheidenden Punkt, um die begrenzten öffentlichen Ressourcen gemeinsam besser nutzen zu können: Wir bereiten den F13-Quellcode dafür vor, dass er anderen Verwaltungen kostenlos, gewissermaßen als Open Source, zur Verfügung gestellt werden kann. Das soll alle Interessierten in die Lage versetzten, die Anwendung F13 selbst auszuprobieren, wenn ein geeigneter IT-Betrieb zur Verfügung steht.
Hier schließt sich der Kreis zu den bequemen Smartphone-Apps: Wir wollen F13 mit vereinten Kräften als echte und leistungsstarke KI-Basis für die gesamte Verwaltung ausbauen. Mit seinem modularen Aufbau vereint F13 bereits heute hilfreiche KI-Funktionen in einem gemeinsamen Produkt, deren Zahl noch wachsen wird.
So muss nicht die hundertste identische KI-Funktion für die Verwaltung entwickelt werden, sondern es können hundert verschiedene KI-Funktionen arbeitsteilig entstehen. Das klingt nach einem wagemutigen und unkonventionellen Vorgehen – aber genau das brauchen wir, um mit dem rasanten Tempo der KI mitzuhalten.
Der Autor
Dr. Florian Stegmann (Grüne) ist Staatsminister und Chef der Staatskanzlei Baden-Württemberg.
Florian Stegmann