Die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden sollte mit dem Einsatz von 3D-Modellen und Building Information Modeling (BIM) erfolgen: Warum er dafür plädiert, schlüsselt Vermessungs- und Digitalexperte Lars Beckmann auf.
Viele öffentliche Einrichtungen wie Rathäuser, Schulen und Kindergärten oder kommunal verwaltete Wohngebäude müssen energetisch saniert und umgebaut werden, um die Klimaziele zu erreichen und dem Wohnungsengpass sowie dem Mangel an freien Bauflächen entgegenzuwirken. Hinzu kommt die notwendige Modernisierung der Verwaltungsapparate, damit sie im rasanten Wandel des digitalen Zeitalters bestehen können.
Die Lösung für diese komplexen Prozesse sind dreidimensionale Gebäudemodelle in Kombination mit Building Information Modeling (BIM): digitale Methoden, die nicht nur die Effizienz von Sanierungsprojekten steigern können, sondern auch das Facility Management und Public Administration auf eine neue Ebene heben.
Erstellung digitaler Gebäudeansichten
Digitale Gebäudeansichten ermöglichen es, den Umbau und die Sanierung von Bestandsgebäuden sowie Infrastrukturen virtuell zu planen. Dazu werden im Vorfeld die geometrischen und infrastrukturellen Gebäudedaten in ein Computer-Aided-Design-Softwareprogramm (CAD) integriert: eine Methode zur digitalen Erstellung von 2D-Zeichnungen und 3D-Modellen.
Denn gerade bei älteren Gebäuden gibt es gleich zu Beginn eine wesentliche Hürde: Wenn überhaupt noch Gebäudepläne existieren, liegen sie nur selten digital vor, und in vorhandenen Plänen sind oft nicht alle Änderungen dokumentiert. Für eine präzise und schnelle Neuvermessung des Gebäudes sorgt heute digitale Vermessungstechnik: 3D-Laserscanner erfassen innerhalb weniger Stunden oder Tage alle Gebäudestrukturen mit Raum-, Fassaden- und Dachflächen.
Digitaler Zwilling als interaktives Dashboard
Auch wenn bei Bestandsgebäuden die Informationstiefe an die eines Neubaus nicht heranreichen kann, vereinfachen aufbereitete zwei- und dreidimensionale Gebäudeansichten die gewerkeübergreifende Bauplanung erheblich. Dabei fungiert der digitale Zwilling als interaktives Dashboard für alle Baubeteiligten, die einen ortsunabhängigen Echtzeitzugriff auf den Bauprozess erhalten. Das wiederum vereinfacht Kommunikation, Nachverfolgung und die rechtzeitige Fehlererkennung.
Die Datendichte sorgt für effiziente Materialmengenberechnungen, Kostenkalkulationen, Visualisierungen sowie umweltschonende Bau- und Ressourcenplanung. Zudem ermöglicht es die 3D-Modellierung, in der Entwurfsplanung eine Reihe von Szenarien durchzuspielen. Zum Beispiel lassen sich vor Baubeginn verschiedene Versionen von Raumaufteilung und -einrichtung hinsichtlich technischer Gebäudeausrüstung ausprobieren, Baumaterialien austesten, Fluchtwege optimieren oder energetische Maßnahmen planen. Währenddessen können verschiedene Auswirkungen auf das Gebäude überprüft und mögliche Ausfallzeiten analysiert werden.
Building Information Modeling für kompletten Lebenszyklus
Building Information Modeling ist die Lösung für den kompletten Lebenszyklus eines Gebäudes – und ebenso für die Erleichterung täglicher Verwaltungsaufgaben: indem es geometrische Gebäudedaten mit weiteren tiefgreifenden Informationen verknüpft. Hierfür müssen im Zuge einer Neuvermessung des Bestandsgebäude möglichst alle Informationen über verbaute Materialien, Anschlüsse und Leitungen aufgenommen werden. Damit können alle Bereiche der öffentlichen Verwaltung den Zustand ihrer Gebäude überwachen sowie die Effizienz der Betriebs- und Verwaltungsaufgaben optimieren.
3D-Gebäudemodelle, die mit Echtzeitdaten als BIM verknüpft sind, verhelfen zu mehr Übersicht über Raumbelegungen und -auslastungen. Zudem geben integrierte Daten Aufschluss über verfügbares Inventar und liefern Analysen über dessen Verbrauch. Betriebsabläufe lassen sich effizienter planen, und die Nutzung von Ressourcen lässt sich nachhaltiger gestalten. Es können zudem Energieverbrauchsdaten verknüpft und analysiert werden, um gezielte Maßnahmen wie den Austausch veralteter Heizungsanlagen einzuleiten.
Digitale Datenaufnahme für Building Information Modeling
Damit gibt es jetzt auch bei Umbauten über eine gemeinsame Datenbank Zugriff auf Informationen über vergangene Wartungsarbeiten und verbaute Materialien. Zukünftige Arbeiten lassen sich zeit- und ressourceneffizienter planen. Zusätzlich aktualisieren sich mit dem Hinterlegen neuester Umbau-, Wartungs-, Reinigungs- und Instandhaltungsprotokolle alle betreffenden Dokumente automatisch, womit sich händische Übertragungsfehler minimieren.
Um diese und viele weitere Möglichkeiten von BIM in der Bestandsverwaltung und in Sanierungsprojekten auszuschöpfen, sind die digitale Aufnahme des aktuellen Zustandes und die Modellierung von 3D-Modellen essenziell: Mit ihnen erreicht man eine Basis für die tiefgreifende Informationssammlung. Somit ist es ratsam, auf eine Neuvermessung nicht zu verzichten, selbst wenn digitale Pläne vorliegen.
Der Autor
Lars Beckmann ist Gründer und Geschäftsführer der Parallelum GmbH.
Lars Beckmann