KI in der öffentlichen Verwaltung

Eine neue Ära der KI hat begonnen, so die Forscher ─ das kann eine Chance für die Zukunft der öffentlichen Verwaltung sein. Foto: Adobe Stock/phonlamaiphoto

Was KI in Rathäusern und Stadtwerken, in IT-Abteilungen oder im Büroalltag leisten kann, erklären die Forscher Steffen Braun und Jens Ley – und skizzieren damit den Horizont für Studierende und Studieninteressierte, die in der Verwaltung arbeiten (wollen).

Das vergangene Jahr 2022 kann als Wendepunkt von Künstlicher Intelligenz (KI) in der öffentlichen Wahrnehmung bezeichnet werden – auch wenn sich technologische Lösungen in den vergangenen Jahren bereits kontinuierlich entwickelt haben. Das zeigt sich allein an diesen Meilensteinen:

  • Im April 2022 wurde DALL-E 2.0 vorgestellt – ein KIbasierter Bildgenerator des Unternehmens open.AI, der mittels künstlicher, neuronaler Netzwerke Wörter in fotorealistische Bilder übersetzt (https://openai.com/dall-e-2/).
  • Im September 2022 verkündete Hollywood die Erstellung eines digitalen Zwillings von Bruce Willis. Er entstand mit maschinellem Lernen aus 34.000 Bild- und Videofragmenten und kann Schauspielerinnen und Schauspieler in zukünftigen Filmproduktionen ersetzen (https://consequence.net/2022/09/bruce-williams-deepfake-digital-twin/).
  • Im November 2022 stellte Open.AI ChatGPT (GPT = Generative Pre-trained Transformer) als KI-basierten Chatbot vor. Er kann neben meist sehr guten Antworten sogar Lyrik, Programmiercode oder Computerspiele (so genannte „Text Adventures“) erstellen (www.nytimes.com/2022/12/05/technology/chatgpt-ai-twitter.html).

ChatGPT brach alle Rekorde: Nie zuvor in der Geschichte des Internets erreichte eine Anwendung in kurzer Zeit so viele Nutzerinnen und Nutzer – und zwar in der Beta-Phase. In zwei Monaten wurden über 100 Millionen „unique User“ erreicht. Für die gleiche Schwelle benötigte die Video-App TikTok neun Monate, Instagram zweieinhalb Jahre und Facebook über vier Jahre (www.derstandard.de/story/2000143206488/chatgpt-ist-die-amschnellsten-wachsende-anwendung-aller-zeiten).

Eine neue Ära der Künstlichen Intelligenz, die jedem Menschen weltweit mit Internetzugang zur Verfügung steht, hat begonnen – eine Chance für die Zukunft der öffentlichen Verwaltung? Bereits früh im Jahr 2020 haben wir am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO zusammen mit der Zeppelin Universität Friedrichshafen im kommunalen InnovationsCenter Baden-Württemberg (https://digitalakademie-bw.de/module/kicbw/) eine Potenzialstudie erstellt, die einen praxisnahen Überblick der Fähigkeiten und Einsatzmöglichkeiten von KI im öffentlichen Sektor liefert. Zudem dient sie den Entscheidungsträgern aus Politik und Verwaltung als Hilfestellung, um die mit KI verbundenen Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken im Einsatz frühzeitig abzuwägen.

In einem Modell wurden fünf Evolutionsstufen von KI-Anwendungen für die Zukunft entlang typischer Verwaltungsbereiche und Komplexität eingeführt:

  • Stufe 1: Front-Office – Vordergrundverwaltung für den Kontakt mit Bürgerinnen und Bürgern.
  • Stufe 2: Back-Office – Hintergrundverwaltung für die Sachbearbeitung.
  • Stufe 3: Entscheidungsunterstützung: Beratende Systeme.
  • Stufe 4: Entscheidungsautomatisierung: Entscheidende Systeme.
  • Stufe 5: Entscheidende Systeme in Echtzeit.

Zu Stufe 1 gibt es bereits vielfältige Anwendungen, die sich als einfache Chatbots darstellen. Zum Beispiel: Corey des Ortenaukreises (https://corey.virtuelles-rathaus.de/ci/start), robotische Systeme (zum Beispiel in Ludwigsburg) oder automatisierte Informations- und Datenverarbeitungsdienste in Stadtverwaltungen. Finanzämter, Arbeitsagenturen und Bundesbehörden setzen ebenfalls zunehmend auf lernende Algorithmen, auch wenn die komplizierten Formulare der Grundsteuerreform seit 2022 dies noch nicht erkennen lassen (www.mdr.de/nachrichten/thueringen/grundsteuer-hilfe-formulare-elster-finanzamt-100.html).

Weitere Beispiele für die Stufen 2 und 3 liefert die KI gleich selbst. Der folgende Abschnitt wurde selbstständig von ChatGPT erstellt. Die Frage lautete: „Welche konkreten Praxisbeispiele für Künstliche Intelligenz in Stadtverwaltungen gibt es bereits in Deutschland?“ Die Antwort: „In Deutschland gibt es bereits einige praktische Anwendungen von Künstlicher Intelligenz (KI) in Stadtverwaltungen:

  • Frankfurt am Main setzt KI ein, um Bauanträge schneller und effizienter zu verarbeiten.
  • Berlin verwendet KI-Systeme zur Verkehrsüberwachung und -steuerung für mehr Verkehrssicherheit und -effizienz.
  • Hamburg nutzt KI für eine effizientere Müllentsorgung und Straßenreinigung.
  • München nutzt KI für den Einsatz in Energie- und Ressourcenmanagement für eine nachhaltigere Stadtverwaltung.
  • Stuttgart setzt KI ein, um Verkehrsprobleme in der Stadt zu identifizieren und zu lösen.

Dies ist jedoch nur eine kleine Auswahl, und es gibt sicherlich noch viele weitere Städte in Deutschland, die KI in ihren Verwaltungen einsetzen.“ (https://chat.openai.com/chat#, abgerufen am 4. Februar 2022).

Auffällig ist bei dem Beispiel Chatbot von ChatGPT der Qualitätsunterschied zwischen „alter“ und „neuer“ KI. Es zeigt, wie entscheidend Lernfähigkeit, Datenverfügbarkeit und Offenheit von Architekturen den Erfolg von KI-Lösungen bereits heute beeinflussen. Dies wird für die noch ausstehenden Stufen 4 und 5 mit selbstständigen Entscheidungsprozessen elementar. Wir sollten also weniger Fokus auf die Anwendung, sondern viel mehr auf die Lernfähigkeit von Künstlicher Intelligenz im Einsatz legen.

Die KI-Zukunft der Kommunal- und Landesverwaltung wird geprägt sein durch ein neues Verständnis von Technologie, Prozessen und Kompetenzen. Es gilt, Antworten zu finden auf die Fragen, welche Rolle Technologien im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kontext spielen, wie die Arbeitsteilung zwischen Mensch und Maschine zukünftig aussehen wird und welche Kompetenzen es dafür braucht.

Essenziell wichtig sind dafür sogenannte Future Skills (www.futureskills.org) – also menschliche Fähigkeiten, die in einer zunehmend digitalisierten Welt immer wichtiger werden und die noch viel zu wenig bis gar nicht an Schulen oder Hochschulen vermittelt werden. Durch angewandte Forschung und Innovation können hierzu neue Qualifizierungsformate mit konkreten Umsetzungsprojekten verknüpft werden.

Autoren:
Steffen Braun, Direktor Stadtsystem-Gestaltung am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Stuttgart.
Jens Leyh, Projektleiter KIC@bw an der Digitalakademie@bw.



Zur Info: KI in der Öffentlichen Verwaltung
Die Potenzialstudie zeigt, wie KI in der täglichen Verwaltungspraxis eingesetzt werden kann. Erstellt wurde sie vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und der Zeppelin Universität Friedrichshafen im kommunalen InnovationsCenter Baden-Württemberg.